Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Wirtschaft

Müssen wir Angst vor Künstlicher Intelligenz haben?

Ein Dresdner Wissenschaftler erklärt im Interview, ob Künstliche Intelligenz gefährlich ist. Damit rufen wir auch Sie auf: Schreiben Sie uns Ihre Fragen zu dem Thema.

 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
In Dresden gibt es seit vergangenem Jahr ein Forschungszentrum zu Künstlicher Intelligenz. Dies ist eines von fünf in ganz Deutschland. Forscher Siavash Ghiasvand findet Künstliche Intelligenz eigentlich gar nicht so schlau.
In Dresden gibt es seit vergangenem Jahr ein Forschungszentrum zu Künstlicher Intelligenz. Dies ist eines von fünf in ganz Deutschland. Forscher Siavash Ghiasvand findet Künstliche Intelligenz eigentlich gar nicht so schlau. © Foto: SZ/Veit Hengst

Herr Ghiasvand, Sie beschäftigen sich seit Jahren mit Künstlicher Intelligenz, KI, was fasziniert Sie an dem Thema?

Wir haben mit KI etwas wirklich Nützliches geschaffen. Zum Beispiel kann KI mehrere Bücher für mich übersetzen, oder zusammenfassen. KI macht das Leben viel einfacher.

Mit dem ChatBot ChatGPT ist Künstliche Intelligenz in aller Munde gekommen. Doch schon vorher war Künstliche Intelligenz in unserem Alltag normal.

Wir setzen KI bereits in fast allen Bereichen ein, die mit Computern zu tun haben. Nehmen wir an, Sie haben an einen Internetanbieter geschrieben. Bereits vor zehn Jahren haben Sie mit einem Assistenten gechattet, der eine Art Chat-GPT war.

War das nicht nur eine Maschine?

Ja, was wir vor zehn Jahren für künstliche Intelligenz hielten, ist es heute nicht mehr. Wer die erste künstliche Intelligenz erschaffen hat, darüber lässt sich immer streiten. Es geht hier um einen kommerziellen Wettbewerb. Sobald die Maschine alles von selbst lernt, nennen wir es KI. Aber was bedeutet es, von selbst zu lernen? Soll ich als Informatiker der Maschine helfen, Daten zu verstehen oder soll ich ihr nicht helfen?

Was macht denn KI aus?

Bei einer regelbasierten Maschine können wir genau sagen, was am Ende passiert. Bei Künstlicher Intelligenz weiß ich nicht, wie genau die Entscheidungen getroffen werden. Wenn wir KI zum Beispiel hunderte Bilder von einer Katze auf einem roten Sofa zeigen und hunderte Bilder von einem Hund auf einem blauen Sofa, dann könnte die KI annehmen, dass Rot eine Katze und Blau ein Hund ist. Doch wir wissen nicht, ob der Computer die Katze an das rote Sofa knüpft. Zeigen wir die Katze dann in einer anderen Situation, kann der Computer es nicht immer richtig zuordnen. Das ist Zufall.

Künstliche Intelligenz scheint immer auch ein bisschen dumm zu sein. Doch trotzdem sprechen wir von Intelligenz. Ist es das richtige Wort?

KI ist wirklich etwas dumm. Sie weiß nicht, was passiert. Sie ist einfach Mathematik, die eine Gleichung lösen kann. Intelligent bedeutet nur, dass sie das tun kann, was wir von ihr verlangen. Das war's. Wenn ich also KI mit Katzen und Hunden trainiere, kann sie nur Katzen und Hunde verstehen. Wenn ich eine Taube zeige, dann kann sie damit nichts anfangen.

Ob dumm oder nicht. Viele Menschen haben Angst, dass KI intelligenter ist, als wir Menschen.

Diese Intelligenz muss definiert werden. Wenn Sie ein Grammatikprüfprogramm als intelligent bezeichnen, dann ja. Computer werden schlauer sein als wir, wenn es darum geht, die Grammatik eines Textes zu überprüfen, weil sie die Regeln kennen, während wir sie vielleicht vergessen. Aber bei Kunst ist das abhängig: Ich meine, selbst wenn man als Künstler etwas zeichnet und es dann verschiedenen Galerien zeigt, wird jeder von ihnen eine andere Meinung dazu haben. Welcher Künstler ist dann schlauer?

Aber für mich ist es trotzdem ein Unterschied, ob ein anderer Journalist einen Artikel schreibt oder ob eine Maschine diesen Artikel verfasst hat. Ich fühle mich austauschbar.

Bis zu einem gewissen Grad stimmt das auch. Wir haben einige Zweige des Journalismus, die Informationen sammeln, und veröffentlichen. Das lässt sich leicht mit ChatGPT ersetzen. Aber es gibt auch einen anderen Zweig des Journalismus, der versucht, zu analysieren. Das wird menschliche Hilfe erfordern.

Noch.

Ja langfristig werden die Aufgaben der Menschen reduziert sein. Für mich ist das keine traurige Nachricht, denn ich denke, sie ersetzen nicht wirklich, sie helfen. Wiederholende Arbeit wird von Computern übernommen und die Menschen können die fortgeschrittenere Arbeit machen.

Es ist beängstigend, das zu hören. Im Mai forderte eine Gruppe an Wissenschaftlern, die Forschung an KI zu pausieren. Haben Sie selbst Angst vor den Entwicklungen ?

Ich habe keine Angst. Alle neuen Technologien erscheinen am Anfang sehr mächtig. Aber bisher haben wir beobachten können, dass wir Menschen uns an diese Veränderungen anpassen. Nehmen wir Smartphones: Vor 15 Jahren konnte sich niemand vorstellen, einen reinen Touchscreen als Smartphone zu haben, man fragte sich, was ist mit unseren Augen? Was passiert mit der Papierindustrie? Am Anfang schien es eine Revolution zu geben. Aber dann kam die Evolution. Wir änderten unsere Gewohnheiten. Wir haben gelernt, dass wir vielleicht ab einer bestimmten Stunde in der Nacht nicht mehr auf den blauen Bildschirm schauen, weil das nicht gut für uns ist. Es ist sogar umweltfreundlicher, wenn wir Tonnen von Büchern auf unseren Tablets speichern, als sie auszudrucken. Wir haben also ein Gleichgewicht dazwischen gefunden.

Aber Künstliche Intelligenz scheint auch eine Waffe zu sein. ChatGPT verrät mir, wie man einen Menschen zu tötet

Eine andere Person kann das auch tun, oder?

…es ist einfacher ChatGPT zu fragen.

Nun, diese Einfachheit, das ist beängstigend. Solange die KI in der Hand von wenigen Leuten war, schien alles in Ordnung, also hat sich niemand darum gekümmert. Solange die Internetanbieter ihre eigenen Chat-BOTS hatten, die mit den Kunden sprachen, hatte niemand Angst. Aber jetzt hat jeder einen persönlichen Assistenten, der ihnen hilft, jemanden zu töten.

Brauchen wir deshalb politische Regularien?

Ich denke, dass sich Technologien weiterentwickeln müssen und dass es nicht immer die beste Lösung ist, viele politische Barrieren zu errichten. Vielleicht sollten wir uns mehr darauf konzentrieren, die Menschen zu schulen, das Gerät zu benutzen und nicht das Gerät selbst einschränken. Ich meine, warum fragen Menschen einen Chat-Bot danach, wie es geht, einen anderen zu töten. Wir sollten die Freiheit für die Technologie nicht einschränken, sondern die Menschen unterrichten.

Wo glauben Sie, wird KI sehr nützlich sein?

In der Medizin. Wir haben etwa einen Mangel an Ärzten. Aber wenn ich Schmerzen habe, dann möchte ich sofort wissen, was los ist. Das Gesundheitsministerium könnte einen Chatbot zur Verfügung stellen, dem ich meine Schmerzen erklären kann und der mir faktenbasiert rät, was ich tun soll.

Das klingt sinnvoll. Aber glauben Sie, KI wird auch große Probleme wie den Klimawandel oder Kriege lösen?

Sie wird helfen, definitiv. Aber sie wird sie nicht lösen. KI ist eine schlechte Version des Menschen. Wenn der Mensch nicht in der Lage ist, Probleme zu lösen, dann kann es auch die schlechte Version von uns nicht. Aber sie werden uns Menschen das Wertvollste geben, was wir brauchen: Zeit.

Der Informatiker Siavash Ghiasvand führt das ScaDS.AI Living Lab in Dresden. Es gehört zu den fünf großen KI-Forschungszentren, die es in Deutschland gibt. 200 Wissenschaftler forschen dort und in Leipzig unter anderem zu den Themen Sprache, Medizin, Klimawandel-Folgen und die Ethik in Hinblick auf Künstliche Intelligenz.

Senden Sie uns Ihre Fragen zu Künstlicher Intelligenz!

Und nun sind Sie gefragt: Senden Sie uns Ihre Fragen zum Thema Künstliche Intelligenz per E-Mail an [email protected]. Wir suchen die passenden Experten und Expertinnen, um der Frage auf den Grund zu gehen. Und wer noch mehr wissen will: seit September gibt es im Wissenschaftsforum COSMO im Dresdner Kulturpalast die Ausstellung: "Künstliche Intelligenz erklärt!"