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Jeder Dritte im Kreis Görlitz fühlt sich nicht sicher genug

Sachsenkompass: Die Grenzkriminalität spielt eine große Rolle im Lebensgefühl der Menschen an Neiße und Spree. Jeder Zweite wünscht sich mehr Polizeipräsenz.

Von Anja Beutler & Jana Ulbrich
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Jeder zweite Einwohner im Kreis Görlitz wünscht sich mehr Polizeipräsenz auf den Straßen - so wie hier eine gemeinsame deutsch-polnische Streife in Görlitz.
Jeder zweite Einwohner im Kreis Görlitz wünscht sich mehr Polizeipräsenz auf den Straßen - so wie hier eine gemeinsame deutsch-polnische Streife in Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

In der Nacht vom 16. zum 17. Juli fährt um 22.43 Uhr in Zittau ein dunkelgrüner Hyundai Ioniq 5 seinen Besitzern direkt unterm Schlafzimmerfenster weg. Es muss ein Profi gewesen sein, der die Elektronik des 57.000 Euro teuren E-Autos knackt und das Fahrzeug startet. Genau um 22.43 Uhr meldet die App auf dem Handy des Besitzers: "Ihr Fahrzeug wurde erfolgreich deaktiviert." Die Sonderkommission Kfz fahndet jetzt international nach dem Hyundai. Bisher noch ohne Erfolg.

"Es ist zum Verrücktwerden", sagt Thomas Heidrich, dem der gestohlene Hyundai gehört. "Da wünscht man sich stationäre Grenzkontrollen, die man sich doch eigentlich gar nicht wünscht." Wir würden uns auch mehr Polizei auf den Straßen wünschen, fügt der Familienvater aus Zittau hinzu.

Jeder Zweite wünscht sich mehr Polizeipräsenz

Mit diesem Wunsch steht Familie Heidrich nicht alleine: Jeder Zweite aus dem Kreis Görlitz, der am Sachsen-Kompass, der großen landesweiten Umfrage der SZ, teilgenommen hat, wünscht sich mehr Polizeipräsenz auf den Straßen seines Wohnorts oder seiner Wohngegend. Dieses Ergebnis liegt weit über dem landesweiten Durchschnitt, nach dem sich rund 38 Prozent aller Befragten mehr Polizeistreifen in ihrem Wohnumfeld wünschen.

Auf die Frage, wo ihrer Meinung nach beim Thema Sicherheit der größte Handlungsbedarf besteht, nennen die Umfrageteilnehmer aus dem Kreis Görlitz mit großem Abstand zuerst die Grenzkriminalität. Zwei Drittel sehen die Schleuserkriminalität als das größte Problem, jeder zweite nennt die Autodiebstähle. Im Süden des Kreises folgen an dritter Stelle die Wohnungseinbrüche.

Wegen der unmittelbaren Betroffenheit und dem persönlichen Erleben setzen die Einwohner in den Grenzorten damit offensichtlich ganz andere Prioritäten für ihre Sicherheit als anderswo in Sachsen: Landesweit stehen Rechtsextremismus und Hass und Hetze im Internet als meistgenannte Probleme ganz oben auf der Liste, die nach Handlungsbedarf schreit.

Jeweils 47 Prozent aller Umfrageteilnehmer in Sachsen nennen diese beiden Themen zuerst. Autodiebstähle folgen landesweit betrachtet mit 14,3 Prozent erst auf Platz 8 aller Nennungen. Im Kreis Görlitz dagegen sieht nur jeder dritte Handlungsbedarf beim Thema Rechtsextremismus und Hass und Hetze im Netz.

Jeder Dritte fühlt sich nicht sicher genug

Auch bei der Frage nach dem persönlichen Sicherheitsgefühl zeigt sich die besondere Situation in den Städten und Gemeinden entlang der Grenzen zu Polen und Tschechien: Im Landkreis Görlitz sagen nur reichlich zwei Drittel (68 Prozent) aller Umfrageteilnehmer, dass sie sich in ihrem Wohnumfeld sehr sicher oder eher sicher fühlen.

Knapp jeder Dritte (32 Prozent) fühlt sich dagegen nur zum Teil sicher oder gar nicht, darunter 7,4 Prozent, die sich eher oder sogar sehr unsicher fühlen. In der Stadt Zittau ist die gefühlte Unsicherheit noch größer als im Kreisvergleich. Hier gibt nur jeder zweite Umfrageteilnehmer an, sich wirklich sicher zu fühlen, in der Grenzstadt Ebersbach-Neugersdorf sind das nur 47 Prozent.

Auch diese Zahlen weisen auf die besonders prekäre Lage in den Grenzorten hin. Nimmt man die Antworten aller Umfrageteilnehmer in Sachsen, dann fühlen sich rund drei Viertel (73,7 Prozent) der Menschen im Freistaat in ihrem persönlichen Wohnumfeld sicher - viel mehr also als in den Grenzorten.

Eigentumskriminalität bleibt Schwerpunkt im Landkreis

Die polizeiliche Kriminalstatistik aus dem letzten Jahr kann einen wesentlichen Grund für das niedrigere Sicherheitsgefühl und das Bedürfnis nach mehr Polizisten auf den Straßen im Kreis Görlitz liefern. Ein Drittel aller Straftaten, die bei der Polizeidirektion Görlitz 2023 erfasst wurden, waren Eigentumsdelikte: Allein 244 Autos und 94 Mopeds und Motorräder wurden hier im vorigen Jahr gestohlen, allein in der Stadt Zittau waren es 57 Autos und 14 Mopeds und Motorräder.

Im Vergleich zum Jahr 2022, so geht es aus der Kriminalstatistik der PD hervor, sind die Fallzahlen der Eigentumsdelikte in den Orten an der polnischen Grenze wieder deutlich gestiegen, insgesamt um mehr als 10 Prozent. In den Gemeinden entlang der tschechischen Grenze musste die Polizei eine Zunahme um 4,4 Prozent registrieren.

Die größte Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden, besteht laut Polizei in der Stadt Görlitz, gefolgt von Ebersbach-Neugersdorf und Zittau. Berechnet wird das mit einer sogenannten "Häufigkeitskennziffer". Die liegt in Görlitz bei rund 3.500 Fällen pro 100.000 Einwohner, in Ebersbach-Neugersdorf bei rund 3.200, in Zittau bei rund 3.000 Fällen.

Davon können auch die Heidrichs aus Zittau ein Lied singen. Der dunkelgrüne Hyundai ist nicht das erste Fahrzeug, das ihnen gestohlen wurde. Und es sieht bisher leider auch nicht danach aus, dass die Kriminalitätsbelastung entlang der Grenzen sinkt. Für das Jahr 2024 liegen zwar noch keine aktuellen Fallzahlen vor, es könne jedoch "davon ausgegangen werden, dass die Zahlen mit dem Vorjahr vergleichbar sind", so sagt es der Sprecher der Polizeidirektion.