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Intel-Fabrik in Magdeburg steht offenbar auf der Kippe

Es sollte eine der größten Ansiedlungen in der deutschen Wirtschaftsgeschichte werden, doch nun stellt der US-Halbleiterhersteller Intel den Bau einer Chipfabrik bei Magdeburg infrage. Das US-Unternehmen muss sparen. Und die Bundesregierung zittert.

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Das Logo des Chipherstellers Intel steht vor der Zentrale des Unternehmens in den USA. Eigentlich war geplant, dass es bald auch in Magdeburg zu sehen sein soll. Nun steht der Bau einer Fabrik des Chipherstellers auf der Kippe.
Das Logo des Chipherstellers Intel steht vor der Zentrale des Unternehmens in den USA. Eigentlich war geplant, dass es bald auch in Magdeburg zu sehen sein soll. Nun steht der Bau einer Fabrik des Chipherstellers auf der Kippe. © Andrej Sokolow/dpa

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Seit der kriselnde Halbleiterhersteller Intel vor einem Monat ein hartes Sparprogramm einschließlich des Wegfalls jeder sechsten Stelle im Unternehmen angekündigt hat, bangt die Bundesregierung um den geplanten Neubau einer Chipfabrik in Magdeburg. 30 Milliarden Euro wollte Intel dort investieren. Eine der weltweit modernsten Produktionsanlagen für Mikroelektronik sollte auf der grünen Wiese vor den Toren der Stadt entstehen – so zumindest die Vision.

Zweifel an dem Projekt gab es von Anfang an – vor allem daran, ob Intel dazu technologisch überhaupt noch in der Lage ist. Immerhin sind Konkurrenten wie TSMC oder Nvidia dem Computerpionier aus dem kalifornischen Santa Clara inzwischen meilenweit voraus, weil Intel vom Boom bei der Künstlichen Intelligenz kalt erwischt worden ist.

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Für Misstrauen sorgten auch die gewaltigen Subventionen, die Intel für die Ansiedlung forderte. Erst waren es knapp 7 Milliarden Euro, am Ende musste die Bundesregierung satte 9,9 Milliarden Euro Staatsgeld versprechen – was sie trotz angespannter Haushaltslage tat. Ökonomen kritisierten, dass jeder einzelne der 3000 dauerhaften Arbeitsplätze mit rund 3 Millionen Euro gefördert werde. Das Kanzleramt und Wirtschaftsministerium hielten mit der industriepolitischen Bedeutung des Vorhabens dagegen. Angesichts der wachsenden globalen Spannungen, so hieß es, sei die deutsche Wirtschaft auf eine sichere Chipproduktion im eigenen Land angewiesen.

Die Widerstände wurden überwunden oder beiseitegewischt, doch nun wackelt das Projekt ausgerechnet aus finanziellen Gründen. Intel-Chef Pat Gelsinger muss seinem Verwaltungsrat bis Mitte September einen Sanierungsplan für das schwer angeschlagene Unternehmen präsentieren, berichten mehrere US-Medien. Intel hat in sechs Monaten mehr als 50 Prozent seiner Börsenwertes verloren. Die Vertreter der Aktionäre wollen nun wissen, wie es weitergeht.

Gelsinger, das scheint sicher, wird ein hartes Restrukturierungsprogramm vorlegen. Unrentable Geschäftsbereiche sollen verkauft oder abgewickelt, nicht zwingend nötige Investitionen gestreckt, zurückgestellt oder ganz gestrichen werden. Laut eines Berichts der Nachrichtenagentur Reuters steht auch das Magdeburger Werk zur Disposition. Durch eine Streichung oder zumindest Pausierung der Pläne würde sich der Kapitalbedarf schlagartig verringern.

Verunsicherung in Berlin

Die schlechten Nachrichten aus dem Silicon Valley haben in Berlin zu Verunsicherung geführt. Bundeskanzler Olaf Scholz persönlich soll sich bei Intel-Chef Gelsinger gemeldet haben, um sich zu vergewissern, ob denn der Investitionsplan noch stehe, berichtet das „Handelsblatt“. Sonderlich beruhigend war die Antwort des Amerikaners für den Kanzler demnach nicht. Gelsinger habe lediglich auf die Gremiensitzung Mitte des Monats verwiesen, so die Wirtschaftszeitung.

Der Bundesregierung bleibt derzeit nichts anderes übrig, als die Entscheidung in den USA abzuwarten. Man sei bis an die Schmerzgrenze und darüber hinausgegangen, um die Ansiedlung zu ermöglichen, heißt es in Regierungskreisen. Jetzt sei Intel am Zug.

Auch in Magdeburg beobachtet man die Situation mit wachsender Unruhe. „Wir sind über die aktuellen Entwicklungen bei Intel informiert und stehen im Austausch mit dem Unternehmen“, sagt Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Als Land Sachsen-Anhalt haben wir alles getan, um die Ansiedlung in Magdeburg zu unterstützen“, so der CDU-Politiker weiter.

Seinen Optimismus will Schulze noch nicht aufgeben. „Intel hat uns bestätigt, dass es weiterhin an diesem Standort festhalten möchte“, betont er. „Die finalen Entscheidungen liegen jetzt bei Intel, und wir werden die Entwicklung aufmerksam verfolgen.“

Ein Ende der Intel-Pläne in Magdeburg wäre sowohl für die Landesregierung Sachsen-Anhalts als auch für die Ampel in Berlin ein schwerer Schlag. Vor allem für Bundeskanzler Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), die die milliardenschweren Subventionszusagen gegen den skeptischen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) durchgesetzt hatten, steht viel auf dem Spiel. Scholz hatte bei Unterzeichnung der Absichtserklärung im vergangenen Sommer von einem „wichtigen Schritt für den Hightech-Standort Deutschland“ gesprochen. Habeck hatte gar von der Chance auf ein „neues florierendes und hochmodernes Chip-Ökosystem“ geschwärmt. Sollte Intel einen Rückzieher machen, wäre der Spott der Opposition den beiden gewiss.

Immerhin eine gute Nachricht gibt es: Die Bundesregierung hat noch kein Geld an Intel überwiesen. Bei einem Rückzieher würde der Staat also fast 10 Milliarden Euro sparen. Allein im kommenden Jahr 2025 sind fast 5 Milliarden Euro Förderung für Mikroelektronik im Wirtschaftsplan der Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung vorgesehen. Ein Teil des Geldes ist für den Intel-Konkurrenten TSMC bestimmt, der bereits mit dem Bau einer Fabrik in Dresden begonnen hat. Die Intel-Milliarden könnten dann im Rahmen des Fonds für andere Zwecke genutzt werden. Es wäre nur ein schwacher Trost.