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Wie die Telekom den Glasfaserausbau in Sachsen beschleunigen will

Deutschlandchef Srini Gopalan wünscht sich einfachere, digitale und schnellere Genehmigungsverfahren in den Kommunen. Aber auch für die Dresdner Konzerntochter Deutsche Telekom MMS gibt es neue Pläne.

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Srini Gopalan,  Deutschlandchef der Telekom, bei seinem Besuch in Dresden.
Srini Gopalan, Deutschlandchef der Telekom, bei seinem Besuch in Dresden. © SZ/Veit Hengst

Von Heiko Weckbrodt

Lange und umständliche Genehmigungsverfahren in vielen Kommunen und Gemeinden, der hierzulande weitverbreitete Wunsch nach unterirdischen Leitungen sowie die hohen Tiefbaukosten sind wesentliche Gründe, warum Deutschland auf dem Weg zu Gigabit-Gesellschaft, digitaler Transformation und dem dafür nötigen Glasfaser-Ausbau langsamer vorankommt als andere Staaten. Das hat Telekom-Deutschland-Chef Srini Gopalan bei einem Besuch in Dresden eingeschätzt. „Glasfaser-Ausbau ist in Deutschland besonders teuer und langsam“, meint der in Indien geborene und mit dem Glasfaserausbau in mehreren Ländern vertraute Manager. „Ich würde mir deutlich mehr digitale, einfache und integrierte Genehmigungsverfahren nach dem One-Stop-Shop-Prinzip wünschen.“ Das bedeutet, alle bürokratischen Schritte sollen von einer einzigen Stelle durchgeführt werden.

Wie sehr die Gesellschaft anderseits diesen Netz-Ausbau braucht, hatte zuletzt noch einmal die Corona-Krise deutlich gezeigt: Damals mussten Millionen Deutsche auf Heimarbeit und Fernunterricht umsteigen – und wer da eine lahme Internetleitung mit nur ein, zwei Megabit je Sekunde Datentempo hatte, bekam bei Videokonfis und Tele-Schule nur abgehackte Bilder zu sehen. Anderseits gilt es durch internationale Vergleichsstudien als gesichert, dass eine performante Breitbandversorgung viele neue Geschäfts- und Arbeitsmodelle, Aufwertungschancen für den ländlichen Raum und effizientere Verwaltungen überhaupt erst ermöglicht.

Deutschland beim Glasfaser-Ausbau weit hinten

Und da sind andere Länder schon bedeutend weiter als Deutschland: Laut dem Statistikportal „Statista“ liegt die Bundesrepublik beim Anteil der Glasfaser-Verbindungen an allen Festnetz-Internetzugängen mit einer Quote von 9,2 Prozent weit abgeschlagen auf Platz 35 von insgesamt 38 untersuchten Industrie- und Schwellenländern – noch hinter der Türkei, Mexiko, Polen oder Costa Rica. Spitzenreiter sind in diesem OECD-Vergleich übrigens Südkorea, Japan, Spanien, die Skandinavier und Balten, bei denen vielerorts digitale Behördengänge und digitale Wertschöpfungsketten längst Standard sind.

Andere Staaten sind laut Gopalan auch deshalb mit dem Breitband-Ausbau in der 1000-Megabit-Klasse zügiger vorangekommen, weil dort Oberleitungen viel üblicher sind als in der Bundesrepublik. Damit kommen die Installateure im Schnitt auf Kosten um die zehn Euro pro Meter und sie können pro Tag etwa einen halben Kilometer Glasfaserkabel ziehen. Der klassische Tiefbau in Deutschland hingegen kostet im Schnitt 85 Euro pro Meter – in manchen Städten auch weit mehr – und kommt täglich meist nur 150 Meter voran.

Und immer dann, wenn die Bagger die Kabelgräben tiefer als ein paar Handbreit ausheben sollen, wächst neben der Kostenrechnung eben auch der bürokratische Aufwand: Dann müssen Telekom & Co. zunächst zahlreiche behördlichen Genehmigungen einholen, sich mit Stadtwerken und anderen Akteuren abstimmen, die unter dem jeweiligen Fußweg oder der Straße vor Jahren ihre Kabel oder Rohre versenkt haben. In historisch gewachsenen Städten wie Dresden ist es in vielen Fällen zudem obligatorisch, Erlaubnisse der Denkmalschutzbehörden von Kommune und Land einzuholen, teils auch von Naturschutzbehörden, vom Hochbauamt, vom Straßen- und Tiefbauamt, von der Straßensperrkommission und vielen anderen Institutionen.

Neuer Chef setzt stärker auf dezentrale Entscheidungen

Um dennoch endlich zügiger voranzukommen, hat der vor drei Jahren von der Konzernspitze als Deutschlandchef eingesetzte Gopalan dem einstigen Staatsunternehmen einen „kulturellen Wandel“ verordnet: Weg von zentralistischen Dekreten in Bonn wie in einer Behörde, hin zu dezentralen Entscheidungen, weil die Telekom-Experten vor Ort ohnehin die lokalen Besonderheiten am besten kennen. In Dresden zum Beispiel steuert ein sechsköpfiges Team den Glasfaser-Ausbau in ganz Ostdeutschland. „Das Team hat seine eigenen Budgets, entscheidet und organisiert den Ausbau selbst“, betont der 53-jährige Chef. „Das hat sich bewährt.“

Und auf den ostdeutschen Ausbaustab wartet noch ein ordentliches Programm in nächster Zukunft: Das Team am Dresdner Postplatz will bis 2026 allein in den drei sächsischen Großstädten über 230.000 Haushalte mit Glasfasern ausstatten, um sie fürs Gigabit-Internet zu ertüchtigen. Das hat der für technische Infrastrukturen zuständige Produktionsleiter Steffen Hilbrich in Dresden angekündigt. Um diese Ausbauziele zu erreichen, setzt der Stab auf automatische Planungsautos, Künstliche Intelligenz (KI) und eben auf die regionalen Breitbandstäbe: Ähnlich wie die bekannten „Google Maps“-Autos lässt die Telekom magentarote Fahrzeuge mit Kamera-Domen auf dem Dach durch Sachsens Städte und Dörfer rollen. Die übermitteln ihre Sensordaten von Hausabständen, Bäumen am Wegesrand, Grünstreifen und Gehwegen dann an eine KI in einer Telekom-Rechnerwolke. Die errechnet dann daraus automatisch die optimalen Ausbaupläne für das jeweilige Viertel. Und auf dieser Basis entscheidet das Regionalteam dann, wann welches Stadtviertel, welches Dorf mit Glasfaser verkabelt wird.

Hilfe von ganz oben gegen weiße Flecken?

Dabei ist das Festnetz freilich nur die eine Seite der Medaille: Auch mit dem Netzausbau für den Mobilfunk will Gopalan schneller vorankommen. Derzeit deckt die Telekom laut eigenen Angaben etwa 98,8 Prozent der sächsischen Haushalte mit dem Mobilfunk der 4. Generation (4G alias LTE) ab, beim Nachfolgestandard 5G sind es erst 90,5 Prozent. Dass auch von den verbleibenden 1,2 Prozent in Sachsen viele gerne Mobilfunk hätten – gerade Bewohner in weit entlegenen Gegenden, im Grenzraum zu Tschechien und in schwer abdeckbaren Tälern der Sächsischen Schweiz – ist den Telekom-Verantwortlichen durchaus bewusst.

Auf Versprechen, in naher Zukunft die 100-Prozent-Marke zu erreichen, will sich indes auch Gopalan festnageln lassen: Zu teuer, zu technisch aufwendig mag in manchen Fällen die Funk-Versorgung sein. Womöglich komme aber eine Lösung letztlich von ganz oben: Satellitentechnologie könne helfen, weiße und graue Flecken auf der Karte doch noch zu versorgen. So suche die Telekom beispielsweise nach Wegen, die Internetdienste von Satellitenbetreibern in den nächsten fünf bis sechs Jahren in die eigenen Netzangebote zu integrieren.

Beim 5G-Mobilfunk sieht der Telekom-Deutschland-Chef derweil viel Interesse aus der Industrie und Logistikwirtschaft an einem Ausbau und einer technologischen Evolution hin zum Nachfolge-Standard 6G. Jenseits der schnelleren Datenübertragung interessieren sich Betriebe und öffentliche Einrichtungen vor allem für die nach außen abgeschirmten Campusnetze beziehungsweise Privatnetze, die seit 5G möglich sind: Damit lassen sich beispielsweise Maschinen, Werkstücke und Roboter in Fabriken besonders reaktionsschnell und in Echtzeit vernetzen, um die Hochautomatisierung noch weiter zu treiben.

Auch für von außen nicht belauschbare Datennetze in Klinken eignet sich der neue Mobilfunkstandard weit besser als ein WLAN-Netz. Hier haben andere Länder den einstigen Erfinder des „Industrie 4.0“-Konzeptes längst überholt: In Singapur beispielsweise sind 5G-Privatnetze in Krankenhäuser längst gang und gäbe, erzählt Gopalan. Auch die USA sei beim Einsatz solcher abgeschirmten Netze in Betrieben viel schneller vorangekommen als die Bundesrepublik.

Ralf Pechmann, Vorstandschef der Deutsche Telekom MMS GmbH in Dresden, will in den kommenden Monaten bis zu 100 neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einstellen. Foto: SZ/Veit Hengst
Ralf Pechmann, Vorstandschef der Deutsche Telekom MMS GmbH in Dresden, will in den kommenden Monaten bis zu 100 neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einstellen. Foto: SZ/Veit Hengst © Foto: SZ/Veit Hengst

Allerdings rechnet die Telekom demnächst auch hierzulande mit einem Nachfrageschub aus der Industrie für 5G-Campusnetze: „Viele Unternehmen stellen gerade ihre Fabriken auf Matrix-Produktion um“, erzählt Ralf Pechmann, der die Dresdner Telekom-Tochter MMS leitet. Matrix heißt hier: Die Werkhallen werden wie Schachbretter in Einheiten unterteilt, die zu bestimmten Zügen imstande sind. Das können Umformpressen sein, CNC-Fräszentren, Roboter und dergleichen mehr. Ist diese Matrix-Struktur erst mal eingerichtet und in digitalen Zwillingen gespiegelt, eröffnet dies ganz neue Möglichkeiten der Prozess-Optimierung und Hochautomatisierung.

Spätestens an dieser Stelle kommt dann die „Deutsche Telekom MMS“ ins Spiel: Das kürzlich aus der T-Systems herausgelöste Dresdner Unternehmen konzentriert sich seither vor allem auf Digitalisierungslösungen für den Mittelstand und öffentliche Auftraggeber. Die Dresdner entwickelt für und mit ihren Partnern beispielsweise automatische Qualitätssicherungs-Systeme für Fabriken, Lösungen für die vorbeugende Anlagen-Wartung („Predictive Maintenance“) und die Steuerung ganzer Produktionsabläufe durch „Künstliche Intelligenzen“. Das ist unter anderem für die Automobilindustrie und Mikroelektronik interessant. Erste Komplexlösungen hat die MMS gemeinsam mit ihren Partnern beispielsweise in der Dresdner Chipfabrik „Globalfoundries“ realisiert.

Ausbau in Dresden

Angesichts der erwarteten Nachfrageschübe für Hocheffizienz-Lösungen dieser Art will die Telekom das MMS-Team verstärken: Derzeit beschäftigt das Digitalisierungsunternehmen zirka 2.200 Menschen in ganz Deutschland, darunter etwa 1.500 am Stammsitz in Dresden. Weitere 50 bis 100 Spezialisten sollen nun zusätzlich an Bord kommen, so Pechmann.