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Ein Erzgebirger auf dem Holzweg: Wenn Macher und Muster ihrer Zeit voraus sind

Ein hölzernes Spielzeug aus dem Erzgebirge wird in der DDR ignoriert – erobert aber nach deren Ende die Welt.

Von Michael Rothe
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Gerd Kaden, Jahrgang 1949, ist seit 56 Jahren Spielzeugmacher. Seine Affinität für Kugelbahnen hat  Sohn Matthias geerbt, mit dem er eine Werkstatt in Neuhausen im Erzgebirge betreibt.
Gerd Kaden, Jahrgang 1949, ist seit 56 Jahren Spielzeugmacher. Seine Affinität für Kugelbahnen hat Sohn Matthias geerbt, mit dem er eine Werkstatt in Neuhausen im Erzgebirge betreibt. © Gerd Kaden

Das Leben geht mitunter verschlungene Wege – wie auf einer Kugelbahn. Solchen hat sich der Holzgestalter Gerd Kaden aus dem Spielzeugdorf Seiffen zeitlebens verschrieben, wie der 74-Jährige sagt. Spätestens aber seit 1977.

„Zur VIII. Kunstausstellung der DDR in Dresden wollte der damalige Bezirk Karl-Marx-Stadt einen Musterkindergarten einrichten“, blickt der Spielzeugmacher zurück. „Dort war alles drin, was die Welt noch nicht kannte“ – mit seiner Kugelbahn als Hauptattraktion. Kein „fertiges“ Teil, sondern ein labyrinthartiger Baukasten aus halben Würfeln. Mal mit Rinne, Loch oder Tunnel – und endlosen Möglichkeiten über mehrere Etagen.

Eine geniale Erfindung, fand Kaden und meldete das industrielle Muster am 29. Oktober 1976 beim Amt für Erfindungs- und Patentwesen der DDR an. Fünf Wochen später hielt er den Beschluss zur Veröffentlichung mit dem Aktenzeichen 12583-M0655 in den Händen. Das Problem: Danach wollte niemand die Bahn herstellen. „Für den Export ungeeignet“, hieß es.

Die von Ger Kaden 1975 entworfene Kugelbahn aus Holz hatte es nicht leicht. Erst verschwand sie für viele Jahre im Schrank - und dann war plötzlich die eines Anderen da.
Die von Ger Kaden 1975 entworfene Kugelbahn aus Holz hatte es nicht leicht. Erst verschwand sie für viele Jahre im Schrank - und dann war plötzlich die eines Anderen da. © Gerd Kaden

Das Muster verschwand im Schrank. Auch nach der Wende war das Interesse für Holzspielzeug im Osten gering. Immerhin konnte der Erzgebirger dann zur Spielwarenmesse nach Nürnberg – und sah die ähnliche Bahn eines Schweizers. Der Frust, wer wen plagiiert habe, sei kurz gewesen, erinnert sich Kaden. Dann Händeschütteln und die Einsicht: Es waren Parallelentwicklungen auf getrennten Märkten.

Der Freiberufler und langjährige Hochschulprofessor an der Fakultät für Angewandte Kunst in Schneeberg wagte mit seinem Sohn Matthias den unternehmerischen Neustart. Der Familienbetrieb fertigt nicht nur Kugelbahnen in Serie. Der größte Job: zur Weltausstellung Expo 2000 in Hannover eine Kugelwelt auf 200 Quadratmetern. Es lief, bis der Asien-Export wegen Corona einbrach. Aber Kaden weiß mit Rückschlägen umzugehen. Und den Beinamen „Kugelbahnpapst“ kann ihm ohnehin keiner nehmen.