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Naturschützer begrüßen Aus für großes Industriegebiet bei Delitzsch

Der Strukturwandel rund um Delitzsch wird mit Milliardensummen gefördert. Ein Großvorhaben der Landesregierung haben die Bürger nun aber abgelehnt - zur Freude von Umweltschützern.

Von Ulrich Wolf
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Auf dem Areal der früheren Delitzscher Zuckerfabrik entsteht ein Chemie-Großforschungszentrum. Ein weiteres Industriegebiet lehnten die Bürger jedoch ab.
Auf dem Areal der früheren Delitzscher Zuckerfabrik entsteht ein Chemie-Großforschungszentrum. Ein weiteres Industriegebiet lehnten die Bürger jedoch ab. © Archiv: dpa

Delitzsch/Wiedemar. Das Vorhaben der sächsischen Landesregierung, auf einer rund vier Millionen Quadratmeter großen Landwirtschaftsfläche in der Gemeinde Wiedemar im Landkreis Nordsachen ein Industriegebiet zu erschließen, ist vorerst vom Tisch. Mit deutlicher Mehrheit stimmten die Bürger gegen das Vorhaben. Die großen Umweltschutzverbände BUND und NABU zeigten sich darüber am Freitag erleichtert.

Für die Wiedmarer stand am vergangenen Sonntag nicht nur die Wahl zum neuen sächsischen Landtag auf der To-do-Liste, auch über die Zukunft des geplanten Industriegebiets stimmten sie auf Bestreben einer Bürgerinitiative ab. 65,2 Prozent entschieden sich gegen das Vorhaben.

"Großartiger Erfolg gegen den Flächenfraß"

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) wertete das Ergebnis als "großartigen Erfolg gegen den Flächenfraß". Prof. Felix Ekardt, Sachsen-Chef des BUND, sagte, es gebe in Mitteldeutschland genug freie Industrieflächen. Gutes Ackerareal von der Größe von rund 670 Fußballfeldern zu opfern, mache keinen Sinn. Industrie und Gewerbe gehörten auf vorbelastete Flächen, "nicht jedoch auf Flächen, die für die Ernährung, den Wasserhaushalt und das Klima allergrößte Bedeutung haben".

Bereits zuvor hatte der Naturschutz-Bund (NABU) vor "besorgniserregenden Auswirkungen" gewarnt. Sachsen-Vorsitzende Maria Vlaic sagte, die von der Landesregierung geplante "Versiegelung von 346 Hektar hochwertiger landwirtschaftlicher Fläche" werde die nordsächsische Kulturlandschaft "unwiederbringlich verändern und wertvolle Ökosysteme zerstören". Das Industriegebiet hätte etwa den Lebensraum des vom Aussterben bedrohten Feldhamsters vernichtet.

Dem Landratsamt Nordsachsen in Torgau zufolge war der Feldhamster jedoch "trotz Suche und öffentlicher Aufrufe des Umweltamtes" nicht mehr nachweisbar. Letzmals habe das Tier 2001 Schlagzeilen gemacht, als es am Rande des Ortes Wiedemar gesichtet worden war. Damals sei im Industrie- und Gewerbegebiet der Bau einer Automobil- und Aufbereitungsanlage verzögert worden. In einem Pilotprojekt mit dem Zoo Leipzig sei das Tier in diesem Jahr erstmals ausgewildert worden.

Bebauungsplan ruht für mindestens drei Jahre

Mit der Ablehnung des Industriegebiets muss der Gemeinderat von Wiedemar nun den entsprechenden Bebauungsplan fallen lassen. Nach Angaben des MDR ist der Bürgerentscheid bindend - zumindest für die kommenden drei Jahre. Der Geschäftsführer der Metropolregion Mitteldeutschland, Jörn-Heinrich Tobaben, sagte im MDR, der Bürgerentscheid sei kein gutes Signal für den Wirtschaftsstandort Sachsen.

Der Freistaat wollte dort den Boden für maximal zwei größere Investoren aus der Automobilindustrie, der Halbleiterbranche oder für Pharma- oder Chemieunternehmen. Von bis zu 20.000 Arbeitsplätzen war die Rede. CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte bei einem Besuch in Wiedemar zu Beginn des Jahres, das Industriegebiet sei von nationalem Interesse. Es brauche große Industrieansiedlungen, damit der Osten und der Freistaat wettbewerbsfähig blieben.

Das in Wiedemar geplante Industriegebiet ist fast dreimal so groß wie der ebenfalls geplante Industriepark Oberelbe bei Pirna. Auch dieser ist umstritten, allerdings steht dort der Beschluss für den ersten Bebauungsplan unmittelbar bevor.

Transparenzhinweis: In einer ersten Version hatten wir geschrieben, die Bürger der Stadt Delitzsch hätten über das Gewerbegebiet abgestimmt. Das trifft nicht zu. Nur die Wiedemarer haben darüber entschieden.