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Vize-Präsidentin der Europäischen Investitionsbank: „Wir bringen das Schwungrad in Gang“

Nicola Beer, Vize-Präsidentin der Europäischen Investitionsbank, über Kredite für Sachsens Wasserstoff-Wirtschaft und mehr Engagement im Verteidigungsbereich.

Von Nora Miethke
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Nicola Beer, Vize-Präsidentin der Europäischen Investitionsbank, und Nils Aldag, Vorstandschef von Sunfire, bei der Unterzeichnung des Kreditvertrags in Dresden.
Nicola Beer, Vize-Präsidentin der Europäischen Investitionsbank, und Nils Aldag, Vorstandschef von Sunfire, bei der Unterzeichnung des Kreditvertrags in Dresden. © PR/Sunfire

Frau Beer, die Europäischen Investitionsbank (EIB) gewährt der Dresdner Firma Sunfire einen 100-Millionen Euro- Venture Debt Kredit. Was macht dieses Unternehmen und auch diese Technologie so kreditwürdig?

Sunfire ist ein ganz wichtiger Baustein, wenn wir wirklich unsere Wirtschaft von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien umstellen wollen, weil wir dazu unter anderem sehr viel Wasserstoff brauchen. Das Unternehmen hat neue Elektrolyseure in der Entwicklung, die grünen Wasserstoff kostengünstiger herstellen und dezentral verfügbar machen können - auch für energieintensive Industrien wie Zement- und Stahlproduzenten oder die Chemie. Auch im Schwerlastverkehr oder bei Schiffen und Flugzeugen, wo man nicht allein auf Elektrifizierung setzen kann, hilft diese Technologie.

Sunfire muss Geld verdienen. Worauf kommt es an, dass grüner Wasserstoff preislich wettbewerbsfähig wird?

Wir müssen die verschiedenen Bausteine zueinander bringen. Da ist Ostdeutschland ein sehr, sehr guter Standort. Wir haben hier in der Region sehr viel grünen Strom und die Elektrolyseverfahren, die wir brauchen, um mit diesem Strom Wasserstoff zu fertigen. Jetzt geht es darum, die Wirtschaft zu überzeugen, dass dies ein Medium ist, mit dem Industrien von den fossilen auf grüne Energie umgestellt werden können. Erste Schritte sind schon gelungen, doch die Industrie muss grünen Wasserstoff nun verlässlich abnehmen. Da helfen hochinnovative Elektrolyseverfahren, wie Sunfire sie entwickelt hat, die mit 30 Prozent weniger Stromverbrauch die gleiche Menge Wasserstoff produzieren können, also entsprechend preiswerter sind. Wir als Bank tragen dazu bei, das Schwungrad in Gang zu bringen. Wenn es dann läuft, werden durch die Steigerung der Mengen die Preise sinken. Und dann bekommen wir wirklich Wirtschaft und Umwelt zusammen. Wir sind überzeugt davon, dass dieses Geschäftsmodell wettbewerbsfähig sein wird. Deswegen unterstützen wir dieses Projekt.

Die Elektrostahlwerke beklagen, dass die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung vor allem die Interessen der großen Stahlwerke berücksichtigt. Macht die Europäische Investitionsbank das anders, wie unterstützt sie mittelständische Industrieunternehmen dabei, grün zu werden?

Für uns ist gerade der europäische Mittelstand ein Investitionsschwerpunkt. Sunfire ist das beste Beispiel dafür. Wir sind mit unseren Teams breit im Gespräch mit dem Mittelstand. Auch deshalb, weil wir erleben, dass die Innovationskraft, der Mut, neue Wege zu gehen und mal außerhalb der bisherigen Schemata zu denken, dass das in der Regel aus dem Mittelstand kommt, und dass dort die schnellen, wendigen Boote sind, die die großen Tanker in Bewegung setzen.

Nur wenige Wasserstoffprojekte werden wirklich umgesetzt, weil Investoren sich zurückhalten, da sie nicht wissen, wie sich die Strompreise entwickeln werden. Was kann die EIB dazu beitragen, dieses Henne-Ei-Problem in den Griff zu bekommen?

Wir leisten unseren Beitrag, indem wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette in allen diesen Bereichen parallel unterwegs sind. Die EIB unterstützt zum Beispiel mit einem Kredit von 400 Millionen Euro den Ausbau kommunaler Stromnetze in Thüringen. Wir brauchen ausreichend ausgebaute und digitalisierte Energienetze zum Einspeisen und Abnehmen von erneuerbaren Energien und zum Transport des Stroms überall dorthin, wo er gebraucht wird. Auf der anderen Seite brauchen wir innovative Unternehmen aus der verarbeitenden Industrie, wie der Stahlproduktion, die Abnahmeverträge mit den Herstellern von grünem Wasserstoff schließen, damit die ganze Kette weitergeht. H2 Green Steel ist es gelungen, langfristige Abnahmeverträge trotz „grüner“ Zusatzkosten in Höhe von 20 Prozent abzuschließen. In den Markt kommt Dynamik. Das wird die Kosten sinken lassen. Wenn wir als Investitionsbank mit in ein Projekt gehen, wird das oft als Prüfsiegel verstanden und dann trauen sich auch private Investoren, weil unser Ruf ist, Projekte nicht nur im finanziellen, sondern auch im technischen Bereich auf Herz und Nieren zu prüfen.

Gibt es eine Kennziffer, mit der man das unterstreichen kann?

Es kommt ein bisschen auf die Bereiche an, aber im Schnitt kann man schon sagen, eins zu fünf ist der Durchschnitt dessen, was wir hebeln. Für jeden von uns investierten Euro gibt es in der Regel fünf Euro private Investitionen.

Die Investitionsbank hat ihr Engagement in Deutschland stark ausgeweitet, auch in Ostdeutschland?

Die EIB hat in den letzten fünf Jahren in Ostdeutschland mit Berlin Projekte im Umfang von fünf Milliarden Euro finanziert. Hinzu kommen ostdeutsche Anteile an überregionalen Projekten in mehreren Bundesländern. Gerade in jüngster Zeit haben wir in Ostdeutschland einige Leuchtturmprojekte finanziert, neben Sunfire und TEAG zum Beispiel neue Straßenbahnen in Chemnitz und neue Regionalzüge für die ODEG in Brandenburg und Berlin. Und im Lausitzer Kohlerevier fördern wir zusammen mit der Investitionsbank des Landes Brandenburg den CO2-neutralen Umbau der Wirtschaft.

Wird das Engagement weiterhin wachsen, denn die EIB soll sich ja auch im Verteidigungsbereich stärker einbringen?

Wir sehen, dass die Nachfrage nach unseren Finanzierungsangeboten steigt. Ich bin viel in Ostdeutschland unterwegs für Gespräche über eine ganze Reihe von Projekten, sowohl auf der öffentlichen Seite als auch im Bereich der Unternehmen. Jetzt ist die Zeit, in der Energienetze oder Netze für den Transport von Wasserstoff ausgebaut werden. Das sind große Investitionen, wo öffentliche und private Hände ineinandergreifen müssen. Wir sind die Bank, die das Know-how hat - technisch wie finanziell-, um diese Partner um einen Tisch zu versammeln und die technologische Tragfähigkeit mit der Finanzierung zusammenzubringen. Das heißt, ich gehe davon aus, dass wir das steigern können. Und die Anforderungen im Verteidigungssektor werden wir zusätzlich erfüllen können.

Wie weit ist da die Umsetzung?

Die Gelder dafür stehen schon bereit und müssen jetzt in die entsprechenden Projekte im Verteidigungsbereich überführt werden. Wir haben einen Fünf-Punkte-Plan vorgestellt, der neben der Bank auch unseren Europäischen Investitionsfonds einbezieht, der insbesondere im Mittelstand hochinnovative Projekte im Bereich Verteidigung und Sicherheit unterstützt. Momentan sind auf der Seite der Bank 6 Milliarden Euro reserviert und auf der Seite des Fonds 175 Millionen, die wir ganz bewusst in Start-ups und kleine Mittelständler bringen wollen. Diese Summe will jetzt erst einmal investiert werden.

Wird die Bank auch reine Rüstungsprojekte finanzieren?

Wir finanzieren sogenannte Dual Use Projekte, die zivile Anwendungsfälle haben, die aber auch im militärischen Bereich angewendet werden können, etwa in der Raumfahrtindustrie. Wir sind stark engagiert bei der Entwicklung und dem Bau von Drohnen, die schon zur Grenzüberwachung eingesetzt werden. Weitere Beispiele sind die Ertüchtigung und der Schutz von kritischen Infrastrukturen, sodass vom Zivilschutz bis in den Verteidigungsbereich die Bevölkerung geschützt werden kann.

Es bleibt bei diesem Dual Use Ansatz?

Ja, aber er ist erweitert worden, um mehr Projekte erfassen zu können und den Zugang von Unternehmen aus dem Verteidigungsbereich zu erleichtern. Die rote Linie ist da, wo es um die klassische Produktion von Waffen und Munition geht. Dies schließen wir weiterhin aus.

Muss das Bank-Kapital aufgestockt werden, um die Nachfrage zu bedienen?

Nein, wir refinanzieren uns am Kapitalmarkt mit bis zu 65 Milliarden Euro im Jahr. Es wird allerdings geprüft, ob bestimmte Vorschriften über die Hebel, die wir anwenden, nicht ein bisschen sehr restriktiv sind, weil sie noch aus Kapitalmarktzeiten der 50er Jahre stammen und heute so nicht mehr in die Zeit passen. Da sind wir mit den Mitgliedstaaten im Gespräch. Das wird aber nicht dazu führen, dass irgendein Steuerzahler-Euro zusätzlich bei uns eingezahlt werden müsste.