Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Döbeln

Gustav aus Dürrweitzschen wird zum Spielball der Ämter

Der Fünftklässler wohnt in Dürrweitzschen und besucht die Oberschule in Stauchitz. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kommt er nicht in die Schule. Die Suche nach einer Lösung ist schwierig.

Von Sylvia Jentzsch
 8 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Gustav besucht die fünfte Klasse an der Anne-Frank-Oberschule in Stauchitz. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt er nicht in die Schule.
Gustav besucht die fünfte Klasse an der Anne-Frank-Oberschule in Stauchitz. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt er nicht in die Schule. © SZ/DIetmar Thomas

Jahnatal/Stauchitz. Eigentlich wollen Gustav und seine Eltern nur eins: Der Fünftklässler soll wie seine Mitschüler ganz entspannt seinen Schulalltag erleben dürfen. Denn Gustav besucht gern die Schule.

Seit Schuljahresbeginn besucht er gemeinsam mit seinen Klassenkameraden aus Jahnatal die Anne-Frank-Oberschule in Stauchitz. Die hält seit der Schließung der Ostrauer Mittelschule im Jahr 2007 Plätze für die Mädchen und Jungen der Gemeinde Jahnatal bereit.

Welches Problem gibt es bei der Schülerbeförderung nach Stauchitz?

„Wir sind froh, dass unser Antrag von der Oberschule Anne-Frank bewilligt wurde“, sagte Rico Herrmann. Er ist der Lebensgefährte der Mutter von Gustav. Der Freude über den Einschulungsbescheid folgte bald Verzweiflung.

Denn nun haben Gustav, seine Mutter und der Lebensgefährte ein Problem. Der Schulbus hält nicht in Dürrweitzschen, einem Ortsteil der Gemeinde Jahnatal, obwohl es an der S32 eine Bushaltestelle gibt.

„Nach der Zusage der Schule haben wir versucht, die Ämter auf unser Problem hinzuweisen. Das war Mitte Mai. Überall sind wir auf Widerstand gestoßen. Keiner wollte und konnte uns bisher helfen“, sagte Rico Herrmann.

Deshalb wird Gustav zurzeit jeden Morgen zur Bushaltestelle in Lüttewitz oder Zschaitz gebracht. „Zurzeit haben wir uns das so eingerichtet. Doch was passiert, wenn das nicht mehr möglich ist?“, fragte Rico Herrmann.

Noch schwieriger wird es am Nachmittag. Dann sind er und Mutter Cordula Lange noch auf Arbeit. „Bisher haben wir es managen können, dass Gustav von der Schule in Stauchitz abgeholt werden konnte. Aber das ist keine Lösung“, so Herrmann.

Die Paragrafenreiterei dürfe nicht zu Lasten von Kindern gehen. Deshalb bat Rico Herrmann auch im Namen von Cordula Lange die Räte und Bürgermeister Dirk Schilling (CDU) um Unterstützung.

Was sagt die Schulleiterin der Anne-Frank-Oberschule

Dieser Bitte schloss sich die Schulleiterin der Anne-Frank-Oberschule Yvonne Naujoks an. Sie und Rico Herrmann waren zur Ratssitzung gekommen, um auf das Problem aufmerksam zu machen.

„In diesem Jahr sind es mehr als 25 Kinder aus der Gemeinde Jahnatal, die die fünfte Klasse unsere Schule besuchen. Insgesamt sind es 69“, so Yvonne Naujoks. Um alle Fünftklässler, die in Stauchitz lernen wollen, aufnehmen zu können, wurde ein dritter Klassenzug eröffnet.

„Wir wollten 20 Kindern und ihren Eltern nicht absagen. Deshalb wurde umgebaut, damit diese Schüler bei uns lernen können“, so die Schulleiterin. In der Schule seien alle Voraussetzungen geschaffen worden, dass Gustav und die anderen Kinder ein gutes Lernumfeld haben.

„Und nun scheint es an der Schülerbeförderung zu scheitern, weil das Landratsamt nur Zahlen und Fakten kennt“, sagte Yvonne Naujoks. Sie habe sich bei Bekanntwerden des Problems sofort an das Landratsamt Meißen gewandt.

Das wiederum habe sich mit der zuständigen Mitarbeiterin im Landratsamt Mittelsachsen in Verbindung gesetzt und eine lapidare Antwort mit dem Tenor, dass die Verlegung der Schulbusstrecke nur einen Umweg, Geld und Zeit kosten würden, bekommt.

„Diese Einstellung kann ich nicht verstehen. Eltern und Schüler haben eine freie Schulwahl. Diese wird dadurch eingeschränkt. Das Wohl des Kindes spielt bei den Entscheidungen des Amtes überhaupt keine Rolle“, sagte die Schulleiterin. Sie bat die Gemeinderäte und den Bürgermeister von Jahnatal um Unterstützung bei der Klärung des Problems.

Warum fühlt sich der ZVMS nicht für die Beförderung von Gustav zuständig?

Im Landkreis Mittelsachsen ist der Zweckverband Verkehrsverbund Mittelsachsen (ZVMS) Träger der Beförderung der Schüler auf dem Schulweg zum Besuch der Schulen in öffentlicher Trägerschaft und der genehmigten Ersatzschulen in freier Trägerschaft, die im Gebiet der Landkreise Mittelsachsen und Zwickau sowie des Erzgebirgskreises liegen.

„Die von dem Schüler besuchte Oberschule liegt im Landkreis Meißen und befindet sich somit nicht auf dem Gebiet von einem der drei genannten Landkreise. Infolgedessen ist der ZVMS für die Schülerbeförderung an die Oberschule Stauchitz örtlich nicht zuständig“, teilte Falk Ester, Pressesprecher des ZVMS mit.

  • Sie haben Hinweise, Kritik oder Lob? Dann schreiben Sie uns per E-Mail an [email protected]

Die Aussage, dass als Alternativen für die ehemalige Mittelschule Ostrau die beiden Oberschulen in Mügeln und Stauchitz vorgegeben seien, könne nicht nachvollzogen werden.

„Das Recht der freien Schulwahl umfasst nicht das Recht auf staatlich finanzierte Schülerbeförderung zu jeder gewählten Schule. Es geht nur um den Anspruch auf Sicherstellung einer notwendigen Schülerbeförderung zur nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs“, so Ester.

Von Seiten des ZVMS wurde noch angemerkt, dass von dem Ortsteil Dürrweitzschen die Geschwister-Scholl-Oberschule in Roßwein zumutbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden könne.

Warum ist der Landkreis Meißen auch nicht zuständig?

Grundsätzlich ist der Landkreis Meißen Träger der notwendigen Beförderung von Schülern auf dem Schulweg zu Schulen, die sich im Gebiet des Landkreises befinden.

„Der Träger der Schülerbeförderung regelt die Einzelheiten der Schülerbeförderung in Satzungen im Rahmen der geltenden Gesetze“, so Anja Schmiedgen-Pietsch, Pressesprecherin des Landkreises Meißen. Dieser hat eine entsprechende Satzung.

Laut dieser besteht nur Anspruch auf Schülerbeförderung für den Besuch der nächstgelegenen aufnahmefähigen Schule der gewählten Schulart.

„Wird jedoch eine andere als die nächstgelegene aufnahmefähige Schule der gewählten Schulart besucht, besteht kein Anspruch auf Einrichtung eines besonderen Beförderungsangebotes“, so Anja Schmiedgen-Pietsch. Die nächstgelegene Schule wäre demnach die Oberschule „Am Holländer“ in Döbeln.

Was sagt das Landesamt für Schule und Bildung dazu?

„Grundsätzlich könnten sich die Eltern an das Landesamt für Schule und Bildung wenden, um gegebenenfalls nach Schulplätzen innerhalb des Verkehrsverbunds zu suchen. Ein erster Überblick zeigt mir aber bereits, dass die beiden genannten Schulen bereits gut gefüllt sind“, teilte der Pressesprecher des Landesamtes für Schule und Bildung (Lasub) Clemens Arndt mit.

  • Nachrichten aus der Region Döbeln von Sächsische.de gibt es auch bei Facebook und Instagram

Gemäß des Sächsischen Schulgesetzes ist der Landkreis beziehungsweise die Kommune, in der die Schule steht, für die Schülerbeförderung zuständig. „Nun könnte man in diesem Fall meinen, dass der Landkreis Meißen für die Beförderung zuständig wäre. Es gibt jedoch mehrere Verwaltungsgerichtsurteile die bestätigen, dass die Eltern die Kosten zur Beförderung zu tragen haben, wenn das Kind nicht die nächstgelegene Schule besucht.“

Wie kann die Gemeinde Jahnatal helfen?

Wer sich nicht auf Gesetze und Satzungen beruft, diese aber trotzdem bei der Argumentation beachtet, ist die Gemeinde Jahnatal. Sie sucht im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach einer Lösung.

„Wir arbeiten daran. So wie wir es Herrn Herrmann versprochen haben, schreiben wir als Verwaltung und auch im Namen der Gemeinderäte an den Landkreis Mittelsachsen. Wir wollen noch einmal auf die Besonderheit hinweisen, dass nach der Schließung der Ostrauer Mittelschule sich die nächstgelegenen Schulen in Mügeln und Stauchitz befinden. Auch wenn die Behörde auf die Oberschule in Döbeln Nord verweist, ist das nicht realistisch, da diese Schule voll belegt ist“, so Bürgermeister Dirk Schilling (CDU).

Die Gemeinde habe sich bereits wegen einer alternativen Fahrtroute des Schulbusses Gedanken gemacht und auch einen Vorschlag unterbreitet. „Wir würden uns organisatorisch und finanziell an der Verlegung der Bushaltestelle beteiligen“, so Schilling. Allerdings bedürfe das verschiedener Absprachen und brauche etwas Zeit und Geduld.

So funktioniert der Schülerverkehr nach Mügeln

Seit der Schließung der Ostrauer Mittelschule im Jahr 2007 besuchen die Schüler der Gemeinde die Schulen in Mügeln und Stauchitz.

In diesem Jahr haben sich 15 Fünftklässler für den Besuch der Goethe-Oberschule in Mügeln entschlossen. Insgesamt sind es 72 Mädchen und Jungen aus der Gemeinde Jahnatal, die in dieser Schule lernen. Bisher hat es noch keine Probleme mit der Schülerbeförderung gegeben.

„Wir als Stadt mussten uns damals etwas einfallen lassen, um die Schülerzahlen in unserer Goetheschule zu halten. Sonst hätten auch wir vielleicht keine Oberschule mehr“, sagte Bürgermeister Johannes Ecke (parteilos). Deshalb haben die Stadträte zugestimmt, dass die zusätzlichen Kosten für die Schülerbeförderung von der Stadt getragen werden.

Außerdem gibt es eine Vereinbarung mit dem Landkreis Nordsachsen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen die Schüler aus Jahnatal nicht nach Mügeln, weil sich kurz nach Schrebitz die Kreisgrenze zwischen Mittel- und Nordsachsen befindet und es auch noch zwei Verkehrsverbünde gibt.

„Die Schüler hätten uns nicht erreicht. Deshalb mussten wir nach einer Lösung suchen. Auch wir haben kein riesiges Finanzbudget zur Verfügung. Aber es ist uns wichtig, dass die Schüler aus Jahnatal unsere Schule problemlos erreichen und auch die Rückfahrt gesichert ist. Das ist es uns wert“, so Johannes Ecke.

Schließlich seien es nicht wenige Schüler, die aus der Gemeinde Jahnatal die Mügelner Schule besuchen. Den Auftrag zur Schülerbeförderung habe ein Busunternehmen aus Mügeln bekommen. Die Route ändere sich jedes Jahr, je nachdem wo die Schüler wohnen.

„Allerdings werden die ganz abgelegenen Wohnstandorte nicht angefahren. Die Kinder müssen dann zur nächstgelegenen Bushaltestelle kommen. Das ist aber sehr selten der Fall“, sagte der Mügelner Bürgermeister.

Er ist froh, dass das private Busunternehmen sehr flexibel ist, sodass die Schüler auch bei Unterrichtsausfall nicht ewig warten müssen.