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Von wegen Stein auf Stein: Seifhennersdorfer druckt Häuser

Frank Strietzel ist Baufachmann. In Liechtenstein hat der Oberlausitzer ein Start-up gegründet und will von da aus die Baubranche revolutionieren.

Von Frank-Uwe Michel
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Aus Seifhennersdorf in die Welt: Frank Strietzel ist Experte im 3D-Druck von Häusern und setzt darauf, dass sein Verfahren weltweit Anwendung findet.
Aus Seifhennersdorf in die Welt: Frank Strietzel ist Experte im 3D-Druck von Häusern und setzt darauf, dass sein Verfahren weltweit Anwendung findet. © privat

Frank Strietzel ist Seifhennersdorfer, beruflich und inzwischen auch privat aber schon eine ganze Weile außerhalb seiner Heimatstadt unterwegs. Ab und zu kehrt der 61-Jährige natürlich zurück. Wenn er dann mit dem Auto aus Richtung Neugersdorf kommt, in Höhe des Silberteich-Bades hält und auf die Stadt blickt, in der er geboren wurde, stellt er fest: "Seifhennersdorf wird immer grüner."

Das hat aber nichts mit der intakten Umwelt hier zu tun. Viel eher mit dem Einwohnerschwund. Immerhin haben mehrere tausend Einwohner nach der Wende ihr Glück außerhalb der Grenzstadt gesucht. Statt 1990 noch 6.800 leben aktuell nur noch rund 3.600 Menschen am Ufer der Mandau. Die Bausubstanz wurde dadurch nicht besser, manches verfiel. "Und es gibt etliches, was inzwischen zugewachsen ist."

Auch Strietzel hat es nicht in der Heimat gehalten. Als junger Bursche lernte er in der DDR Betonwerker - im VEB Plattenwerk Bautzen, dem heutigen Betonwerk der Firma Hentschke Bau. "Mir hat das Spaß gemacht. Ich wollte etwas mit meinen eigenen Händen schaffen - Dinge gestalten, die nicht vergänglich sind, sondern auch in 50 oder 100 Jahren noch existieren", beschreibt er seine Motivation, die ihn all die Jahre in der Branche gehalten hat. In der Anfangszeit war er nicht nur in der Oberlausitz aktiv - in Berlin lernte er von der Pike auf, wie die damals im Osten üblichen Plattenbauten entstanden.

Ein Umstand, der ihm später noch helfen sollte. Denn nach der Wende wechselte Frank Strietzel in die Fertigteilindustrie der alten Bundesländer, wurde nach einiger Zeit sogar zum Werkleiter berufen. Unter seiner Regie entstanden Fassaden in großen Städten - unter anderem an der Goethe-Universität in Frankfurt/Main oder im früheren Olympischen Dorf in München. "Es war nicht so, dass ich mich als Mann vom Bau aus dem Osten hintenan stellen musste. Ich hatte eine gute Ausbildung. Und bei den Fertigteilen waren wir in der DDR ziemlich weit vorn."

Strietzel blieb wissbegierig und offen für Neues. Als selbstständiger Berater bekam er interessante Aufträge in der Betonfertigteil- und Betonsteinindustrie. Eines Tages lernte er Experten der Universität Innsbruck kennen, die über einen Forschungsauftrag den 3D-Druck in die Baubranche brachten. "Das interessierte mich und hat mich seitdem nicht mehr losgelassen", erzählt der Seifhennersdorfer. Er selbst setzte noch eins obendrauf: Mit einem Freund entwickelte er das Know-how, um weltweit zuerst Wände aus genormtem Beton mit Zuschlagstoffen im 3D-Druck herzustellen. In Liechtenstein gründete er mit Geschäftspartnern ein Start-up. Thema: Natürlich 3D-Druck im Hausbau, extern auf der Baustelle und intern für die Vorfabrikation.

Doch warum ausgerechnet in dem Zwergstaat zwischen Österreich und der Schweiz, nur ein paar Kilometer von Deutschland entfernt? Zum einen hatte der Seifhennersdorfer den Lebensmittelpunkt mit seiner Familie inzwischen in die Schweiz verlegt. "Zum anderen hatten wir Investoren dort und konnten auf gute Geschäftsbeziehungen bauen."

Das Pflaster in Deutschland sei für Start-ups in der Baubranche viel zu schwierig, meint Strietzel. Generell sieht er die Bauindustrie in seinem Heimatland vor schweren Zeiten. Dabei könnte der in seiner Firma M3dusa AG entwickelte 3D-Druck von Hauswänden den Bau von Gebäuden revolutionieren - in Europa, in der ganzen Welt. "Das ist tatsächlich ein globaler Markt, man wird die Vorteile unserer Erfindung noch erkennen", ist er überzeugt. Erste Projekte wurden bereits umgesetzt. Aktuell entsteht mithilfe dieses Verfahrens ein Haus bei Ulm. Es ist gleichzeitig das erste, bei dem genormter Recycling-Beton zum Einsatz kommt.

Das Besondere an der Erfindung: Wände werden gedruckt, ohne Schalung und kostspielige Spezialbaustoffe einsetzen zu müssen. 3D-Druck in der Baubranche ist bisher selten, hauptsächlich wurden Marketing-Projekte umgesetzt. Beim Start-up von Frank Strietzel und seinen Geschäftspartnern ist das anders. Durch den von ihnen entwickelten Druckkopf kann kostengünstigerer Normbeton verwendet werden, die Beimischung der Zuschlagsstoffe erfolgt direkt vor Ort. Bis zu 2,5 Kubikmeter Beton lassen sich so pro Stunde in Form bringen. Das bedeutet: Für eine drei Meter lange und 1,40 Meter hohe Mauer braucht eine für den Prozess benötigte Arbeitskraft nur etwa 35 Minuten.

"Ein enormer Vorteil", meint der Erfinder. Material lasse sich einsparen, die sonst benötigte Schalung falle gänzlich weg. Auch Ziegel spielen keine Rolle mehr, ihre energieintensive Herstellung wird überflüssig. Und: In der Architektur ergeben sich durch den 3D-Druck ganz neue Möglichkeiten. "Wir sind viel flexibler - Probleme bei Rundungen oder anderen speziellen Formen gibt es nicht." Frank Strietzel ist überzeugt: Mit seiner Methode würden Bauverfahren extrem verschlankt und die Bauindustrie auch für junge Menschen wieder interessanter werden. Nicht nur im Hausbau vor Ort, sondern auch in der Fertigteil- und Betonsteinindustrie. Darum stehe seine Liechtensteiner M3dusa AG rund um den Globus mit anderen führenden Start-ups in Kontakt, "damit wir diese Transformation vorantreiben können."

All das könnte auch für die Oberlausitz von Interesse sein. Dazu müssten sich aber potente Firmen finden und in die neuartige Technik investieren. Der Seifhennersdorfer setzt darauf, dass sich seine Hausbau-Methode mit der Zeit hierzulande ebenfalls durchsetzen wird. "Ressourcen sind überall knapp - darin besteht unsere Chance."