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Wie der "Job fürs Leben" wieder Realität wird

Das IHI Zittau hat ein Konzept entwickelt, wie Firmen und Beschäftigte dauerhaft miteinander klarkommen können. Geld aus dem Kohleausstiegsfonds hilft dabei.

Von Frank-Uwe Michel
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Dr. Stefanie Hanke und Prof. Thorsten Claus vom IHI Zittau wollen Mitarbeiter und Firmen dauerhaft zueinander führen.
Dr. Stefanie Hanke und Prof. Thorsten Claus vom IHI Zittau wollen Mitarbeiter und Firmen dauerhaft zueinander führen. © Matthias Weber/photoweber.de

Das Geld stimmt, die Arbeitszeit auch. Der Chef - so la la. Und die Kollegen - mit denen könnte man Pferde stehlen. Dann kommt ein Jobangebot von der Konkurrenz. Bleiben oder den Betrieb wechseln - haben Sie das schon mal überlegt? Auch in Zittau und Umgebung werden überall neue Mitarbeiter gesucht. Da ist die Versuchung groß, sich an neuer Stelle auszuprobieren. Aber ist es das? Wären Sie vielleicht gern geblieben, wenn die Bedingungen, das "Drumherum", nur ein bisschen besser wären?

Dr. Stefanie Hanke weiß aus Gesprächen mit Firmenchefs: Vielen steht das Wasser bis zum Hals. Die Personaldecke ist so dünn und auf Kante genäht - ein Abgang oder gar der Verlust eines ganzen Teams würde das Gebilde zum Einsturz bringen. "Zumal auch in unserer Region durchaus abgeworben wird, vor allem im IT- und Pflegebereich", erklärt die Mitarbeiterin des zur TU Dresden gehörenden Internationalen Hochschulinstitutes (IHI). Kopfpauschalen seien üblich. "Manchmal geht es wirklich um jede einzelne Person."

Doch wie lassen sich Beschäftigte dauerhaft an ein Unternehmen binden, wenn es letztlich doch meist ums Geld und die Arbeitsbedingungen geht? "Viele der Bedingungen sind austauschbar: Lohn, mobiles Arbeiten, die heute so wichtige Work-Life-Balance. Wenn ich hier das Gleiche habe wie in einem anderen Betrieb, dann kommen die weichen Faktoren ins Spiel." Genau da setzt das von der 43-Jährigen initiierte Projekt "Cultural Fit" an, mit dessen Hilfe sich Firmen zu solchen Arbeitgebern verwandeln sollen, von denen sich Arbeitnehmer gar nicht mehr trennen wollen.

Mit rund 478.000 Euro Strukturwandelgeld aus dem Kohleausstiegsfonds unterstützt der Bund dieses Konzept. Zusammen mit zehn Prozent Eigenmitteln stehen in den nächsten drei Jahren etwa 531.000 Euro zur Verfügung. Zwei ausschließlich für das Projekt tätige Fachkräfte werden sich ab April um interessierte Firmen kümmern. Bei der Industrie- und Handelskammer hat man erkannt, wie wichtig das Thema ist. Als es um Tarifunterschiede zwischen öffentlichem Dienst und freier Wirtschaft ging, hatte der Görlitzer IHK-Chef Frank Grossmann bereits vom "Kampf um Köpfe" gesprochen. Und davon, dass sich die Lage angesichts der Alterspyramide im Landkreis künftig noch weiter zuspitzen werde.

"Jeder ist ersetzbar" gilt heute nicht mehr

Das sehen auch fünf Firmen aus dem Landkreis Görlitz so. ATN Hölzel aus Oppach, Oka Büromöbel aus Ebersbach-Neugersdorf, der Großschönauer Trixi-Park, ecu Glaubitz aus Zittau und die Qcentris AG mit ihrem Standort in Görlitz haben das IHI-Projekt bereits in der Anlaufphase unterstützt und dürften zu den ersten Profiteuren gehören. Zudem sind Politiker wie Landrat Stephan Meyer und die aus dem Oberland stammende Grünen-Fraktionschefin im Landtag, Franziska Schubert, involviert.

Doch worum geht es bei "Cultural Fit" konkret? "Früher hieß es: Jeder ist ersetzbar. Das ist aber schon lange nicht mehr so", sagt IHI-Chef Prof. Thorsten Claus. "Heute musst du als Firma die Wertschätzung steigern, damit deine Leute so lange wie möglich bleiben." Stefanie Hanke, die das Konzept aus einer Anfangsidee und vielen Gesprächen mit betroffenen Unternehmern seit 2019 zu dem jetzt geförderten Papier entwickelt hat, setzt auf den Wohlfühlfaktor. "Es darf einfach keinen Grund mehr geben, den Betrieb zu wechseln." Ihr Ansatz: Herausfinden, was die Firma ausmacht. Dabei ehrlich sein, damit es keine Enttäuschungen gibt. Danach an den viel beschworenen Stellschrauben drehen. Die decken im besten Fall den kompletten Personalzyklus ab: Vom Finden, Binden, über das Entwickeln bis zum Zurückgewinnen von Mitarbeitern.

Transparenz und Vertrauen herstellen - dabei sind Stellenausschreibungen erste Meilensteine. Das setzt sich über Bewerbungsgespräche und das ständige Miteinander von Führungskräften und Mitarbeitern fort. "Alltagskommunikation, aktives Zuhören, Fragen stellen, den Zusammenhalt im Team fördern - all das sind Dinge, die man in jeder Firma ganz individuell betrachten muss", erklärt Stefanie Hanke. Auch aus Kündigungen lernen. Schwachstellen künftig zu Stärken machen. "'Cultural Fit' soll die Firmen dazu sensibilisieren, eigene blinde Flecken aufzudecken. "Vielleicht sind die einzelnen Punkte nicht neu. Aber wenn es hart auf hart kommt, wird an ihnen zuerst gespart. Deshalb wollen wir den Unternehmen Methoden an die Hand geben, wie sie ihr Personal dauerhaft an sich binden können."