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Ist Zittau die heimliche Döner-Hauptstadt Deutschlands?

Mindestens 14 Imbisse bieten in Zittau das Fladenbrot an - für gerade mal 26.000 Einwohner. Da kann keine Großstadt mithalten. Was Betreiber, Verwaltung und Verband dazu sagen.

Von Thomas Christmann
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Nazari Farhad (rechts) hat den jüngsten Döner-Laden in Zittau eröffnet: den "Antalya Kebap" im Kaufland an der Christian-Keimann-Straße in Zittau. Er beschäftigt mit Abdolmatin Saberi (links) einen Mitarbeiter.
Nazari Farhad (rechts) hat den jüngsten Döner-Laden in Zittau eröffnet: den "Antalya Kebap" im Kaufland an der Christian-Keimann-Straße in Zittau. Er beschäftigt mit Abdolmatin Saberi (links) einen Mitarbeiter. © lausitznews.de

Den günstigsten Döner der Stadt hat derzeit Nazari Farhad. Er bietet das gefüllte Fladenbrot diesen Monat für nur 3,99 statt 6 Euro an, um seinen im August eröffneten "Antalya Kebap" im Kaufland an der Christian-Keimann-Straße in Zittau zu bewerben. "Vielleicht hilft es, vielleicht nicht", sagt der 32-Jährige, der sich mit dem Geschäft bisher zufrieden zeigt. Geld verdienen kann der Afghane in der Zeit aber nur mit den anderen Speisen, zu denen neben verschiedenen Döner-Varianten auch Salate, Pizzen, Pommes, Burger, Currywurst, Schnitzel und Chicken-Nuggets gehören. Nazari Farhad setzt beim Schnell-Imbiss auf die Kunden des Supermarktes, die aus Deutschland, Polen und Tschechien stammen und glaubt deshalb daran, dass der Standort funktioniert.

Durch den "Antalya Kebap" hat Zittau mit knapp 26.000 Einwohnern nun nach SZ-Zählung mindestens 14 Geschäfte, die das gefüllte Fladenbrot verkaufen - und damit statistisch gesehen weit mehr als die 30 größten Städte Deutschlands. Für diese hat der Essenslieferdienst Lieferando erst dieses Jahr die Döner-Dichte ausgewertet. Das Ergebnis: Berlin hat mit rund 18 Läden pro 100.000 Einwohner die meisten, Köln mit 8 die wenigsten. Doch gegenüber Zittau stehen alle hinten an: Der Ort käme hochgerechnet auf 54 und wäre damit die Döner-Hauptstadt Deutschlands.

Ein Titel, den hiesige Betreiber kritisch sehen - zumindest aus wirtschaftlicher Sicht. So ist seit den 1990er Jahren zwar die Zahl der Geschäfte in Zittau gestiegen, dafür die der Einwohner gesunken. Schon deshalb bedeutet jede Eröffnung weniger Kunden für alle. Hinzu kommen die allgemein gestiegenen Ausgaben für Energie, Lebensmittel und Co. in einer Region mit geringer Kaufkraft.

Die Kosten-Explosion war der Grund, weswegen Mohammed Jarle sein "Stern Kebab Haus" nach einem Jahr an der Rosa-Luxemburg-Straße im September 2023 schloss. Andere sind schon lange am Markt, wie die "Picknick Döner Stube" an der Neustadt. "Wir können uns gerade über Wasser halten", sagt Sehmus Ceylan. Mindestens zwölf Stunden steht der Inhaber dafür täglich im Laden und das sechs mal die Woche, unter anderem hilft ihm sein Bruder. "Die Arbeit ist schön, aber anstrengend", sagt er. "Man muss auf vieles verzichten." Während der Corona-Zeit mitunter auch auf Gehalt. Dass seither immer noch Imbisse dazu kommen, erstaunt die Geschwister. "Gerade jetzt, wo alles teurer wird", sagt Erkan Ceylan und würde in diesen "unsicheren Zeiten" keinen Imbiss mehr eröffnen und auch keine weiteren erlauben. Vielmehr wünschten sich sein Bruder und er eine staatliche Regulierung wie bei Spielhallen.

Dass Zittaus ältestes Döner-Geschäft noch läuft, liegt laut Sehmus Ceylan am guten Ruf. Der Laden habe seine Stammkunden, die neben der Qualität dieselben Gesichter hinter der Theke schätzten. "Die Leute wissen, was sie bekommen." Und Döner sei immer noch ein gutes Essen für wenig Geld, sagt Bruder Erkan. Obwohl die Preise voriges Jahr vielerorts auf 6 Euro stiegen.

Öffnungszeiten und Speisekarte gekürzt

Den Döner teurer machen, sei nicht die Lösung, sagt Ezgin Yildiz vom "Newroz-Bistro" an der Böhmischen Straße. "Das würde jetzt keiner verstehen." Auch wenn jede weitere Konkurrenz seinen Umsatz und Gewinn schmälert. Um Geld zu sparen, hat der Betreiber 2020 die Öffnungszeiten gekürzt und vor zwei Jahren das Speisen- und Getränkeangebot reduziert. Aktuell sucht Ezgin Yildiz erstmal keinen neuen Mitarbeiter, nachdem der letzte aufgehört hat. Und der 41-Jährige überlegt, ob er sein Geschäft im Winter eine Stunde eher schließt als im Sommer. Den Laden aufzugeben, kann sich der Betreiber hingegen nicht leisten. Schließlich gehört ihm mittlerweile das Haus dazu, in dem sich noch ein Café samt Konditorei und zwölf Wohnungen befinden. Ob Miet-Rückstände, Fernwärme-Kosten oder Kündigungen: "Das ist zur Belastung geworden", sagt er.

Auch Müslüm Tiram vom "Kerwan Döner" in Zittau spürt einen Rückgang der Kunden, weil die sich auf die zunehmenden Läden verteilen. Der Inhaber will sie weiter mit "bester Qualität" überzeugen. "Und wir sind bekannt, das macht was aus", sagt er. So erhielt "Kerwan" bei der im März 2022 gelaufenen SZ-Befragung nach dem besten Döner-Imbiss in der Stadt die meisten Stimmen - und feierte das.

Die Verwaltung will sich zur Konkurrenz-Situation nicht äußern. "Über Erfolg und Misserfolg wird die Nachfrage entscheiden", teilt Rathaus-Sprecher Kai Grebasch mit. "Wir wünschen allen Gewerbetreibenden bestes Gelingen für ihre Arbeit."

Für Axel Klein vom Hotel- und Gaststätten-Verband Dehoga in Sachsen zeigt die Entwicklung in Zittau, dass sich das Angebot von regionaler Küche zu Fast Food verschoben hat. Eine, die der Geschäftsführer mit Sorge sieht. Wenn der Döner das Highlight der Woche werde, verliere die Region einiges an Kulturgut, sagt er. Von staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft hält Axel Klein nichts. Stattdessen müssten die Rahmenbedingungen stimmen. Beispielsweise sich die Steuern in der Gastronomie annähern, meint der Geschäftsführer. Dann würde es auch wieder mehr regionale Küche geben. Aktuell kostet das Verzehren vor Ort 19 Prozent, außer Haus nur 7.