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SZ + Zittau

Ließ das Amtsgericht Zittau einen Millionen-Betrüger laufen?

Das Gericht stellt einen Betrugsprozess um teure Oldtimer-Restaurierung ein. Ein Opfer sieht darin eine Rechtsbeugung.

Von Markus van Appeldorn
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Um diese Maserati-Oldtimer drehte sich ein Betrugssprozess mit möglichem Millionenschaden in Zittau.
Um diese Maserati-Oldtimer drehte sich ein Betrugssprozess mit möglichem Millionenschaden in Zittau. © privat

Einen schönen Oldtimer zu besitzen - davon träumen viele Autoliebhaber. So geht es auch Dr. Guido Quanz aus dem nordrhein-westfälischen Bergisch-Gladbach. Doch wegen eines Handwerkers aus Großhennersdorf wurde daraus ein immens teurer Albtraum. Doch dieser Handwerker wurde jüngst bei einem Betrugsprozess am Amtsgericht Zittau nicht einmal für den Riesenschaden verurteilt, den er verursacht hat. Quanz wittert deshalb Justizwillkür und Rechtsbeugung - und wendet sich deshalb an die Bundes- und Landesregierung und das Gericht.

Die ganze Geschichte begann bereits vor beinahe elf Jahren, Ende 2013. Dr. Guido Quanz ist Arzt und war Betreiber einer Klinik. Deren Verkauf an eine große Klinikgruppe brachte ihm ein beträchtliches Vermögen ein. Zeit, sich einen Traum zu erfüllen. "Ich wollte gerne einen historischen Maserati haben", erzählt er. Die bekannten italienischen Sportwagen rangieren preismäßig deutlich unter historischen Ferrari, kosten im Top-Zustand aber auch sechsstellig. "Ich wollte mir einen Maserati Sebring restaurieren lassen", sagt er - einen seltenen Oldtimer aus den 60er-Jahren.

Das verlockende Oldtimer-Investment

Auf der Suche nach einem solchen Fahrzeug stieß er damals im Internet auf die Werkstatt jenes Handwerkers aus Großhennersdorf. "Der hatte sich damals ganz offensichtlich schon einen guten Namen in der Maserati-Oldtimer-Szene gemacht", erzählt Quanz. Er habe ihm einen Maserati Sebring abgekauft und dessen Restaurierung dort in Auftrag gegeben. Gleichzeitig habe ihm der Handwerker einen interessanten Vorschlag gemacht. "Er hat gesagt, ich könne mehrere Maserati kaufen, bei ihm restaurieren lassen und aus dem Verkauf dieser Fahrzeuge dann die Restauration des für mich bestimmten Maserati finanzieren", schildert er. Er habe dem Vorschlag zugestimmt. "Das war für mich ein Investment", sagt Quanz.

Zunächst habe er dann jenen restaurationsbedürftigen Maserati Sebring für 30.000 Euro bei dem Handwerker erworben und in den Folgejahren vier weitere, zwei vom Typ 3500 GT und zwei vom Typ Ghibli. Für den Sebring sei eine Restaurationszeit von zweieinhalb Jahren vereinbart gewesen. Doch diese Jahre kamen und gingen - und die Restaurierung machte keine rechten Fortschritte. 2017 wurde dann ruchbar, dass der Handwerker in finanziellen Schwierigkeiten geraten war. Quanz wollte nicht, dass die Fertigstellung seines Oldtimers vereitelt wird. "Meine Idee war, ihm zu helfen", erzählt er. Deshalb habe er sich auch an die IHK gewandt, die den Handwerker beraten könne. Da kam der erste Schock. "Ich habe bei der IHK erfahren, dass der gar kein Karosseriebaumeister und auch nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist. Offiziell war die Werkstatt nur ein Auto-An- und -Verkauf", erzählt er.

700.000 Euro überwiesen

Um seine Fahrzeuge nicht möglicherweise in einer Insolvenz des Handwerkers zu verlieren, ließ er die Maserati in eine Zittauer Oldtimer-Werkstatt transportieren - doch auch dort konnte der Handwerker daran arbeiten. "Als der Inhaber dieser Werkstatt mir 2019 mitteilte, dass der da Fahrgestellnummern austauscht, wusste ich, dass ich betrogen wurde und habe Strafanzeige erstattet", sagt Quanz und zieht Bilanz: "Ich habe dem mit den Jahren 700.000 Euro für Teile überwiesen, die er offensichtlich in die Fahrzeuge anderer Kunden eingebaut hat. Der hat da eine Art Schneeballsystem betrieben." Einzig Quanz' Maserati Sebring wurde fertiggestellt - aber auch nicht so richtig. "Der sieht zwar super aus, aber fährt wie ein Traktor", sagt er. Weitere teure Motorarbeiten seien nötig. Die anderen vier Fahrzeuge stehen unvollendet in einer Zittauer Halle - an einen gewinnbringenden Verkauf ist in ihrem Zustand nicht zu denken.

Auch andere Kunden waren betroffen. Einer hat den Handwerker ausweislich des der SZ vorliegenden Gerichtsprotokolls bereits rechtskräftig auf einen Schadenersatz von 300.000 Euro verklagt. Aber zwischen Anzeige und Prozess sollten noch einmal Jahre vergehen. "Nach Anzeigenerstattung im Juni 2019 benötigten Staatsanwaltschaft und Gericht fünf Jahre, um den Fall zur Verhandlung zu bringen. Der erste mit der Sache befasste Staatsanwalt hat gar nichts getan", beklagt Quanz in einem Brief an den Bundesjustizminister, die sächsische Justizministerin und den Direktor des Zittauer Amtsgerichts.

Bei dem Betrugsverfahren am 13. Juni 2024 vor dem Schöffengericht passierte dann das, was Guido Quanz nicht fassen kann. Er war als einziger Zeuge geladen, der Angeklagte schwieg zu den Vorwürfen. "Der von ihm verursachte Schaden summiert sich auf eine Million Euro. Das ist schwerer Betrug", sagt er. Doch der Mann wurde nicht verurteilt, sondern das Verfahren nach Paragraf 153 II der Strafprozessordnung wegen Geringfügigkeit eingestellt. Die "Geringfügigkeit" erklärt der Einstellungsbeschluss mit den lange zurückliegenden Tatzeiten und der fehlenden strafrechtliche Vorbelastung des Angeklagten. Außerdem handele es sich im Wesentlichen um zivilrechtliche Forderungen. Ob die Forderungen der Höhe nach berechtigt seien, müsse ein Gutachter in einem Zivilverfahren klären.

Quanz konnte wenigstens erreichen, dass das Gericht ihm ein Teilanerkenntnis des Angeklagten von 100.000 Euro des ihm entstandenen Schadens zusprach. Das geschah im Zuge eines sogenannten "Adhäsionsverfahrens". Dieses sieht vor, in einem Strafverfahren auch gleich zivilrechtliche Schadenersatzurteile zu sprechen, um die Justiz zu entlasten und Geschädigte schnell zu befriedigen, ohne dass diese zusätzlich ein aufwändiges ziviles Schadenersatzverfahren führen müssen.

Gerichtsdirektor gibt Fall an Staatsanwaltschaft weiter

In seinem Brief an Ministerien und Gericht beklagt Quanz nun "Justizwillkür in Sachsen". Tätern würde so signalisiert: Du wirst nicht bestraft und musst nicht mal den Schaden wiedergutmachen. Geschädigte würden den Eindruck bekommen, dass die Justiz in Sachsen nicht funktioniert und es in Sachsen keine Rechtssicherheit gebe.

Das sächsische Justizministerium und der Zittauer Gerichtsdirektor haben Quanz geantwortet. Das Ministerium lässt ihn wissen: "Da Sie die Arbeitsweise der Staatsanwaltschaft Görlitz beanstanden, habe ich das Schreiben an den Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen weitergeleitet, der zunächst die Dienstaufsicht über die bei den Staatsanwaltschaften beschäftigten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ausübt." Die Dienstaufsicht über die Richter des Amtsgerichts Zittau würde vom Präsidenten des Landgerichts Görlitz geführt. Sein Schreiben werde daher an diesen weitergeleitet.

Und der Direktor des Amtsgerichts teilt ihm mit, dass er sein Schreiben zwecks Prüfung des Vorwurfs der Rechtsbeugung an die Staatsanwaltschaft als zuständige Ermittlungsbehörde weitergeleitet habe. Und weiter: "Soweit Sie bemängeln, dass das Strafgericht nicht über einen etwaigen Schadensersatz entschieden hat, bleibt anzumerken, dass laut Auskunft des vorsitzenden Richters eine Teilanerkenntnisentscheidung erfolgt ist, jedoch nicht abschließend hinsichtlich etwaiger weitergehender Zivilansprüche." Die Einstellung des Strafverfahrens habe "auf etwaige Schadensersatzansprüche daher keine abschließende Wirkung."