Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Wirtschaft

Energiewende in Sachsen: "Es fehlen Netze und Speicher"

Ein sächsischer Bürgermeister kann keine Windräder bauen, weil der Netzanschluss fehlt. Beim Ostdeutschen Energieforum versucht er, eine Antwort darauf zu finden.

Von Luisa Zenker
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Per Wiesner (42), Bürgermeister von Neißeaue, kämpft um den Netzanschluss für eine Windkraftanlage.
Per Wiesner (42), Bürgermeister von Neißeaue, kämpft um den Netzanschluss für eine Windkraftanlage. © SZ-Archiv: André Schulze

Per Wiesner muss warten. Der sächsische Bürgermeister von Neißeaue will eigentlich die Windräder nahe seiner Kommune durch moderne Anlage ersetzen. Außerdem unterstützt er den ansässigen Landwirt, den ersten Agri-Solar-Park Ostdeutschlands zu errichten – 120 Megawatt Energie könnte seine Kommune durch diese zwei Projekte erzeugen. Das würde auch helfen, um den Haushalt der 1.800 Einwohner großen Kommune zu unterstützen, könnte die Gemeinde doch 400.000 Euro damit pro Jahr einnehmen. Doch all das ist Zukunftsmusik.

Das Problem: der Netzanschluss fehlt. Bis 2030 muss Wiesner warten, ehe die Windräder Strom einspeisen. Der Bürgermeister ist deshalb zum Ostdeutschen Energieforum in Leipzig eingeladen worden, einem alljährlichen Treffpunkt von Energieunternehmen, wie der Leag oder der Sachsen-Energie. Über 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen zu der Denkfabrik der Energiewende, darunter auch Vertreter aus Wissenschaft, Politik und den Kommunen.

Es mangelt weiterhin an Infrastruktur

Das Problem, das Wiesner beschreibt, wirkt wie ein großer Elefant im Raum. Kristian Kirpal, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig spricht es gleich zu Beginn an. „Die Infrastruktur fehlt, die zu Wind und Sonne passt. Es fehlen Speicher und Netze.“ Dafür hat er eine Zahl mitgebracht: Im Jahr 2022 sind der Bundesrepublik 8 Terrawattstunden Energie verloren gegangen. Sie wurden zwar durch erneuerbare Energieanlage produziert, konnten aber nicht ins Netz eingespeist werden. 2,8 Millionen Haushalte hätten so durch grünen Strom versorgt werden können. „Wir haben den zweiten vor dem ersten Schritt gemacht“, sagt er mit Blick auf die fehlende Infrastruktur.

Die Energiewende kostet jedoch enorm viel Geld. Man rechnet mit einem Investitionsvolumen von 600 bis 800 Milliarden Euro in Stromnetze, Kraftwerke, Gasleitungen, heißt es mehrmals bei dem Forum. "Da kommt was auf die Haushalte zu", sagt auch Frank Brinkmann, Vorstandsvorsitzender vom ostsächsischen Energieversorger Sachsen-Energie.

Aus dem Publikum kommt deshalb die Frage nach der Lockerung der Schuldenbremse: Stephan Lowis, Vorstandsvorsitzender des Energieversorgers "envia Mitteldeutsche Energie" antwortet: "Die Schuldenbremse ist nicht relevant für den Netzausbau. Ich brauche stabile Rahmenbedingungen. Ein Mast steht 50 Jahre."

Es muss Geld investiert werden

Dem widerspricht die Infrastruktur-Professorin Ines Zenke von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Sie fordert eine „Modifizierung der Schuldenbremse.“ Dafür erntet sie deutlich Applaus aus dem Publikum. Die Schuldenbremse sei sehr alt. Was ihre Erfinder nicht gewusst und bedacht hätten: "Die Notwendigkeit der Treibhausgasneutralität." Der Staat müsse befähigt werden, um die Milliarden Summen zu investieren.

Sie nennt jedoch noch zwei weitere Akteure, um das Geld zu investieren: Einerseits die Banken und andererseits die Deutschen selbst. Mehr als 4 Billionen Euro liegen auf den Sparkonten, so Zenke. Würde man sie ermutigen, das Geld in Netz- und Wärmeinfrastruktur zu investieren, steige auch die Akzeptanz. „Mein, dein, unser Kraftwerk“, so Zenke.

Der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) bekräftigt, dass die Investition nicht allein über die Stromkunden, sondern auch über eine Anschubfinanzierung aus der Steuerkasse getätigt werden kann. Bis 2035 muss die Stadt Leipzig ihm zufolge 20 bis 30 Milliarden in den Ausbau der Fernwärme investieren und einmal "die komplette Stadt umgraben", ähnlich sieht es in allen anderen Großstädte aus. "Die Bürger machen das nicht mit, wenn es das Dreifache kostet." Er fordert deshalb auch ein „vernünftiges Klimageld“, um die Geringverdiener zu entlasten.

Beim Netzausbau fehlt aber nicht nur das Geld. Erklärt Bürgermeister Wiesner doch, dass er allein acht Jahre auf die Genehmigung eines Netzknotens gewartet hat. Die Unternehmen fordern deshalb eine Beschleunigung der Verfahren. Kein Wunder, gibt es doch bereits 15.000 energiewirtschaftliche Regelnormen, so Zenke. Wie soll da ein ehrenamtlicher Bürgermeister wie Per Wiesner durchblicken.

Umweltminister: "Die Energiewende läuft auf vollen Touren"

Mit mehr Geld und beschleunigten Verfahren bleibt es dennoch, an einem hängen: der Akzeptanz in der Bevölkerung. Da wird auch wieder Stellung zum sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer genommen, der in den vergangenen Monaten mantraartig den Satz wiederholte: "Die Energiewende ist gescheitert." Es sei „wild“ so eine Aussage zu machen, so Heinrich Gärtner, Chef von GP Joule. Die Energiewende finde weltweit bereits statt. China ist etwa Spitzenreiter beim Zubau von Erneuerbaren Energien. "Ob es standortnah ausreichend Strom aus Erneuerbaren gibt, ist ein knallharter Standortfaktor. Das ist die Grundlage für Investitionen, für gefüllte Auftragsbücher, für Ansiedlungsentscheidungen", fügte auch Energieminister Wolfram Günther hinzu. Forderten doch dieser Tage mehr als 60 sächsische Unternehmen einen schnellere Energiewende. Derweil freut sich der Minister über ein neuen Rekord . Demnach haben geplante sächsische Windräder mit einer Leistung von über 170 Megawatt einen Zuschlag von der Bundesnetzagentur erhalten." Die Energiewende laufe "in vollen Touren". Günther warnt davor, dass eine "künftige sächsische Landesregierung diesen Lauf abwürgt".

Bürgermeister Wiesner bleibt am Ende dennoch ratlos. Für ihn spielt nicht nur Finanzierung und Akzeptanz eine Rolle. Der fehlende Netzausbau habe auch was mit dem "Unwillen der Beteiligten" zu tun, den ländlichen Raum zu befähigen. Er muss weiter warten.