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Schmerzensgeld-Prozess gegen Klinikum Oberlausitzer Bergland: 23,64 Euro nach schwerer Geburt

Wegen Komplikationen nach einer Geburt klagt eine Mutter auf 25.000 Euro Schmerzensgeld. War das alles bloß Schicksal?

Von Markus van Appeldorn
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Der Zittauer Standort des Klinikums Oberlausitzer Bergland. Vor Gericht ging es nun um eine schwierige Geburt in einem Kreißsaal eines der beiden Häuser des Klinikums.
Der Zittauer Standort des Klinikums Oberlausitzer Bergland. Vor Gericht ging es nun um eine schwierige Geburt in einem Kreißsaal eines der beiden Häuser des Klinikums. © Matthias Weber

Nach der Geburt einer Tochter 2019 in einem Kreißsaal des Klinikums Oberlausitzer Bergland muss eine Frau wiederholt wegen einer langwierigen Entzündung operiert und behandelt werden. Sie beklagt, das alles sei die Folge eines "grob fehlerhaft" durchgeführten Dammschnitts bei der Geburt.

Bis heute leide sie unter Stuhlinkontinenz und sei in ihrem Freizeitverhalten erheblich eingeschränkt. Sie verklagte das Klinikum und drei dort angestellte Ärzte. Doch statt eines Schmerzensgeldes von 25.000 Euro sprach ihr das Landgericht Görlitz nur 23,64 Euro zu. Allein wegen der deutlich höheren Anwalts- und Gerichtskosten ein teurer und nutzloser Prozess für die Frau.

Laut dem Gerichtsprotokoll hatte sich die damals 29-Jährige an einem Januartag 2019 um 0.30 Uhr mit beginnender Wehentätigkeit in die Klinik begeben - der errechnete Geburtstermin war zu diesem Zeitpunkt um zwei Wochen überschritten. Da es um 11 Uhr nur einen geringen Geburtsfortschritt gab, wurde die eigene spontane Wehentätigkeit mit einem Tropf unterstützt.

Um 18 Uhr stellte die Hebamme fest, dass "trotz wechselnder Gebärlagen das Köpfchen des Kindes bei Beckenmitte bis Beckenboden stehen blieb". Daraufhin machte sich auch eine später verklagte Oberärztin ein Bild von der Geburtssituation.

Schließlich griff man zu einer Saugglocke, die sich jedoch löste. An dieser Stelle übernahm die Oberärztin die Entbindung. In der Wehe wurde ein Dammschnitt durchgeführt, die Saugglocke erneut angelegt und in der nächsten Wehe schließlich das Kind geboren. Im weiteren Verlauf kümmerten sich die Ärzte ausweislich des Gerichtsprotokolls zuerst um das Kind, anschließend versorgten sie den Dammschnitt.

Keine natürliche Geburt mehr möglich

Später entwickelte sich bei der Frau ein Analabszess, der Ende Mai 2019 im Klinikum Oberlausitzer Bergland operiert wurde. Im Juli begab sich die Frau dann in die Notfallambulanz des Klinikums - erneut wegen starken Beschwerden. Dabei wurde ein wiedergekehrter Abszess diagnostiziert und erneut operiert. Und im September 2019 wurde sie dann letztmals stationär aufgenommen. Da habe die Frau über eine Schwäche des Schließmuskels berichtet, die auch operiert wurde.

Die Frau trug nun eben vor, die Geburt sei sowohl betreffend die Anwendung der Saugglocke als auch des Dammschnitts "grob fehlerhaft" durchgeführt worden, die Saugglocke gar nicht nötig gewesen. Das Vorgehen der Ärzte und des Personals der Klinik habe nicht den ärztlichen Standards entsprochen, eine "zwingend notwendige rektale Untersuchung" zum Ausschluss einer Schließmuskelverletzung sei pflichtwidrig unterlassen worden.

Die Frau beklagt, längere Zeit unter erheblichen Beschwerden und Schmerzen gelitten zu haben. Verblieben sei eine Stuhlinkontinenz. Als Mutter von drei Kleinkindern würden sich Freizeitaktivitäten als äußerst schwierig darstellen. Ihr 3. Kind hätte sie per Kaiserschnitt entbinden lassen müssen, da eine Geburt auf natürlichem Weg aufgrund der nicht rechtzeitig erfolgten medizinischen Versorgung der Schließmuskelverletzung nicht mehr möglich gewesen wäre.

Alles rechtmäßig - außer einer Gebühr

Das beklagte Klinikum bestritt all diese Vorwürfe - und der vom Gericht eingesetzte Gutachter kam zu derselben Auffassung. "Nach der durchgeführten Beweisaufnahme lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin bei den Beklagten nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst behandelt wurde", so das Gericht, und: "Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die gesundheitlichen Schädigungen der Klägerin schicksalhaft erfolgt sind."

Der spätere Verlauf mit Abszessbildung und mehrfachen Operationen seien zweifelsfrei für die Patientin extrem belastend, ließen aber nicht den Rückschluss auf ein unsachgemäßes medizinisches Handeln zu. "Wundheilungsstörungen nach der Geburt seien prinzipiell nicht hundertprozentig zu vermeiden", urteilt das Gericht. Der ungewöhnlich komplizierte Verlauf und Heilungsprozess bei der Klägerin müsse als schicksalhaft angesehen werden. Es liege insgesamt kein fehlerhaftes Verhalten vor.

Und was jene 23,64 Euro betrifft - das waren die Kosten, die die Klinik für die Zusendung der Patientenunterlagen auf einer CD erhoben hatte - und so eine Gebühr ist nicht zulässig.