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Was im Kurort Jonsdorf so alles in die Zukunft wächst

Sieben Orte aus dem Kreis Görlitz bewerben sich beim Wettstreit „Unser Dorf hat Zukunft“. Die SZ wollte wissen, was sie lebenswert macht. Teil 5: Jonsdorf.

Von Jana Ulbrich
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Die Kinder des Naturpark-Kinderhauses in Jonsdorf sind immer draußen. Die Streuobstwiese am Gebirgsbad ist ein herrlicher Platz zum Spielen und Entdecken - und ein schönes Symbol dafür, was im Kurort so alles wächst.
Die Kinder des Naturpark-Kinderhauses in Jonsdorf sind immer draußen. Die Streuobstwiese am Gebirgsbad ist ein herrlicher Platz zum Spielen und Entdecken - und ein schönes Symbol dafür, was im Kurort so alles wächst. © Matthias Weber/photoweber.de

Die Augustäpfel sind noch quietschsauer. "Die können wir heute noch nicht ernten", muss Anna Hausmann feststellen. Macht ja nichts. Dann gehen die Kinder aus dem Jonsdorfer Naturpark-Kinderhaus heute eben auf Entdeckertour durchs Gras: Wer entdeckt Blumen, Schmetterlinge, Käfer? Die Fünfjährigen sind mit Eifer dabei. Anna Hausmann, die junge Kita-Leiterin, schmunzelt: ein herrlicher Spielplatz, so eine Streuobstwiese.

Dieses wilde Fleckchen hier oben neben dem Jonsdorfer Gebirgsbad ist ein wunderbarer Ort - und vor allem auch ein wunderbares Symbol für das Wachsen und Zusammenwachsen im Kurort Jonsdorf: Als vor zwei Jahren vom Internationalen Begegnungszentrum in St. Marienthal eine Fläche für ein Projekt zur Rettung alter Obstsorten gesucht wird, haben die Jonsdorfer Gemeinderäte sofort dieses Stückchen Gemeindeland im Blick, auf dem noch ein paar alte Obstbäume von früher stehen. An einem Sonnabendvormittag werden also kurzerhand 37 neue Bäumchen dazu gepflanzt. Das halbe Dorf kommt zum Helfen.

Jetzt ist die Streuobstwiese ein idyllischer Ort. Die Kinder aus dem Naturpark-Kinderhaus kommen oft hier herauf. Gemeinsam mit den Grundschülern dürfen sie ernten und verarbeiten, was sie möchten. Voriges Jahr haben sie alle zusammen Apfelkuchen gebacken.

Auch Pierre Kolleck ist an diesem Morgen zur Streuobstwiese gekommen. Mit seinen 31 Jahren ist der junge Berufsfeuerwehrmann der Jüngste im Jonsdorfer Gemeinderat. Seine Kinder gehen beide in die hiesige Grundschule. Gemeinsam mit Bürgermeisterin Kati Wenzel (Freie Wähler) und Bauhofmitarbeiter Marcel Günther, den sie hier in Jonsdorf alle nur den "Günthi" nennen, will er den Aufbau des Grünen Klassenzimmers besprechen. Das soll nämlich diese Woche auch noch auf die Streuobstwiese ziehen.

Die 20 schönen Sandstein-Sitzblöcke und sieben dicken Holzbänke, die schon auf einem großen Haufen am Rand der Streuobstwiese liegen, sind auch so ein Beispiel für den pragmatischen Gemeinschaftssinn im Dorf: Marcel Günther, ebenfalls Mitglied im Jonsdorfer Gemeinderat und ehrenamtlicher Vorstandschef des Sportvereins ZSG Jonsdorf, hatte da eine gute Idee.

Die ZSG bewarb sich mit dem Klassenzimmer-Projekt bei einem Vereinswettbewerb der Sparkasse. So konnte das Material für das Klassenzimmer finanziert werden. Den Aufbau stemmen die Jonsdorfer diese Woche wieder gemeinsam. Die Fläche im Schatten des alten Kirschbaums ist schon abgesteckt.

Schulneubau kommt trotz knapper Kassen

Anna Hausmann, die junge Kita-Leiterin, wird dann mit den Kindern wohl noch öfter kommen, um die Vormittage hier draußen zu verbringen. Seit dem vorigen Jahr darf sich das Jonsdorfer Kinderhaus ganz offiziell "Naturpark-Kita" nennen - zertifiziert vom Verein der Deutschen Naturparke, zu dem auch der Naturpark Zittauer Gebirge gehört.

"Wir tragen nicht nur den Titel, wir leben die Idee auch", erzählt die 35-Jährige. "Die Kinder sind bei jedem Wetter draußen, lernen die Natur kennen und achten." Vor Kurzem haben sie im Kräutergarten Zitronenmelisse geerntet und daraus Sirup gekocht.

Auch die Jonsdorfer Grundschule soll mal eine Naturpark-Schule werden. Das Projekt ist großartig: Ein eingeschossiger Bau mit grünem Dach und Klassenräumen, die sich alle nach außen hin öffnen und in grüne Klassenzimmer verwandeln lassen, mit Lernorten im Freien und einem großen Sportraum, der die jetzige Turnhalle ersetzt. Es soll einer der modernsten Schulbauten Sachsens werden. Aber die Jonsdorfer müssen lange um ihren Schulneubau kämpfen.

Die Jonsdorfer Grundschüler freuen sich auf einen Schulneubau, der in Sachsen seinesgleichen suchen wird. Die Plattenbauschule aus DDR-Zeiten, die stark sanierungsbedürftig ist, wird abgerissen.
Die Jonsdorfer Grundschüler freuen sich auf einen Schulneubau, der in Sachsen seinesgleichen suchen wird. Die Plattenbauschule aus DDR-Zeiten, die stark sanierungsbedürftig ist, wird abgerissen. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Schon 2021 liegt das Neubauprojekt auf dem Tisch, nachdem sich eine Sanierung des alten, inzwischen auch viel zu groß gewordenen Schulgebäudes als unwirtschaftlich erweist. Die Fördermittelgeber bei der Landesregierung haben aber immer wieder Nachforderungen, zwischenzeitlich müssen die Jonsdorfer ihr ursprüngliches Projekt verkleinern.

Aber der Gemeinderat bleibt hartnäckig: "Wir brauchen diese neue Schule für unsere Kinder", sagt Pierre Kolleck. "Und wir wollen sie auch unbedingt." Obwohl der Kämmerer ob des knappen Budgets im Jonsdorfer Gemeindehaushalt Bedenken äußert, dass sich die Gemeinde zu hoch verschulden könnte, stimmen die Gemeinderäte einstimmig dafür, am Neubau festzuhalten. Die Fördermittel sind seit Kurzem zugesagt.

"Wir wollen schließlich ein Ort mit Zukunft sein, ein lebenswerter Ort vor allem für Familien", pflichtet auch Marcel Günther seinem Gemeinderatskollegen bei. Dafür sind sie alle angetreten im Jonsdorfer Gemeinderat - alle übrigens in einer gemeinsamen Wählergemeinschaft. Auch Anna Hausmann, die junge Kita-Leiterin ist seit der jüngsten Kommunalwahl dabei.

Das Dorf zieht an einem Strang

"Bei uns zählt keine Parteipolitik und kein Fraktionszwang", sagt Pierre Kolleck. "Für uns zählt immer nur das Wohl der Gemeinde." In Jonsdorf sind solche Sätze keine Phrase. Hier zählt Pragmatismus und alle - wirklich alle - ziehen mit. Als zum Beispiel Gemeinderätin Antje Geisler zufällig auf einen Fördertopf stößt, aus dem Geld zur Stärkung der Dorfgemeinschaft beantragt werden kann, kommt sie mit der Idee vom JolA in den Gemeinderat.

Seitdem lebt ganz Jonsdorf in der Adventszeit seinen JolA, den lebendigen Adventskalender - an jedem Adventsabend an einem anderen Ort mit Glühwein, Kinderpunsch und Kultur-Programm. Antje Geisler muss sich keine Sorgen machen, der Kalender könnte an einem Abend leer bleiben.

Die Idee vom JoJu-Bus stammt auch von der 45-jährigen Gemeinderätin. Die Jonsdorfer Jugend brauchte ein Domizil. Bei der Busgesellschaft gab es preiswert einen alten Linienbus zu kaufen. Den Standplatz stellte die ZSG am Sportplatz zur Verfügung. Geld gab es vom Förderprogramm "Hoch vom Sofa". "Man braucht nur jemanden, der es anschiebt", sagt die Bürgermeisterin.

Im schönen Jonsdorfer Gebirgsbad gleich neben der Streuobstwiese herrscht an diesem heißen Morgen schon Betrieb. "Gut so", sagt Kati Wenzel. Beinahe hätte das Bad geschlossen werden müssen, nachdem der Gemeinderat schweren Herzens beschließen musste, die Betreibergesellschaft, die Jonsdorfer Kur- und Tourismus GmbH, abzuwickeln.

Die beiden Gemeinderäte Marcel Günther (l.) und Pierre Kolleck besprechen mit Bürgermeisterin Kati Wenzel die weiteren Schritte im Jonsdorfer Gebirgsbad. Seit der Liquidation der Betreibergesellschaft führt die Gemeinde das Bad im Notbetrieb, Günther und
Die beiden Gemeinderäte Marcel Günther (l.) und Pierre Kolleck besprechen mit Bürgermeisterin Kati Wenzel die weiteren Schritte im Jonsdorfer Gebirgsbad. Seit der Liquidation der Betreibergesellschaft führt die Gemeinde das Bad im Notbetrieb, Günther und © Matthias Weber/photoweber.de

Wie die Eishalle fiel damit auch das Bad an den einzigen Gesellschafter, die Gemeinde Jonsdorf. Weil die 1.400-Einwohner-Gemeinde es sich nicht leisten kann, einen Schwimmmeister einzustellen, hat Kati Wenzel kurzerhand Marcel Günther aus dem Bauhof abgestellt, der auch Rettungsschwimmer ist. Und wenn der "Günthi" nicht da ist, springt Gemeinderat Kolleck ein, der die Qualifikation ebenfalls hat. Hilfe kommt auch von zwei Schülerpraktikanten. Man kann doch so ein herrliches Bad nicht schließen, noch dazu, weil es gerade erst frisch saniert wurde.

Mit der Eishalle ist die Sache schwieriger. Sie ist gerade die größte Sorge in der Gemeinde. Seit dem 1. August ist die Einrichtung geschlossen, die Mitarbeiter sind gekündigt. Aber die Jonsdorfer wären nicht die Jonsdorfer, würde ihnen nicht bis zum Winter wenigstens noch einmal eine Notlösung einfallen, um Eislaufen und Eishockeytraining zu ermöglichen. Kati Wenzel und die Gemeinderäte wünschen sich das sehr. Aber die Schule ist erstmal wichtiger, wissen sie.

Fünf Dinge, die man in Jonsdorf sehen muss

Natürlich das Schmetterlingshaus, das in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen gefeiert hat. Über 200 Schmetterlinge in 35 verschiedenen Arten flattern durch das Tropenhaus.

Zu sehen sind auch Äffchen,  Reptilien, Schlangen, Spinnen, Insekten und zahlreiche Fischarten im großen Seewasseraquarium. Geöffnet ist täglich 10 bis 18 Uhr. Erwachsene Zahlen 9 Euro, Kinder 5,50 Euro, Familien 24 Euro,
Natürlich das Schmetterlingshaus, das in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen gefeiert hat. Über 200 Schmetterlinge in 35 verschiedenen Arten flattern durch das Tropenhaus. Zu sehen sind auch Äffchen, Reptilien, Schlangen, Spinnen, Insekten und zahlreiche Fischarten im großen Seewasseraquarium. Geöffnet ist täglich 10 bis 18 Uhr. Erwachsene Zahlen 9 Euro, Kinder 5,50 Euro, Familien 24 Euro, © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Der Kurort Jonsdorf ist berühmt für seine bizarren Felsformationen wie hier die Nonnenfelsen. Aber auch die Jonsdorfer Felsenstadt und die Mühlsteinbrüche sind einen Ausflug wert. Für Kinder gibt es extra eine "Steinzoo"-Wanderung, die an Felsgebilden wie dem Bären oder der Taube vorbeiführen.
Der Kurort Jonsdorf ist berühmt für seine bizarren Felsformationen wie hier die Nonnenfelsen. Aber auch die Jonsdorfer Felsenstadt und die Mühlsteinbrüche sind einen Ausflug wert. Für Kinder gibt es extra eine "Steinzoo"-Wanderung, die an Felsgebilden wie dem Bären oder der Taube vorbeiführen. © Markus van Appeldorn
Die Gondelfahrt ist immer eine Einkehr wert. Im Sommer locken ein großer Biergarten und selbstgemachtes Eis. Von hier aus starten unterschiedliche Wandertouren hinauf zum Nonnenfelsen und in die Jonsdorfer Felsenstadt. Auf dem kleinen Teich kann man wirklich wie früher gondeln, im benachbarten Park gibt es ein Wassertretbecken.
Die Gondelfahrt ist immer eine Einkehr wert. Im Sommer locken ein großer Biergarten und selbstgemachtes Eis. Von hier aus starten unterschiedliche Wandertouren hinauf zum Nonnenfelsen und in die Jonsdorfer Felsenstadt. Auf dem kleinen Teich kann man wirklich wie früher gondeln, im benachbarten Park gibt es ein Wassertretbecken. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Das Gebirgsbad lockt mit klarem Gebirgsquellwasser, das für die Badegäste leicht beheizt wird. Es gibt eine große Wasserrutsche und ein Riesentrampolin für größere Kinder, ein separates Kinderplanschbecken für die Kleineren, außerdem einen Imbissbereich. Erwachsene zahlen fünf, Schüler und Studenten 3 Euro, Kinder bis vier Jahre haben freien Eintritt.
Das Gebirgsbad lockt mit klarem Gebirgsquellwasser, das für die Badegäste leicht beheizt wird. Es gibt eine große Wasserrutsche und ein Riesentrampolin für größere Kinder, ein separates Kinderplanschbecken für die Kleineren, außerdem einen Imbissbereich. Erwachsene zahlen fünf, Schüler und Studenten 3 Euro, Kinder bis vier Jahre haben freien Eintritt. ©  Matthias Weber (Archiv)
Die Jonsdorfer Waldbühne mitten in einer idyllischen Wald- und Felsenlandschaft wird vom Gerhart-Hauptmann-Theater Zittau-Görlitz und Gastspielkünstlern vom Frühsommer bis in den Herbst hinein bespielt. Geplant ist, hier künftig einen Ganzjahresbetrieb mit einem Herrnhuter Sterne-Pfad zu ermöglichen.
Die Jonsdorfer Waldbühne mitten in einer idyllischen Wald- und Felsenlandschaft wird vom Gerhart-Hauptmann-Theater Zittau-Görlitz und Gastspielkünstlern vom Frühsommer bis in den Herbst hinein bespielt. Geplant ist, hier künftig einen Ganzjahresbetrieb mit einem Herrnhuter Sterne-Pfad zu ermöglichen. © Pawel Sosnowski

Mit einer ganzen langen Liste an Projekten hat sich der Kurort jetzt für den Landeswettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" beworben. Die Gemeinde will neue Eigenheimstandorte erschließen, gemeinsam mit den tschechischen Nachbarn in Krompach (Krombach) einen grenzüberschreitenden Rad- und Wanderweg bauen, das offizielle Zertifikat "staatlich anerkannter Luftkurort" erneuern und vieles mehr. "Die Ideen werden uns sicher nicht ausgehen, sagt die Bürgermeisterin. Dafür werden ihre Gemeinderäte schon sorgen.