Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Leben und Stil
Merken

Reisetipp Serbien: Wo die Donau trennt und eint

Durch Serbien fließt auf fast 600 Kilometern der längste Strom Mitteleuropas. Touristen erkunden das Land meist mit dem Schiff. Dabei bietet es so viel mehr.

 7 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Am Eingang zum Eisernen Tor, etwa am Flusskilometer 970 der Donau, steht die Festung Golubac. Hier führt Dragana jährlich Hunderte Besucher durch die zahlreichen Türme der Burg.
Am Eingang zum Eisernen Tor, etwa am Flusskilometer 970 der Donau, steht die Festung Golubac. Hier führt Dragana jährlich Hunderte Besucher durch die zahlreichen Türme der Burg. © Thomas Schade

Von Thomas Schade

Dragana beschreibt die Türme von Golubac. Zu jedem der neun Kolosse erzählt sie eine Geschichte. Seit zwei Jahren führt die junge Frau Besucher in die bedeutendste serbische Festung an der Donau, quasi den Eingang zum Eisernen Tor. Hier zwängt sich der Strom auf einhundert Kilometern durch eine einmalige und wilde Flussklippenlandschaft. Sie wird geprägt von den steil abfallenden Kalksteinfelsen der Karpaten und den Gebirgszügen des Banats.

Früher, so erzählt Dragana, konnten nur Lotsen die Schiffe durch die klippenreichen Passagen manövrieren. „Das waren hoch angesehene Leute“, sagt sie. Später entstanden mächtige Flusskraftwerke. Mit ihnen wurde der Fluss angestaut. Heute ist die Donau in der Felsenge bis zu einhundert Meter tief, aber stellenweise nur 150 Meter breit.

Seit Jahrhunderten trennt die Donau Länder und Regionen. Im Osten Serbien und Rumänien, im Westen Serbien und Kroatien und Ungarn. Im Lande trennt die Donau die autonome Region Vojvodina im Norden und die serbischen Gebiete im Süden. Aber seit Schiffe auf der Donau fahren, verbindet sie auch die Völker des Ostens und des Westens. „Die Festung Golubac ist seit jeher ein strategisch wichtiger Ort“, erzählt Dragana.

Zahl der Touristen noch überschaubar

Über Generationen hinweg sei sie gebaut, zerstört und wieder aufgebaut worden, sagt die junge Frau. „Erobert wurde sie nie.“ Vom Kanonenturm sei früher eine Kette hinüber zum Felsen Babakaj am anderen Ufer gespannt gewesen. Die Burgherren kontrollierten damit die Schlucht. Kelten, Römer, Ungarn, Osmanen, Byzantiner - viele Völker machten den Serben diese Festung streitig und hinterließen ihre Spuren.

Auf fast 600 Kilometern fließt die Donau durch Serbien. Westeuropäer erkunden das Land hauptsächlich auf Kreuzfahrtschiffen. Ansonsten ist die Zahl der Touristen noch überschaubar, die das Land erkunden. Mitte der 1980er-Jahre, so die Statistik, bereisten 4,5 Millionen Besucher das Land. Nach den Balkankriegen in den 1990er-Jahren waren es noch 400.000. Jetzt seien jährlich etwa zwei Millionen Touristen in Serbien. Vor allem Bulgaren, Ungarn, Rumänen aber auch Chinesen verbringen hier ihre Ferien. Nur langsam erhole sich das Land von dem Einbruch, sagt Goran Rajkovic. Der rüstige Rentner kennt sich ausgezeichnet aus in der Geschichte seines Landes, und er weiß, was läuft im Fremdenverkehr. Er leitete touristische Unternehmen sowohl in Deutschland wie auch in Serbien.

Städte wie Belgrad, Novi Sad oder Niš seien die touristischen Hauptziele. „Warum nur?“, fragt er rhetorisch. Serbien hat sechs Nationalparks, zwei liegen an der Donau. Im Osten ist es der Djerdap-Nationalpark, der größte Serbiens. Er beherbergt mehr als eintausend Pflanzenarten. Wer in die entlegenen Winkel wandert, kann seltene Adler und manchmal auch Bären beobachten.

Honig als natürliches Antibiotikum

Im Nationalpark, am Südufer der Donau, liegt Lepenski Vir – eine Wiege der europäischen Zivilisation. Archäologen entdeckten die über 9.000 Jahre alte Siedlung zufällig, als sie 1967 Probegrabungen unter einem alten römischen Wachturm begannen. In der jungsteinzeitlichen Siedlung kamen Plastiken zutage, die zu den ältesten Kultstücken in Europa zählen. Besonders beeindruckend sind die Wohn-, Begräbnis- und Kultstätten der Jäger und Sammler, die am Fluss sesshaft wurden und sich zu Bauern und Hirten entwickelten. Der prähistorische Fund wird aufwendig unter einer Glaskuppel gezeigt.

Fährt man quer durch das Land entlang der Donau, so trifft man Menschen wie Zlatica und Boran Živković . Das Paar betreibt eine Imkerei in der Gemeinde Braničevo. Ihr Vater habe Bienen gezüchtet, auch ihr Großvater, erzählt Zlatica. Sie hat sich etwas Besonderes einfallen lassen und öffnet die Tür zu einem kleinen Holzhaus. Darin steht ein Bett und am Fenster ein Tisch. Auf dem liegen medizinische Atemmasken. Zlatica betreibt Apitherapie. Sie versucht, mit Bienenprodukten wie Propolis, Bienengift, Honig und der Luft aus dem Bienenstock heilende Wirkungen zu erzielen.

Zlatica und Boran Živkovic züchten Bienen unweit der Donau. Sie produzieren über 20 Sorten Honig und betreiben Apitherapie, die Heilung mit Bienenprodukten.
Zlatica und Boran Živkovic züchten Bienen unweit der Donau. Sie produzieren über 20 Sorten Honig und betreiben Apitherapie, die Heilung mit Bienenprodukten. © Thomas Schade

Bienen halten ihren Bienenstock sauber, sagt sie. Die Luft aus dem Stock lindere Krankheiten wie Asthma, da ist sie überzeugt. Medizinisch ist das umstritten, aber Honig ist als natürliches Antibiotikum längst im Fokus der Forschung. Unumstritten lecker ist, was Familie Živković in ihre Gläser füllt. Honig aus Brennnessel- oder Himbeerblüten oder mit Zusätzen wie Zitronenschalen – über 20 verschiedenen Sorten.

16 heilige Orte

Wenige Kilometer flussaufwärts in der Gemeinde Veliko Gradište bei Saša Brancovic riecht es ganz anders. Er brennt Schnaps. 200 Tonnen Obst - Pflaumen, Birnen, Äpfel, Quitten, Himbeeren - verarbeitet er jährlich und destilliert sie zu Obstbränden. In Sašas moderner Brennerei steht noch die alte kupferne Brennblase, mit der auch er die Familientradition zeigen möchte. Schon als Junge habe er sich in das Handwerk verliebt, habe später die Technologie der Brandweinherstellung erlernt und sich 2010 selbstständig gemacht, sagt er. Ohne Zusatzstoffe wie Aromen oder Farbstoffen versuche er, seinen Produkten einen „persönlichen Stempel“ aufzudrücken.

Nach etwa 300 Kilometern entlang der Donau in Richtung Westen erreicht man Novi Sad, die Hauptstadt der Vojvodina und den ältesten Nationalpark Serbiens, den Fruška Gora. Seine sanften Hügel waren einst kleine Inseln im pannonischen Meer. Heute steht hier der größte Lindenwald Europas. Zudem liegt eine der drei Weinregionen Serbiens im Park.

Saša Brancovic brennt Schnaps. 200 Tonnen Obst, Pflaumen, Birnen, Äpfel, Quitten, Himbeeren verarbeitet er jährlich zu Slibowitz oder Himbeergeist.
Saša Brancovic brennt Schnaps. 200 Tonnen Obst, Pflaumen, Birnen, Äpfel, Quitten, Himbeeren verarbeitet er jährlich zu Slibowitz oder Himbeergeist. © Thomas Schade

Touristiker vermarkten Fruška Gora gern auch als heiligen Park, denn zwischen den Hügelketten liegen die „Klöster der Fruška Gora“. 16 heilige Orte, nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Einst seien es sogar 35 gewesen, sagt Goran Rajković. Der bald 80-Jährige hat fast alle besucht. „So eine Konzentration findet man sonst nicht in Serbien“, erklärt er. Sie seien in der Zeit zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert entstanden und von kulturgeschichtlicher Bedeutung. „Ihre Architektur ist ein Mix aus byzantinischen und barocken Elementen.“

Ein Abenteuer, die Regionen individuell zu erkunden

Goran räumt ein, es sei immer noch ein Abenteuer, die Regionen an der Donau individuell zu erkunden. Mit dem Auto und auf dem Wasser sei es am einfachsten. Für Radler gibt es den Donauradweg, der im Land Eurovelo 6 genannt wird. „Er verläuft zu großen Teilen über Landstraßen, ist aber gut ausgeschildert“, sagt er.

Schwieriger sei es mit Bus und Bahn. Vom einst 10.000 Kilometer Schienennetz ist wenig übrig. Nach Zerstörungen im Bürgerkrieg und Verfall fahren die meisten Züge heute mit Tempo 50 auf den verbliebenen Strecken. Nur langsam verbessere sich die Lage. Russland, China und die EU investierten in die Infrastruktur. So finanzierten Russen und Chinesen eine neue Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Belgrad und Novi Sad. Insbesondere China baue in Serbien an der Neuen Seidenstraße, sagt Goran. „Auch wenn es noch etwas beschwerlich ist, das Land zu entdecken“, sagt er, „so hat Serbien dennoch touristisch viel Potenzial“.

Touristisch noch wenig entdeckt

© FP-Grafik/Tilo Steiner
  • Nach den Balkankriegen ist Serbien noch kein klassisches Reiseland und touristisch teilweise noch unentdeckt. Es gibt sechs Nationalparks.
  • Vor allem Gäste aus den Nachbarländern und aus China machen in Serbien Urlaub. Westeuropäer entdecken das Land zumeist an Bord von Donau-Kreuzfahrtschiffen.
  • Auch der Donauradweg durchquert das Land, aber oft auf Landstraßen.
  • Deutsche können mit Personalausweis oder Reisepass einreisen.
  • Swissair und Lufthansa fliegen von München und Frankfurt nach Belgrad.
  • Zugreisen sind ab Berlin über Budapest und Zagreb nach Belgrad möglich.
  • Pauschal mit SZ-Reisen: Donaukreuzfahrt, 16 Ü/VP, 26.09.-12.10.2024, ab 2.669 Euro p.P. im DZ
  • Im Hotel „Fuska Gora“ im gleichnamigen Nationalpark kostet die Nacht umgerechnet etwa einhundert Euro, inklusive Spa.
  • Die Wochenmiete für einen Kleinwagen beträgt je nach Anbieter in Belgrad um die 150 Euro.
  • Landeswährung ist der Dinar. Ein Euro sind etwa 170 Dinare.
  • Die Reise wurde von der Nationalen Tourismus Organisation Serbiens (NTOS) organisiert.