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Nach Einsturz in Dresden: Warum die Brücken der neuen B 178 "unkaputtbar" sind

64 Brücken gibt es an der Neubaustrecke zwischen der Landesgrenze und Nostitz in der Oberlausitz. Die ersten davon werden bereits kontrolliert. Mit einem außergewöhnlichen Ergebnis.

Von Frank-Uwe Michel
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In dieser Woche wird die Talbrücke der neuen B178 bei Oelsa auf eventuelle Sicherheitsmängel überprüft.
In dieser Woche wird die Talbrücke der neuen B178 bei Oelsa auf eventuelle Sicherheitsmängel überprüft. © Jens Kaczmarek

Brückenprüfung - seitdem Teile der Carolabrücke in Dresden eingestürzt sind, hat dieses Wort eine besondere Bedeutung. Sicherheit steht an erster Stelle, deshalb werden alle Brückenbauwerke in Deutschland einem festgelegten Kontrollregime unterzogen.

Auch die Exemplare, die erst vor kurzem im Zuge der neuen B178 gebaut wurden, sind hier bereits integriert. In dieser Woche ist die Talbrücke Oelsa vor den Toren von Löbau an der Reihe.

Sächsische.de beschreibt, wie eine solche Prüfung abläuft, welche Sicherheit sich daraus ergibt und wie gut die Brücken in Verantwortung des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) in den Landkreisen Görlitz und Bautzen generell aufgestellt sind.

Was wird bei der Prüfung der Oelsaer Talbrücke gemacht?

Bei der Brücke kurz hinter Löbau steht eine Hauptprüfung an. Hier rollt der Verkehr schon seit 2001, die Brücken in diesem Bereich mussten bereits mehrere Prüfungen über sich ergehen lassen. Die Talbrücke zählt mit ihren 262 Metern Länge zu den Großbrücken, ihre Kontrolle ist sehr aufwendig. Zum Einsatz kommt ein sogenanntes Brückenuntersichtgerät. Diese Vorrichtungen werden bundesweit nur von drei Firmen verliehen, entsprechend lang sind die Wartezeiten. Das Berliner Ingenieurbüro, das im Auftrag des Lasuv jetzt mit den Untersuchungen der Talbrücke beschäftigt ist, bekam den Auftrag bereits im März. Erst jetzt aber war eines der begehrten Befahrungsgeräte frei.

Nach Angaben von Lutz Günther, Abteilungsleiter Konstruktiver Ingenieurbau beim Lasuv, wird bei der Hauptprüfung "jeder Zentimeter des Bauwerks abgeklopft." Das Ziel: Risse im Beton erkennen, eventuelle Schäden beurteilen und die Auswirkung der Mängel auf die Standfestigkeit des Bauwerkes einordnen. Zu dem aktuellen Prüfauftrag gehören neben der Brücke bei Oelsa weitere sechs Brücken und zehn Lärmschutzwände. Sie werden alle bis zum Ende dieser Woche kontrolliert.

Brückenprüfung - das Schild an der Dehsaer Straße kurz hinter Löbau weist auf den Einsatz der Prüfingenieure hin.
Brückenprüfung - das Schild an der Dehsaer Straße kurz hinter Löbau weist auf den Einsatz der Prüfingenieure hin. © Jens Kaczmarek
Kontrolliert wird mit spezieller Technik - einem sogenannten Brückenuntersichtgerät. Davon gibt es in Deutschland nur eine begrenzte Zahl, deshalb braucht ihr Einsatz eine längere Vorlaufzeit.
Kontrolliert wird mit spezieller Technik - einem sogenannten Brückenuntersichtgerät. Davon gibt es in Deutschland nur eine begrenzte Zahl, deshalb braucht ihr Einsatz eine längere Vorlaufzeit. © Jens Kaczmarek
Bei der Hauptprüfung nehmen die Ingenieure jedes Brückenteil unter die Lupe. Der gesamte Beton wird auf eventuelle Schäden abgeklopft.
Bei der Hauptprüfung nehmen die Ingenieure jedes Brückenteil unter die Lupe. Der gesamte Beton wird auf eventuelle Schäden abgeklopft. © Jens Kaczmarek

In welchem Prüfzyklus wird kontrolliert?

Es gibt fünf Arten von Prüfungen. Am intensivsten ist die Hauptprüfung alle sechs Jahre. Dabei sind die Ingenieure direkt im Kontakt mit dem Prüfling, alle Bauteile werden gründlich kontrolliert. Drei Jahre nach der Hauptprüfung wird die sogenannte einfache Prüfung durchgeführt, sie erfolgt in der Regel ohne die Hilfe von Geräten. Parallel dazu nehmen die Straßenmeistereien die Bauwerke einmal jährlich unter die Lupe. Obendrauf kommt die laufende Beobachtung während der üblichen Streckenkontrollen. Nach Schadensereignissen wie Hochwasser oder Kollisionen von Fahrzeugen mit Brückenteilen sind Sonderprüfungen vorgeschrieben.

In welchem Zustand befinden sich die B178-Brücken?

Der generelle Bauzustand aller Brücken wird mit Noten von 1,0 bis 4,0 bewertet. Bei der B178 gibt es von der Landesgrenze bis zum Ausbauende kurz vor Nostitz 64 Brücken. Ihr Gesamtdurchschnitt liegt bei 1,75. "Ein guter Wert", wie Lutz Günther findet. Zumal 14 Bauwerke die Noten 1,0 bis 1,4 aufweisen. Das Gros von 35 Brücken liegt im Bereich zwischen 1,5 und 1,9. Für die strategische Planung schreibt die entsprechende Richtlinie eine Note von 2,2 vor. Dann sollte gehandelt werden. Wobei es auch hier schon Mängel gab, die beseitigt wurden - aber nicht an den Brücken selbst, sondern bei Lärmschutzwänden, die ebenfalls kontrolliert werden. Dort mussten zersprungene oder zerstörte Gläser ausgetauscht werden.

Was macht die B178-Brücken sicherer als ältere Bauwerke?

Heutige Spannbetonbrücken und ihre Vorläufer aus den 1960er/70er Jahren sind zwar vom Grundprinzip ähnlich aufgebaut. Inhaltlich trennen beide aber Welten. So vermeidet man jetzt die Fehler früherer Zeiten. So wird zum Beispiel der noch in der teilweise eingestürzten Carolabrücke in Dresden verwendete rissgefährdete Spannstahl seit 1993 nicht mehr hergestellt. Außerdem werden die Brücken so abgedichtet, dass der Eintrag von Wasser und winterlichen Auftausalzen in die Tragkonstruktionen der neuen B178-Brücken ausgeschlossen ist. Die vorgegebene Nutzungsdauer beträgt laut Ina Wehner, Bauwerksprüferin beim Lasuv, 80 Jahre. Bei regelmäßiger Wartung - die vorgeschrieben ist - verlängert sich diese Zeit.

Was passiert, wenn die Verkehrsbelastung steigt?

Auch wenn, wie allgemein angenommen, der Verkehr mit der Inbetriebnahme der kompletten B178n von der Landesgrenze bis zur Anbindung an die A4 noch einmal steigt, sind die hier errichteten Brücken sicher. Das hängt nach Angaben von Lutz Günther mit dem Wechsel von der deutschen Verkehrslastennorm auf den sogenannten Euro-Code zusammen. "Mit dieser EU-weiten Regelung werden bei der Bemessung wesentlich höhere Verkehrslasten berücksichtigt als sie heute tatsächlich vorkommen." Großbrücken wie die Talbrücke Oelsa könnten zudem mit zusätzlichen externen Spanngliedern verstärkt werden.

Wie intakt sind die Lasuv-Brücken in der Oberlausitz?

Neben den B178-Brücken ist das Lasuv für weitere Bauwerke in den Landkreisen Görlitz und Bautzen zuständig. Insgesamt sind es 613 - darunter Beton-, Stahlverbundbeton-, Stahl- und historische Gewölbebrücken. Die älteste, die Baderbrücke bei Königsbrück, stammt aus dem 16. Jahrhundert und ist immer noch in Betrieb.

Im Kreis Görlitz sind es 138 Bundesstraßen- und 168 Staatsstraßenbrücken, im Kreis Bautzen belaufen sich die Zahlen auf 77 bzw. 230. Von Zittau bis Weißwasser beträgt die Durchschnittsnote in beiden Kategorien 1,74.

Zwischen Bautzen, Hoyerswerda und Kamenz liegt der Wert bei Bundesstraßen bei 1,77, bei Staatsstraßen sogar bei 1,71. All das ist viel besser als die einzuhaltende Durchschnittsnote von 2,2. Deshalb kommt Lasuv-Experte Günther auch zu dem Schluss: "Diese Brücken sind wirklich gut in Schuss." Lediglich in Radeberg und Groß Särchen müssten zwei Brücken direkt erneuert werden.