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Tödlicher Regen: Schwalben fehlt Futter

Im Dauernass finden die Insektenfresser kaum Nahrung. Wer entkräftete Schwalben sieht, muss schnell handeln, sagt der Ornithologe Uwe-Jens Bartling.

Von Jörg Stock
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"Jede Minute zählt." Der Pirnaer Naturschutzhelfer Uwe-Jens Bartling päppelt eine Rauchschwalbe auf. Der Dauerregen ist für die Vögel lebensbedrohlich.
"Jede Minute zählt." Der Pirnaer Naturschutzhelfer Uwe-Jens Bartling päppelt eine Rauchschwalbe auf. Der Dauerregen ist für die Vögel lebensbedrohlich. © SZ/Jörg Stock

Mit langen Schritten kommt Uwe-Jens Bartling durch die abgedunkelten Flure seines ehemaligen Zooladens gelaufen. In der hohlen Hand trägt er einen gefiederten Winzling. Flugs öffnet er die Klappe der Wärmebox und legt die kleine Mehlschwalbe hinein. Nur mühsam regt sie Kopf und Flügel. In solchen Fällen zählt jede Minute, sagt Bartling. "Hoffen wir mal, dass sie die Kurve kriegt."

Die endlosen Regenfälle im Land lassen die Menschen um ihr Hab und Gut fürchten. Für einige Tiere ist der Dauerregen lebensbedrohlich. Dazu gehören die Schwalben. Manche sind auf ihrem Zug nach Afrika vom Wasser überrascht worden und mussten notgedrungen landen. Andere, die in der Region heimisch sind, steckten teils noch im Brutgeschäft. Ihnen allen nimmt der Regen das Wichtigste: Futter.

Bis Montagmittag hat Naturschutzhelfer Uwe-Jens Bartling 25 ausgehungerte Schwalben in Pflege genommen. Der kleine Emil schaut beim Füttern zu.
Bis Montagmittag hat Naturschutzhelfer Uwe-Jens Bartling 25 ausgehungerte Schwalben in Pflege genommen. Der kleine Emil schaut beim Füttern zu. © SZ/Jörg Stock

Uwe-Jens Bartling, 62, ist Naturschutzhelfer und Ornithologe und betreibt im Auftrag des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge eine Wildtierauffangstation in der Pirnaer Altstadt. Er hat die Situation kommen sehen. Bereits am Sonnabend hatte die österreichische Organisation Tierschutz Austria von Ansammlungen völlig geschwächter oder schon toter Schwalben berichtet. Man sei rund um die Uhr unterwegs, um Tiere zu retten.

Am Wochenende über 20 Schwalben eingeliefert

Bartling, der sein Geld mit Artenschutzgutachten verdient, ist vielen Leuten noch als Zoohändler bekannt. Den Laden gab er im April auf. In Not geratene Wildtiere versorgt er weiterhin im Rückraum des einstigen Geschäfts. Hier wohnen gerade neun Igel, drei Siebenschläfer, zwei Feldhasen und ein Sperber. Und seit dem Wochenende vierundzwanzig Mehl- und Rauschschwalben. Der Federbausch in der Wärmebox ist Nummer 25.

Unter den Neuzugängen: sechs kleine Mehlschwalben aus einem Landwirtschaftsbetrieb. Die Altvögel hatten das Füttern eingestellt.
Unter den Neuzugängen: sechs kleine Mehlschwalben aus einem Landwirtschaftsbetrieb. Die Altvögel hatten das Füttern eingestellt. © SZ/Jörg Stock

Gefunden wurde der Vogel in Königstein von Lilia Marie Müller. Sie war gerade auf dem Nachhauseweg, erzählt die junge Immobilienmaklerin, als das Tier plötzlich genau vor ihren Füßen auf dem Boden gesessen habe. Die Tierfreundin, die unter anderem Pferde und Ziegen daheim hat, nahm den Vogel kurzerhand mit, setzte ihn in einen Pappkarton, gepolstert mit Decken und Tüchern, und telefonierte nach Hilfe.

Beim Tierarzt erfuhr sie, dass Bartlings Auffangstation die richtige Adresse für solche Fälle sei. Eine Stunde später steht sie also bei ihm vor der Tür. Das ist eigentlich optimal, sagt der Fachmann. Dennoch ist er nicht sicher, ob die Schwalbe am Leben bleiben wird. "Der Zustand ist kritisch."

Vögel müssen von den Reserven zehren

Schwalben ernähren sich vor allem von fliegenden Insekten. Doch wenn es wie zuletzt praktisch pausenlos gießt, sind kaum welche in der Luft. Dazu kommen die gesunkenen Temperaturen, die bei den Vögeln zusätzlichen Energiebedarf auslösen. Ohne ausreichend Nahrung müssen sie ihre Reserven angreifen.

Dass dies bereits geschehen ist, merkt Uwe-Jens Bartling deutlich an den Exemplaren, die ihm bisher gebracht wurden. Die Brust der Vögel, die gut genährt sein sollte für den Flug in den Süden, spießt deutlich aus dem Federkleid hervor. Der Muskelabbau hat eingesetzt. "Wenn sie nicht mehr flugfähig sind, ist es ganz schnell vorbei."

Teil des Schwalben-Buffets: Wachsmaden (l.) und Schwarzkäferlarven.
Teil des Schwalben-Buffets: Wachsmaden (l.) und Schwarzkäferlarven. © SZ/Jörg Stock

Bartling warnt davor, die kraftlosen Vögel auf eigene Faust aufpäppeln zu wollen. Er hat schon erlebt, dass den Insektenfressern Körner angeboten wurden. "Bitte schnell zu uns bringen - wir haben das richtige Futter." Bei Bartling gibt es nahezu stündlich verschiedenes Gewürm zu fressen. Das Füttern von Hand ist eine Nervenprobe, sagt er. "Die kleinen Schnäbel sind sehr fragil."

Der Vogelfreund rechnet damit, seinen Schwalbenschwarm in ein, zwei Wochen in die Freiheit entlassen zu können. Die Not der Schwalben wird auch nach dem Ende des großen Regens noch einige Zeit anhalten, vermutet er, und appelliert an alle, die draußen unterwegs sind: "Bitte haltet die Augen offen."

Schwalbe in Not? Meldung an die Wildtierauffangstation in Pirna unter Tel. 0174 5674585. Weitere Infos auch auf der Website der Wildtierauffangstation.