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SZ + Zittau

Warum ein Flüchtling gerne als Friseur in Zittau arbeiten würde - aber nicht darf

Die Polin Anna Nejman würde ihren Mann aus dem Libanon gerne in ihrem Salon arbeiten lassen - aber der ist ausländerrechtlich ein ganz spezieller Fall.

Von Markus van Appeldorn
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Mohamed Merie und Anna Nejman in ihrem Friseursalon in Zittau.
Mohamed Merie und Anna Nejman in ihrem Friseursalon in Zittau. © Matthias Weber/photoweber.de

Als die Polin Anna Nejman (42) 2019 ihren Friseursalon "Hair Paris" in der Bautzner Straße in Zittau eröffnet, startete sie mit einem damaligen Alleinstellungsmerkmal. Ihr Salon war (und ist) nämlich zusätzlich ein Barber-Shop - also ein Spezialist für die Bartpflege. Das brachte ihr von Anfang an eine internationale Kundschaft - darunter auch viele in Zittau wohnhafte Migranten. So lernte sie auch Mohamed Merie (36) kennen, einen Flüchtling aus dem Libanon. Der betrieb vor seiner Flucht selbst einen Friseurladen in Beirut. Die beiden haben inzwischen geheiratet und Anna Nejman würde ihn gerne in ihrem Salon beschäftigen. Doch er bekommt keine Arbeitserlaubnis - und für Fälle wie ihn gibt es im deutschen Ausländer- und Aufenthaltsrecht einige Fallstricke.

Seit 14 Jahren lebt Mohamed in Zittau - offiziell in einer Flüchtlingsunterkunft in der Sachsenstraße. Er wurde zwar im Libanon geboren, ist aber kein libanesischer Staatsangehöriger, sondern war dort schon wie seine gesamte Familie als palästinensischer Flüchtling registriert. Er ist hier zwar nach Ablehnung seines Asylantrags ausreisepflichtig, aber geduldet. Offiziell heißt dieser Status "Aussetzung der Abschiebung" - und so steht es auch auf einem ihm vom Ausländeramt ausgestellten Ausweispapier. Seit rund zwei Jahren möchte er eine Arbeitserlaubnis. Und grundsätzlich können geduldete Migranten auch eine Arbeitserlaubnis erhalten - doch bei Mohamed Merie ist es ein bisschen anders.

Der tückische Zusatz auf dem Duldungs-Dokument

Er verfügt über einen Aufenthaltsstatus, der erst 2020 im Aufenthaltsgesetz geschaffen wurde und in Fachkreisen auch "Duldung light" genannt wird. Sein Ausweis trägt nämlich den Zusatz "Für Personen mit ungeklärter Identität". Und dazu sagt Paragraf 60b des Gesetzes: "Dem Inhaber einer Duldung mit dem Zusatz "für Personen mit ungeklärter Identität" darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden. Er unterliegt einer Wohnsitzauflage nach § 61 Absatz 1d." Also, selbst wenn das Ausländeramt in seinem Fall guten Willens wäre, dürfte die Behörde ihm gar keine Arbeitserlaubnis erteilen.

Das Gesetz verpflichtet Betroffene auch, die Unklarheit ihrer Identität zu beseitigen. Dazu bräuchte Mohamed Merie ein entsprechendes Identitätspapier der libanesischen Behörden - das er einst besaß, aber nach seinen Angaben auf der Flucht verloren hat. Um wieder an ein solches Dokument zu gelangen, müsse er sich zunächst von der Polizei den Verlust dieses Ausweises bestätigen lassen. Die Polizei aber ließ ihn bereits im Juni 2023 wissen: "Da Sie ohne gültige Dokumente unerlaubt in die Bundesrepublik eingereist sind und daher keine Unterlagen zu Ihrem Pass vorliegen, kann Ihnen keine Verlustbescheinigung für dieses Dokument ausgestellt werden."

Merie ist einen anderen Weg gegangen. Er hat sich von der "Palästinensischen Mission" in Berlin eine Art palästinensischen Pass ausstellen lassen. Die "Palästinensische Mission" ist die Vertretung der palästinensischen Autonomiegebiete in Deutschland. Doch so ein Papier hat in Deutschland kaum Nutzen. Zum einen kann auch diese Mission den deutschen Behörden keinen Nachweis über seine Identität verschaffen. Darüber hinaus gibt es nach deutschem Recht keine palästinensische Staatsangehörigkeit und keinen palästinensischen Staat. Palästinensische Flüchtlinge gelten als staatenlos. Andere EU-Staaten, darunter etwa Polen oder Tschechien, haben die Palästinensergebiete als Staat anerkannt.

Die Probleme mit der Eheschließung

Nun könnte sich die Lage für die beiden abrupt ändern, wenn sie rechtsgültig verheiratet wären. Als Polin ist Anna Nejman EU-Bürgerin. Und eine schon seit 2004 geltende EU-Richtlinie enthält ein Diskriminierungsverbot, das besagt: "Das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit erfordert, dass alle Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die sich aufgrund dieser Richtlinie in einem Mitgliedstaat aufhalten, in diesem Mitgliedstaat in den Anwendungsbereichen des Vertrags die gleiche Behandlung wie Inländer genießen." Das gilt unabhängig von der Staatsbürgerschaft eines Familienangehörigen zwar nur für dessen Recht auf Aufenthalt und Freizügigkeit, nicht in Bezug auf Arbeitsaufnahme, aber: Mit einem solchen Aufenthaltsrecht entfiele für Merie die Ausreisepflicht und auch die Duldung - einer Arbeitserlaubnis stünde nichts mehr im Weg.

Da gibt's bloß zwei Probleme. Zum einen sind die beiden nur nach islamischem Recht verheiratet - das ist in Deutschland keine rechtsgültige Ehe. Deshalb bemühen sich die beiden auch schon seit geraumer Zeit um eine Eheschließung vor dem Zittauer Standesamt. Und da ist Problem Nummer zwei: Natürlich verlangt auch das Amt den zweifelsfreien Nachweis von Meries Identität - und zahlreiche andere Papiere. Mit dem Pass der "Palästinensischen Mission" etwa kann das Amt gar nichts anfangen und schreibt: "Hinsichtlich des Identitätsnachweises des Antragstellers wird um die Vorlage einer beglaubigten Kopie eines für den Antragsteller ausgestellten libanesischen Reiseausweises für Palästinenser gebeten." Da Merie im Libanon geboren sei, könne er sich von den dortigen Behörden ein solches Dokument ausstellen lassen.

Und die beiden haben beim Standesamt auch schon diverse Dokumente eingereicht - etwa eine der SZ vorliegende beglaubigt übersetzte Geburtsurkunde von Merie oder eine Familienstandsbescheinigung. "Mittlerweile habe ich dafür 10.000 Euro ausgegeben", sagt Nejman. Allerdings moniert das Standesamt, dass es unklare Angaben zum Geburtsdatum gebe. Das alles kann also noch dauern. Immer wieder kommen Kunden und Freunde in Nejmans Salon, fragen nach dem Stand der Dinge. Wirkliche Fortschritte kann sie denen aber nicht mitteilen. "Einige Kunden und Freunde wollen demnächst hier für eine Arbeitserlaubnis für Mohamed demonstrieren", sagt sie. Das ist solidarisch - aber freilich auch ohne jede Rechtskraft.