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Sie wollen Klärschlamm für Autos und Arznei wiederverwenden

In Ostsachsen und Brandenburg tun sich mehrere Abwasserentsorger zusammen, um Kloake zu recyceln. Das ist geplant.

Von Luisa Zenker
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Jens Meier-Klodt, Heike Herrmann, Karsten Horn, Marten Eger und Gerd Weber (v.l.n.r.) wollen in Ostsachsen und Südbrandenburg die dritte Phosphorrecycling-Anlage für Klärschlamm in Deutschland errichten.
Jens Meier-Klodt, Heike Herrmann, Karsten Horn, Marten Eger und Gerd Weber (v.l.n.r.) wollen in Ostsachsen und Südbrandenburg die dritte Phosphorrecycling-Anlage für Klärschlamm in Deutschland errichten. © Kooperation Lausitzer Abwasser Recycling GmbH

Aus Schlamm wird mehr: In Ostsachsen und Brandenburg machen drei Abwasserunternehmen Kloake für Autos und Medizin nutzbar. Dafür haben sie sich jetzt zusammengetan und die interkommunale Gesellschaft "KLAR" gegründet - in langer Version nennt sie sich "Kooperation Lausitzer Abwasser Recycling GmbH". Sie planen eine Anlage, um das im Klärschlamm enthaltene Phosphor wiederzuverwenden. Er gilt in der Europäischen Union als kritischer Rohstoff, der rar und endlich ist.

Deutschland hängt hier besonders von Marokko und der westlichen Sahara ab. Wissenschaftler gehen zudem davon aus, dass in den 2030er Jahren das globale Fördermaximum von Phosphor erreicht wird. Das Problem: ohne Phosphor wachsen keine Pflanzen.

Kostbarer Phosphor soll wiederverwendet werden

Und nicht nur als Düngemittel wird der kostbare Stoff gebraucht. Auch in der Futtermittelindustrie, Arzneimittelherstellung und Automobilbranche ist Phosphorsäure notwendig. Letztere braucht das Mittel als Korrosionsschutz. Die Autos werden vor dem Lackieren einmal mit Phosphorsäure getränkt.

Deshalb wollen die drei Abwasserentsorger nun vorangehen, und Phosphorsäure aus Klärschlamm gewinnen. Denn die zwei Millionen Tonnen Klärschlammmasse, die jedes Jahr aus Deutschlands Abwässern herausgefischt werden, enthalten etwa 60.000 Tonnen Phosphor. "Hier geht es auch um Unabhängigkeit von internationalen Erzeugern", erklärt Karsten Horn, Geschäftsführer der KLAR.

Erster Phosphor-Recycler ist insolvent

Mit dem Start der Recyclinganlage plant man optimistisch bis 2030. Bisher gibt es zwei solcher Anlagen in Deutschland, eine in Magdeburg und eine in Hamburg, weiß Karsten Horn. Der Phosphor-Recycler Seraplant in Magdeburg hat jedoch Insolvenz angemeldet.

Deshalb wolle man sich nach den Hamburgern richten, und das sogenannte "Tetra-Phos-Verfahren" anwenden. Hierbei werden zuerst die Schadstoffe im Klärschlamm durch Verbrennung "eliminiert". Im zweiten Teil wird aus der Klärschlamm-Asche Phosphorsäure herausgefiltert. Herauskommen dabei auch Gips und Mineraliksand, den man in der Betonherstellung oder im Straßenbau einsetzen kann.

Gesetz zwingt Entsorger zum Handeln

Um die Halle zu finanzieren, sucht "KLAR" noch mehr Abwasserverbände aus Südost-Brandenburg und Ostsachsen. Momentan sind sie zu dritt: der Trinkwasser- und Abwasserzweckverband Oderaue, die FWA Frankfurter Wasser- und Abwassergesellschaft mbH sowie die LWG Lausitzer Wasser GmbH. Allein die LWG entsorgt mehr als 100.000 Cottbusern die Abwässer.

Grund für die Recyclinganlage ist auch eine 2017 geänderte Klärschlammrichtlinie. Das Gesetz verlangt, Phosphor aus Klärschlamm zurückzugewinnen. Beginnend mit 2029 sind die Betreiber von Abwasserbehandlungsanlagen je nach Auslastung dazu verpflichtet, die Richtlinie umzusetzen. "Die vergleichsweise kleinteilige Struktur an Abwasserentsorgungskapazitäten in der Brandenburger Fläche ist für mögliche private Investitionsgroßprojekte ein eher schwieriges Umfeld, anders etwa in Berlin", erklärt Gerd Weber, Geschäftsführer der FWA. Hier braucht es daher viele, die an einem Strang ziehen.

Mikroplastik und Schwermetalle im Blut

Es gibt noch einen weiteren Grund für die Recyclinganlage: "Klärschlamm ist eine Schadstoffsenke", erklärt Karsten Horn. "In der Tat ist es aus meiner Sicht problematisch, dem Bürger zu erklären, warum wir in den Kommunen viele Ressourcen zur Reinigung unserer Abwässer aufwenden, um danach die im Klärschlamm abgelagerten Schadstoffe wie Schwermetalle, Mikroplastik und Arzneimittelrückstände oder auch resistente Keime über den Umweg der landwirtschaftlichen Ausbringung wieder dem Wasserkreislauf zuzuführen", sagt er. Denn der Klärschlamm wird auf die Felder gebracht. "Früher oder später landen die Schadstoffe im Blut von jedem", sagt Horn. Bereits jetzt fragen Ökolandbauern sowie konventionelle Landwirte den Klärschlamm nicht mehr in Mengen nach. Die Recyclinganlage biete demnach eine Alternative, um die Kloake zu verwerten. Zudem gelten auch für die Landwirtschaft ab 2029 Einschränkungen beim Ausfahren des Schlamms.

Wie viel die Anlage kostet, kann Horn noch nicht sagen. Das hänge davon ab, wie viele kommunale Abwasserunternehmen sich anschließen und wie groß die Anlage wird. Mitte 2025 will man dann einen Finanzierungsplan aufstellen, um mit dem Bau zu beginnen.