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Pilzberater zu Ausbeute und Standorten: „Die Pilzarten in Sachsen wandeln sich“

Pilzsammler in Sachsen freuen sich über die Regenfälle zu Wochenbeginn. Welche Pilze jetzt gedeihen, mit welcher Ausbeute zu rechnen ist und welche neuen gefährlichen Arten es gibt.

Von Susanne Plecher
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Steinpilze, Rotkappen: Jeder Pilzsammler wird neidisch bei diesem Anblick. Doch so voll wie auf dem Foto aus dem Jahr 2022 ist der Korb von Pilzberater Frank Demmler aus dem erzgebirgischen Lauter jetzt noch nicht. Das könnte sich bald ändern.
Steinpilze, Rotkappen: Jeder Pilzsammler wird neidisch bei diesem Anblick. Doch so voll wie auf dem Foto aus dem Jahr 2022 ist der Korb von Pilzberater Frank Demmler aus dem erzgebirgischen Lauter jetzt noch nicht. Das könnte sich bald ändern. © Katja Lippmann-Wagner (FP)

Frank Demmler hat eine Mission. Er will am Wochenende frische Ware liefern, Pilze für die Pilzausstellung in Rittersgrün. Das Dorf ist ein Ortsteil von Breitenbrunn und liegt mitten im Erzgebirge, etwa 30 Kilometer von Schneeberg entfernt. „Ich habe vor einer Woche mit Sammeln begonnen. Da war noch nicht viel, aber das wird sich jetzt ändern“, sagt er.

Denn seit Montag hat es in Sachsen nach langen Wochen endlich Regen gegeben. Die Feuchtigkeit trifft auf warmen Boden, in dem die Pilzmyzele nur darauf warten, Fruchtkörper ausbilden zu können. „Es braucht einige Tage, bis sie sich von der Trockenheit erholen, aber es geht bald los“, sagt Demmler.

Welche Pilze nach dem Regen wachsen

Der 78-Jährige ist seit 1982 Pilzberater in Lauter-Bernsbach. Vielen Menschen hat er in ungezählten Beratungen Sicherheit über den Inhalt ihrer Körbe gegeben. „Bestimmte Pilzarten sind zwei bis drei Tage nach dem Regen da“, sagt er. Nelkenschwindlinge zum Beispiel, die vor allem auf Wiesen, Weiden und Rasenflächen wachsen und als Würz- oder Suppenpilz verwendet werden. Oder der ebenfalls auf Wiesen gedeihende Kleinste Bovist oder die Stinkmorchel – beide sind als sehr junge Pilze essbar.

Die Speisepilze, die die meisten Menschen kennen, wachsen jedoch erst vier bis fünf Tage nach dem Regen. „Das sind oft die großen Arten wie Steinpilz oder Rotkappe“, sagt der Pilzsachverständige. Voraussetzung ist, dass der Niederschlag ergiebig war. Derzeit sind nur die oberen Bodenzentimeter feucht.

Unschwer erkennbar, woher das Judasohr seinen Namen hat: Der Baumpilz gleicht einem Ohr.
Unschwer erkennbar, woher das Judasohr seinen Namen hat: Der Baumpilz gleicht einem Ohr. © DGFM

Pilze in Sachsen: Wo wird man fündig?

Fündig wird man am ehesten in Mischwäldern. Steinpilze wachsen unter Buchen, Fichten oder Kiefern, Maronen-Röhrlinge unter Fichten, Birkenpilze und Rotkappen in der Nähe von Birken. „Das hängt mit dem Mykorrhiza zusammen“, erklärt Demmler. Das ist eine Lebensgemeinschaft, in der Bodenpilze mit den zarten Haarwurzeln der Bäume eine Symbiose eingehen. „Der Baum gelangt über den Pilz an viel Wasser, der Pilz bekommt umgekehrt vom Baum Mineralstoffe.“

Das ist oft so spezialisiert, dass sich eigene Abarten gebildet haben und unter Kiefern zum Beispiel Kiefernrotkappen zu finden sind und unter Zitterpappeln Espenrotkappen.

Dass Pilzsammler in diesem Jahr bislang nur wenig Ausbeute hatten, hängt jedoch nicht nur mit fehlenden Niederschlägen zusammen. „Die Spätfröste haben auch die Pilzmyzele geschockt. Es dauert eine Weile, bis sie sich erholen“, sagt Demmler.

Der giftige Braune Fliegenpilz kann leicht mit dem essbaren Perlpilz verwechselt werden.
Der giftige Braune Fliegenpilz kann leicht mit dem essbaren Perlpilz verwechselt werden. © DGFM

Pilzarten im Erzgebirge wandeln sich

Seit seiner Kindheit hat er sich ein enormes Wissen über Pilze angeeignet. Schon als kleiner Junge sei er mit seinem Vater immer in den Wald gegangen, um sie zu sammeln.

In den vielen Jahren, die seither vergangen sind, hätten sich die Pilzarten im Erzgebirge deutlich gewandelt – eine Folge der Klimaerwärmung, ist er überzeugt. So gebe es den Kahlen Krempling, der früher weit verbreitet war, kaum noch. Auch andere Lamellenpilze wie der Gelb-blättrige Weißtäubling und der Kirschrote Speitäubling seien im Rückgang begriffen.

Dafür fühlen sich andere Arten jetzt offenbar wohl in Sachsen. „Das Judasohr, das vor allem am Schwarzen Holunder wächst, gab es zu DDR-Zeiten nur bis maximal in 300 bis 400 Metern Höhe. Es war hauptsächlich in Küstennähe zu finden“, sagt Frank Demmler. Heute kommt der Baumpilz, dessen ostasiatischer Verwandter Mu-Err in vielen asiatischen Gerichten verwendet wird, auch im Erzgebirge vor.

Warnung vor Braunem Fliegenpilz

Eindringlich warnt der Pilzberater vor dem Braunen Fliegenpilz. Er braucht saure Fichtenwälder und gedeiht in Sachsen nur im Vogtland und im Erzgebirge. Dort allerdings wächst er nun viel häufiger als früher. Manchmal sogar zwischen Perlpilzen, mit denen er sehr leicht verwechselt werden kann. Das sorge seit Jahren für Vergiftungen, die zu Koma oder Atemstillstand führen können. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal: Beim Fliegenpilz ist die Manschette am Stiel – Demmler nennt sie auch Hose– immer glatt. „Beim Perlpilz ist sie gerieft, wie ein Plisseerock.“

Der Tintenfischpilz oder auch Krakenpilz gilt in Sachsen noch als botanische Seltenheit.
Der Tintenfischpilz oder auch Krakenpilz gilt in Sachsen noch als botanische Seltenheit. © Andreas Bauer

Was tun bei Pilzvergiftung?

  • Kontaktieren Sie sofort einen Arzt oder den Rettungsdienst (112) mit dem Hinweis, dass es sich um eine Pilzvergiftung handeln könnte.
  • Rufen Sie parallel dazu den Giftnotruf in Erfurt an. Die Mediziner sagen Ihnen, wie Sie sich richtig verhalten. Telefon: 0361730730.
  • Heben Sie Reste der Pilzmahlzeit, Putzreste oder Erbrochenes auf. Pilzkundige sichten das Material, um den Giftpilz zu bestimmen.
  • Eine unechte Pilzvergiftung droht, wenn essbare Pilze zu alt waren. Auch sie kann im Krankenhaus enden.
  • Haben Sie Zweifel, ob der Pilz essbar ist oder nicht? Kontaktieren Sie einen Pilzberater, bevor sie den Pilz essen.

Auch der ursprünglich in Neuseeland und Australien beheimatete Tintenfischpilz wird nun häufiger in Sachsen gefunden. Der wegen seiner Tentakelarme sehr auffällige, aber ungenießbare Pilz wurde in Deutschland erstmals 1934 bei Karlsruhe gesichtet.„Nehmen Sie nur die Speisepilze, die Sie genau kennen“, rät Demmler. „Und passen Sie bei Lamellen auf.“ Unter den Röhrlingen gebe es mit dem Satansröhrling nur einen Giftpilz. Er sei an seinem dicken, mit einem roten Netz überzogenen Fuß leicht zu erkennen. Ob Demmler einen davon für die Pilzausstellung in Rittersgrün finden wird, ist fraglich. Aber vielleicht klappt es ja für die große Schau auf dem Zwönitzer Markt vom 21. bis 22. September.