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Wie Dresden künftig vor Starkregen-Wassermassen warnen will

Ein Onlineportal soll die Dresdner künftig bei Starkregen warnen und beraten. An dem neuen Modell hat ein Institut der HTW Dresden einen wichtigen Anteil.

Von Jana Mundus
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Ende 2026 soll es fertig sein: In einem Online-Portal können sich die Dresdner künftig immer aktuell darüber informieren, wie gefährdet ihr Grundstück in Starkregen-Situationen ist.
Ende 2026 soll es fertig sein: In einem Online-Portal können sich die Dresdner künftig immer aktuell darüber informieren, wie gefährdet ihr Grundstück in Starkregen-Situationen ist. © HTW Dresden

Der Wetterdienst warnt vor starken Niederschlägen. Die Gefahr für Hochwasser besteht. In Dresden werden Hausbesitzer und Mieter nervös. Steht das Erdgeschoss in Kürze unter Wasser? Flutet der Rückstau aus dem Kanalsystem den Keller? Spätestens Ende 2026 können alle Dresdner genau das im Internet nachschauen.

Aktuell entsteht ein Bürger-Informationsportal für Starkregenereignisse in der Landeshauptstadt. In einem 3D-Stadtmodell und gekoppelt an aktuelle Niederschlagsprognosen verrät es künftig genau, wie groß die Gefahr fürs Wohngrundstück ist und wie es geschützt werden kann. Wichtige Informationen dazu liefert ein besonderes Institut an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTWD).

Aktuell wird deutlich, wie ernst die Lage ist. Teile Europas versinken im Wasser – wieder einmal. Ergiebige Regenfälle haben auch die Elbe anschwellen lassen. Erst im August hatten anhaltende Regenfälle Straßen und Keller in Dresden unter Wasser gesetzt. Es scheint, als werde der Ausnahmezustand langsam zur Norm. Die EU-weite Forschungsgruppe ClimaMeter machte jetzt deutlich: Natürliche Klimaveränderungen allein sind dafür nicht verantwortlich. Der Hauptgrund ist der menschengemachte Klimawandel. Wie aber schützen wir in Zukunft Häuser, Brücken oder Straßen vor Wetterextremen? An der HTW Dresden suchen Wissenschaftler nach Antworten: im extra dafür gegründeten Institut „Bauen im Klimawandel“ (IBiK).

Fachübergreifend arbeiten am Institut Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter der HTWD zusammen. Es vereint unter anderem Experten für Brücken-, Wasser-, Straßen- oder Massivbau. „Extremwetterereignisse wie Starkregen, Hochwasser oder Hitzewellen treten immer häufiger auf“, erklärt Holger Flederer, Inhaber der Professur für konstruktiven Ingenieurbau/Brückenbau und stellvertretender Institutsleiter. Die Wissenschaft müsse Antworten darauf finden, wie der Mensch damit umgehen kann. Die Idee fürs Institut war geboren.

Software erkennt Wohngebäude-Typ

Bauen im Klimawandel bedeutet, in verschiedene Richtungen zu denken. Einerseits muss das Bauen selbst umweltfreundlicher werden. Die Branche ist aktuell einer der größten CO2- und Müll-Produzenten. Es sollten weniger schädliche Treibhausgase bei der Herstellung von Baustoffen und dem Bau von Gebäuden entstehen. Materialien müssen so verarbeitet werden, dass sie später leicht wiederverwendet werden können. Gleichzeitig können Häuser dabei helfen, das Klima in der Stadt zu verbessern – zum Beispiel mit begrünten Fassaden oder Dächern. Andererseits müssen Gebäude, Brücken oder Straßen robuster werden, um besser gegen die Folgen des Klimawandels gewappnet zu sein. „Gerade zur Frage, wie bestehende Bauwerke geschützt werden können, gibt es momentan noch wenig Forschung“, macht Flederer deutlich. Es braucht neue Lösungen.

Hochwasser am Blauen Wunder vor wenigen Tagen – ein Bild, das durch den Klimawandel und der Zunahme von Extremwettern immer häufiger wird.
Hochwasser am Blauen Wunder vor wenigen Tagen – ein Bild, das durch den Klimawandel und der Zunahme von Extremwettern immer häufiger wird. © dpa/Sebastian Kahnert

Das Starkregenportal ist so eine neue Lösung. Es ist Teil des Modellprojekts Smart City Dresden. Unter Leitung der Landeshauptstadt Dresden arbeiten die Stadtentwässerung Dresden, die HTW Dresden und die TU Dresden gemeinsam daran. Dafür entsteht ein digitaler Zwilling der Stadt Dresden und ihrer Gebäude im Computer. Aus öffentlichen Geodaten formen die Wissenschaftler ein Modell der Stadt in 3D. „Häuser sind dort lediglich graue Klötzchen“, schildert Sebastian Golz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IBiK. Seit mehr als 15 Jahren beschäftigt sich der promovierte Bauingenieur schon mit dem Thema Hochwasser.

Aus den Klötzchen machen er und seine Kollegen Häuser mit Türen, Fenstern, Balkonen und Kellerluken. Nicht für jedes Haus einzeln. Sie haben eine Software entwickelt, die anhand von Parametern wie Grundstücksgröße oder Dachtyp erkennt, um welche Art von Wohngebäude es sich handelt. 42 unterschiedliche Typen haben sie für die Stadt ausgemacht. Für jeden ist in dem Programm hinterlegt, welchen Schaden starker Regen bei welchem Wasserstand anrichtet. „Wir verknüpfen das mit konkreten Handlungsempfehlungen, wie sich die Menschen schützen können“, erläutert Golz weiter. Wenn das Portal einmal läuft, soll es auch eine schnell umsetzbare Blaupause für andere Städte in Deutschland sein.

Private Vorsorge wird wichtiger

Die Eigenvorsorge – die würde in Zukunft immer wichtiger werden. „Der allgemeine Hochwasserschutz hat technische Grenzen“, ergänzt Flederer. Einen hundertprozentigen Schutz für alles und jeden könnte er nicht bieten. Werden Extremwetter häufiger, wäre die zentrale Frage künftig, wie sich die kritische Infrastruktur schützen lässt. „Den Menschen muss bewusst werden, dass sie sich privat selbst kümmern müssen.“ Die HTWD-Forscher wollen dabei so gut wie möglich unterstützen. In Versuchsständen erforschen sie zum Beispiel, wie Hausfassaden auf anstehendes Hochwasser reagieren. Erst einmal an Bauelementen für Industriehallen, bald auch für Fassaden, wie sie beim Eigenheimbau zum Einsatz kommen.

In einer Anlage prüft Sebastian Golz, wie Hochwasser auf Industriehallen-Fassaden wirkt.
In einer Anlage prüft Sebastian Golz, wie Hochwasser auf Industriehallen-Fassaden wirkt. © HTW Dresden/Peter Sebb

Sie testen mobile Elemente, die im Hochwasserfall in Türen oder Fenster als Barrieren eingebaut werden. Für das Land Sachsen entwickelten sie den Hochwasservorsorgeausweis mit. Er bewertet die Schadensanfälligkeit von Gebäuden gegenüber Überflutungen. Die Sachkundigen, die den Ausweis ausstellen dürfen, bildet die Hochschule aus. „Wir wurden erst kürzlich angefragt, ob wir bei einem ähnlichen Projekt auf Bundesebene mitmachen wollen“, erzählt Golz.

Durch die Hochwasser der vergangenen Jahrzehnte in Sachsen ist die Wissenschaft hier schon ein gutes Stück weiter. „Auch wenn es schlimm klingt, mit jedem Hochwasser bei uns lernen wir dazu“, sagt Flederer. Das sei eine Chance. Er beschäftigt sich aktuell mit der Frage, wie Brücken im Hochwasserfall geschützt werden können. In einer Versuchsanlage im Erzgebirge stellen die Forscher nach, welchen Einfluss Schwemmgut, das sich bei einer Flut an Brücken festsetzt, auf die Baukonstruktion hat. Sie wollen eine Simulation entwickeln, die sich später auf jeden Brückentyp anwenden lässt. Nicht nur in Dresden, nicht nur in Sachsen, sondern deutschlandweit. Die Folgen des Klimawandels sind schließlich überall spürbar.