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Das ist der Zeitplan für die neue Dresdner Mikrochipfabrik ESMC mit 2.000 Jobs

An diesem Dienstag findet der Spatenstich für das Dresdner Milliardenprojekt statt: für die Mikrochipfabrik ESMC. Dort sind 2.000 Arbeitsplätze geplant – aber wie lange dauert das?

Von Georg Moeritz
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Das weiße Festzelt für den Spatenstich (rechts) wird dem Bürogebäude der Chipfabrik ESMC weichen. Von dort wird eine Brücke über die Straße zur Fabrik führen. Hinten das Bosch-Werk, Blick von Norden.
Das weiße Festzelt für den Spatenstich (rechts) wird dem Bürogebäude der Chipfabrik ESMC weichen. Von dort wird eine Brücke über die Straße zur Fabrik führen. Hinten das Bosch-Werk, Blick von Norden. ©  Thomas Kretschel

Dresden. Das Festzelt steht, der Kanzler kommt, und der Bauplatz wird größer als bisher bekannt: An diesem Dienstag findet nordwestlich der Bosch-Mikrochipfabrik der erste Spatenstich für die Fabrik ESMC European Semiconductor Manufacturing Company statt. Firmenchef Christian Koitzsch kündigte am Montag bei einem Pressegespräch an, dass der Neubau eine Brücke über die Straße schlagen wird. Wo jetzt das Festzelt steht, wird das Bürogebäude errichtet. Von dort solle man „trockenen Fußes“ in die Fabrik auf der anderen Seite der Straße Am Kammerholz kommen. Die Fabrik wird 200 mal 200 Meter messen.

Die Mikrochipfabrik ist ein Gemeinschaftsprojekt des Marktführers TSMC aus Taiwan und der europäischen Hersteller Infineon, Bosch und NXP. Das S in den Firmennamen steht für Semiconductor, englisch für Halbleiter. Koitzsch bekräftigte die Ankündigung, 2.000 Arbeitsplätze zu schaffen. Auf die Frage, ob sie zum geplanten Produktionsstart im Jahr 2027 schon alle besetzt sein werden, antwortete der ESMC-Präsident nicht direkt. Er sagte, das Hochfahren der Fabrik („Ramp-up“) werde mehrere Jahre dauern.

Zum Vergleich: Die benachbarte Bosch-Fabrik, deren Leiter Koitzsch zuvor war, hat jetzt 600 Beschäftigte. Als Ziel wurden 700 genannt, als die Fabrik Mitte 2021 startete. Hunderte teure Maschinen müssen installiert und aufeinander abgestimmt werden. Außerdem entscheidet die Nachfrage nach den Elektronikbausteinen mit über das Tempo. Die Fabrik samt Maschinen kostet rund zehn Milliarden Euro. Die Bundesrepublik zahlt etwa die Hälfte davon als Subvention.

Nach Erdarbeiten ein Jahr Bau der Fabrikwände

Auf den Spatenstich folgen zunächst große Erdarbeiten, die laut Koitzsch einige Monate dauern werden. Fast 500.000 Kubikmeter Erde sollen ausgehoben und mit dem Ziel einer „neutralen Massenbilanz“ möglichst bei Ausgleichsmaßnahmen nahe dem Bau wieder eingearbeitet werden.

Etwa ein Jahr lang soll dann die Gebäudehülle wachsen. Wie sie aussehen soll, will das Gemeinschaftsunternehmen ESMC am Dienstag zeigen. Koitzsch sagte, es gebe einen schönen Entwurf für Fabrik und Bürogebäude. Die Mutterfabrik ist die Fabrik 15 A von TSMC in Taichung in Taiwan, in der gerade 30 Studierende aus Dresden zum Praktikum waren. Die Gebäude werden sich aber unterscheiden, schon wegen unterschiedlicher Vorschriften zum Schutz vor Feuer und Erdbeben. Das Aussehen der Büros werde sich nach „europäischen Gegebenheiten“ richten.

Das Logo der neuen Dresdner Mikrochip-Produktionsfirma ESMC enthält ein rotes Quadrat im Buchstaben E - es steht symbolisch für einen Mikrochip.
Das Logo der neuen Dresdner Mikrochip-Produktionsfirma ESMC enthält ein rotes Quadrat im Buchstaben E - es steht symbolisch für einen Mikrochip. © SZ/Georg Moeritz

Auf den Bau folgt die technische Gebäudeausstattung. Kern einer Mikrochipfabrik ist der Reinraum, der vollkommen staubfrei gehalten wird. Üblicherweise liegen darunter und darüber Ebenen, von denen aus Flüssigkeiten und Gase zu- und abgeleitet werden. Infineon erweitert gerade seine Dresdner Fabrik nach diesem Muster. In der Chipfabrik werden Siliziumscheiben in Hunderten Arbeitsschritten beschichtet, belichtet und geätzt. 2027 sollen die ersten Scheiben in die Produktion gehen.

ESMC sichert sich Nachbarflächen für die Bauarbeiten

Zum Einstellen der Anlagen werden zunächst „engineering wafer“ benutzt, also Scheiben, aus denen noch keine Chips für die Kunden werden. Die Kunden von ESMC sind Hersteller von Elektronik für Industriemaschinen und für Autos. Auch die Partner Infineon, Bosch und NXP können Teile der Fabrik nutzen, von der sie jeweils zehn Prozent besitzen.

Neben der Fabrik hat sich ESMC laut Koitzsch noch Land gesichert, das während der Bauarbeiten als Bereitstellungsfläche dienen soll. Ob von Anfang an eine spätere Erweiterung der Fabrik in Betracht gezogen wird, sagte Koitzsch nicht. Beim Nachbarn Bosch gibt es Platz für eine mögliche Verdoppelung von dessen Fabrik. Intel plant in Magdeburg zunächst zwei Fabrikmodule mit 3.000 Beschäftigten in einem Gewerbegebiet, in dem Platz für mehr Module ist.

Ingenieure aus Taiwan zur Entlastung des Arbeitsmarktes

Die neue Dresdner Mikrochipfabrik wird laut Koitzsch ihr Personal „europaweit rekrutieren“, manche Spezialisten auch weltweit. Zur Angst anderer Betriebe vor Abwerbung sagte der Firmenchef, der Mutterkonzern TSMC sei sehr groß. Während des Spitzenbedarfs beim Hochfahren der Fabrik könnten taiwanesische Ingenieure nach Sachsen geholt werden. Das wirke „entlastend für hiesige Firmen“.

Bei der betrieblichen Ausbildung von Mikrotechnologen und Mechatronikern sollen die beiden vorhandenen lokalen Bildungsfirmen helfen, die in der Branche aktiv sind. Sie haben laut Koitzsch ausreichend Kapazitäten. Doktoranden sollen später die Möglichkeit bekommen, ihre Chip-Entwürfe "auf TSMC-Technologieknoten" zu entwickeln und Prototypen in Dresden herstellen zu lassen. Koitzsch sprach von einem "University Outreach Program".

Chemiegewerkschaft IG BCE fordert Mitbestimmung

Die Fabrik soll mit „grüner Energie“ betrieben werden. Eigene Windkraftanlagen ließen sich im Gewerbegebiet Airportpark wegen der Nähe zu Flughafen nur „begrenzt“ möglich, daher werde ESMC den Ökostrom einkaufen. In Japan hat TSMC im Februar eine Mikrochipfabrik eröffnet. Auch dort sind Partnerfirmen beteiligt. Die Dresdner ist die erste des taiwanesischen Konzerns in Europa.

Die Chemiegewerkschaft IG BCE kündigte am Montag an, sich bald bei dem neuen Dresdner Großbetrieb zu melden. Die Landesbezirksleiterin Stephanie Albrecht-Suliak sagte, gute Arbeit könne "nur mit Teilhabe über Betriebsräte und Tarifverträge authentisch definiert" werden. Sie erinnerte daran, dass die Chipfabriken stark von der globalen Wirtschaftskonjunktur abhängig sind. Infineon baut gerade beispielsweise in Regensburg Arbeitsplätze ab, will aber mit dem Neubau in Dresden für den nächsten Aufschwung gerüstet sein.

Albrecht-Suliak sagte, einen Verlust wie in der deutschen Solarbranche dürfe das Land kein zweites Mal erleben. Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie biete Zusammenarbeit für kluges politisches Handeln an. Die IG BCE hatte bei Globalfoundries einen Tarifvertrag für das Werk Dresden erkämpft. Die Gewerkschafterin verwies auf die Milliarden-Subventionen vom Staat - gerade in einem solchen Fall müssten deutsche Mitbestimmungsstandards eingehalten werden.