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Riesige Personalprobleme an Schulen im Kreis Görlitz

Sachsen-Kompass: "Weniger Unterrichtsausfall" ist im Kreis Görlitz der mit Abstand größte Wunsch beim Thema Bildung. Er kann nur an wenigen Schulen erfüllt werden.

Von Jana Ulbrich
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Massive Stundenkürzungen, volle Klassen und zuweilen sogar Schüler im Homeoffice: Das neue Schuljahr startet nicht viel besser als das vergangene.
Massive Stundenkürzungen, volle Klassen und zuweilen sogar Schüler im Homeoffice: Das neue Schuljahr startet nicht viel besser als das vergangene. © Sebastian Gollnow/dpa

Wenn Sabine Köhler die aktuelle Situation an ihrer Schule in einem Satz beschreiben will, dann sagt sie: "Wir geben wirklich alle unser Bestes. Aber es reicht einfach nicht." Sabine Köhler arbeitet an einer Förderschule im Kreis Görlitz. In den Stundenplänen für das neue Schuljahr fehlt Unterricht in Größenordnungen, weil die Lehrkräfte nicht ausreichen, um die komplette Stundenzahl abzudecken. Egal, ob Hauptfächer, Sport oder Werken - durchweg wird gestrichen.

"Diese Situation könnte ich für jede Schule im Kreis so oder so ähnlich beschreiben, da sind Förderschulen längst keine Ausnahme mehr", sagt Sabine Köhler. Die 55-Jährige kann die personelle Situation zum Schuljahresbeginn ziemlich gut einschätzen. Sie ist Kreisvorsitzende im Sächsischen Lehrerverband. Trotz aller Bemühungen im Kultusministerium, sagt sie, habe sich die prekäre Personalsituation an den Schulen der Oberlausitz im Vergleich zum Vorjahr nicht wesentlich verbessert. "Es gehen immer noch mehr Kollegen in Rente als neue einsteigen."

105 Neueinstellungen konnte das Landesamt für Schule und Bildung (Lasub) in den Kreisen Bautzen und Görlitz realisieren. Aber wesentlich mehr Kollegen haben die Schulen in den Sommerferien verlassen. Wie viele Stellen insgesamt nicht neu besetzt werden konnten, dazu gibt es vom Schulamt keine Auskunft mehr.

"Wir schauen nicht mehr auf die einzelnen Stellen", erklärt Sprecher Clemens Arndt. "Wir stellen jetzt jeden ein, der sich bei uns bewirbt und geeignet ist." Für die Region Oberlausitz aber bewerben sich nach wie vor viel zu wenige. In Dresden und Leipzig zum Beispiel ist die Bewerberzahl dreimal so hoch.

Große Hoffnungen in Löbauer Lehrerausbildung

Große Hoffnungen setzen deshalb vor allem die Grund- und Förderschulen der Region in die neue Ausbildungsstätte für Referendare in Löbau. "Wenn die jungen Leute hier vor Ort sind, können wir sie hoffentlich noch mehr als bisher für ein Leben und Arbeiten in dieser Region begeistern", sagt Sabine Köhler. Auch an ihrer Schule beginnt am Montag eine junge Referendarin aus Löbau.

Trotz allem aber wird auch im neuen Schuljahr wieder Unterricht in Größenordnungen ausfallen. Im vorigen Schuljahr lag die Ausfallquote an vielen Schulen im Kreis bei über zehn Prozent, bei manchen Schulen sogar noch darüber. Um mit dem vorhandenen Personal einigermaßen hinzukommen, werden Klassen bis auf den letzten Platz aufgefüllt oder Kurse gestrichen, an manchen Schulen werden Klassen auf andere aufgeteilt, manche Schulen schicken ihre Schüler tageweise ins Homeoffice. Viele Lehrer unterrichten wieder an mehreren Schulen, um so den Mangel wenigstens gleichmäßig zu verteilen.

Eltern wünschen sich weniger Unterrichts-Ausfall

Dabei ist "weniger Unterrichtsausfall" beim großen Sachsen-Kompass im Kreis Görlitz die mit Abstand meistgenannte Antwort auf die Frage: "Was wünschen Sie sich für die Schulen in Ihrer Region?" Drei Viertel aller Umfrageteilnehmer nennen dieses Problem als Erstes. Bessere Vorbereitung auf das Berufsleben und kleinere Klassen folgen in der Wunschliste.

Rund ein Viertel der Befragten nennt als Drittes eine verlängerte Grundschulzeit, eine bessere digitale Ausstattung der Schulen und günstigeres Schulessen. Die Wunschliste der Eltern allerdings wird vorerst eine Wunschliste bleiben. Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) sagte diese Woche zum Thema Unterrichtsausfall:

"Es ist kein Geheimnis, dass wir natürlich gern mehr Lehrkräfte eingestellt hätten, wenn sich auch mehr beworben hätten." Die Unterrichtsabsicherung bliebe damit auch im neuen Schuljahr "eine Herausforderung." Beim Sächsischen Lehrerverband wird man deutlicher: "Wir sind besorgt", heißt es in einer Pressemitteilung. Die Situation offenbare "erneut gravierende Mängel in der Personalplanung und -gewinnung."

"Jede Schule versucht die Situation so gut es geht zu meistern", sagt Sabine Köhler. "Die Lehrkräfte, die da sind, arbeiten an der Belastungsgrenze oder sogar darüber hinaus." Assistenzsysteme helfen: mehr Sozialpädagogen, pädagogische Fachkräfte oder Schulassistenten könnten die Lehrkräfte unterstützen. "Das wäre aus unserer Sicht ganz wichtig", sagt Sabine Köhler. "Das könnte und müsste noch viel mehr ausgebaut werden."

Dem neuen Schuljahr sieht die Lehrerin dennoch optimistisch entgegen: "Wir versuchen auch in diesem Schuljahr wieder alles, um aus dem Mangel das Allerbeste für unsere Schüler zu machen. So haben wir es die letzten Jahre ja immer gemacht."