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Künstliche Intelligenz: Was Sachsen und Südkorea voneinander lernen können

In Dresden fand das 22. deutsch-koreanische Forum statt. Beide Länder stehen vor den gleichen Herausforderungen. Eine überragt dabei alles.

Von Nora Miethke
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In der gläsernen Manufaktur von Volkswagen in Dresden tagte das deutsch-koreanische Forum. Foto: Sven Ellger
In der gläsernen Manufaktur von Volkswagen in Dresden tagte das deutsch-koreanische Forum. Foto: Sven Ellger © SZ-Archiv: Sven Ellger

Was haben Sachsen und Südkorea gemein? Das ostdeutsche Bundesland mit rund vier Millionen Einwohnern und das mehr als zehnmal so große ostasiatische Land mit 52 Millionen Einwohnern verbinden nicht nur die historischen Erfahrungen eines geteilten Landes und das ihre Wirtschaft vor allem durch Halbleiterproduktion und Automobilbau getrieben wird. Sie stehen auch vor den gleichen Herausforderungen: Klimawandel und Energiewende, digitaler Wandel und Künstliche Intelligenz, Geschlechtergerechtigkeit und vor allem demografischer Wandel und Fachkräftemangel.

Sachsen werden im Jahr 2030 über 100.000 Menschen im erwerbsfähigen Alter fehlen, Südkorea hat die niedrigste Geburtenrate der Welt - 0,6 Prozent - und altert daher noch schneller als Sachsen.

All diese Themen wurden nun zwei Tage lang intensiv auf dem 22. Deutsch-Koreanischen Forum in Dresden diskutiert. Gastgeber war der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig. Er ist im Auftrag der Bundesregierung Ko-Vorsitzender des Forums und hatte in die Gläserne Manufaktur von Volkswagen eingeladen - als Symbol für eine erfolgreiche deutsch-deutsche Wiedervereinigung, aber auch für die wichtigsten Herausforderungen im Umbau der Wirtschaft, wie Elektromobilität und vernetztes Fahren die wichtigste Branche massiv verändern.

„In der aktuellen geopolitischen Situation müssen wir noch enger mit den Staaten zusammenarbeiten, welche unsere demokratischen Werte und Ansichten teilen. Verbündete, die unsere Werte teilen, sind keine Konkurrenten, sondern Freunde", betonte Dulig gegenüber Sächsische.de.

Sachsen zeigt geballte KI-Kompetenz

Herausragendes Thema dabei die Künstliche Intelligenz (KI). Anders als beim Staatsbesuch von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Juni in Dresden, wo beim Wirtschafts-Austausch kein einziger Vertreter oder Vertreterin aus Sachsen mit am Tisch saß, nutzte Dulig die Chance, die geballte Kompetenz im Freistaat zu zeigen. Die Abendveranstaltung mit einer Podiumsdiskussion war fast ausschließlich nur mit Referenten aus Sachsen besetzt, die es vermochten, Lust auf KI zu machen, ohne die Risiken schönzureden.

Martin Dulig (SPD, l), Wirtschaftsminister von Sachsen, hatte Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, zum deutsch-koreanischen Forum nach Dresden eingeladen, damit sie darüber berichtet, wie Künstliche Intelligenz auch in der Arb
Martin Dulig (SPD, l), Wirtschaftsminister von Sachsen, hatte Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, zum deutsch-koreanischen Forum nach Dresden eingeladen, damit sie darüber berichtet, wie Künstliche Intelligenz auch in der Arb © dpa/Robert Michael

Den Auftakt machte jedoch Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für Arbeit. Vor zehn Jahren sei man noch beruhigt gewesen, weil in Autofabriken die Roboter in Käfigen standen und sich ins alte System integrieren ließen. "Doch jetzt ist die KI größtenteils unsichtbar und es gibt keinen einzelnen Beruf oder Arbeitsbereich, der nicht von ihr berührt sein wird", machte die frühere SPD-Bundesvorsitzende klar. Sie sieht selbst lernende Maschinen als eine Antwort auf den enormen Fachkräftemangel und die Probleme in einer alternden Gesellschaft. "Doch dazu müssen wir den Menschen die Angst nehmen, dass sie die neue Zeit nicht bewältigen werden mit dem, was sie gelernt haben", so Nahles. Die Mitarbeitenden in Unternehmen und Behörden müssen das Gefühl haben, der Transformationsprozess läuft fair ab.

Wie das gehen könnte, zeigte Nahles an der eigenen Behörde auf, die mit 113.000 Beschäftigten die größte in Deutschland ist. Die Bundesagentur für Arbeit reguliert sich selbst, in dem sie sich an der freiwilligen Initiative "Human Friendly Automation" beteiligt. Zuerst wurde den Mitarbeitern eine Jobgarantie gegeben, dass niemand wegen KI-Anwendungen seinen Arbeitsplatz verlieren werde. Auch wurde eine KI-Ethik-Kommission eingerichtet, die sich alle Anwendungen anschaut, bevor sie eingesetzt werden. "So haben wir es geschafft, dass es keine neuen Widerstände gab, als wir neue KI-Tools eingeführt haben", sagte Nahles, die auch die zuständige IT-Chefin ist. Inzwischen werden Firmen-Emails zu offenen Stellen durch KI ausgelesen und auf die Jobbörse gestellt. Auch das Kindergeld wird vollautomatisch verlängert.

Ralf Irmer, Innovationschef beim britischen Telekommunikationskonzern Vodafone und Leiter des neuen Dresdner Innovationszentrums, hielt ein Plädoyer für das Ausprobieren. "KI-Anwendungen müssen schrittweise ausprobiert werden, um Menschen mitzunehmen", betonte Irmer. Vertrauen erwecken, in dem gezeigt wird, das menschliche Arbeitskraft nicht ersetzt, sondern ergänzt wird. Irmer zeigte in seinem Vortrag an Beispielen auf, wie von Dresden aus KI-Lösungen für das autonome Fahren von Autos und Zügen oder Fliegen von Drohnen entwickelt werden, aber auch für das Gesundheitswesen und die Industrie.

Frank Fitzek, Professor für Kommunikationsnetze an der TU Dresden und Sprecher des Exzellenzclusters für taktiles Internet, zeigte den koreanischen Gästen auf, wo man keine KI einsetzen sollte - und zwar bei der Steuerung kritischer Infrastrukturen wie Energie- und Kommunikationsnetze. Seine zweite Botschaft: Fehler zu lassen. Dänemark hätte alle Schulen mit Tablets ausgestattet und als sich das nicht als erfolgreich erwies, wieder einkassiert. Gemeinsame Standards für die neuen Technologien zu entwickeln, wäre ein Bereich, wo Deutschland und Korea stärker zusammenarbeiten könnten. Die Regeln für Künstliche Intelligenz müssten international gestaltet werden. Ein vernünftiger Umgang mit Datenschutz könnte auch ein wirtschaftlicher Vorteil werden, waren sich die Experten einig.

Außenhandel zwischen Sachsen und Südkorea rückläufig

Halbleiter, Batterietechnologien und Erneuerbare Energien sind weitere Felder, auf denen Deutschland und Südkorea, insbesondere auch Sachsen und Südkorea ihre Kooperation durch gemeinsame Investitionsprojekte intensivieren sollten, hieß es auf dem Forum. Das ist auch notwendig, denn der Außenhandel zwischen Sachsen und dem ostasiatischen Hightech-Land ist rückläufig. Im vergangenen Jahr exportierten sächsische Unternehmen Waren im Wert von rund einer Milliarde Euro nach Südkorea, acht Prozent weniger als im Vorjahr. Im ersten Halbjahr dieses Jahres schrumpfte der Export sogar um 12 Prozent auf 243 Millionen Euro. Und auch in die Gegenrichtung bei den Warenlieferungen aus Südkorea nach Sachsen sanken die Importe 2023 um 17 Prozent und im ersten Halbjahr 2024 um 23 Prozent.