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Sächsischer Energieexperte Zeuner: Die Energiewende geht weiter

Welchen Einfluss kann das Wahl-Ergebnis auf die Energiewende in Sachsen haben? Ein Gespräch mit Falk Zeuner, dem Präsidenten der Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien in Sachsen - über Gerechtigkeit, Unterschiede und Atomkraft.

Von Georg Moeritz
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Falk Zeuner aus Leipzig ist Präsident der Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien in Sachsen. Er hält die Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land für richtig.
Falk Zeuner aus Leipzig ist Präsident der Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien in Sachsen. Er hält die Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land für richtig. © Jürgen Lösel

Herr Zeuner, Sie sind viel in Sachsen unterwegs. Spüren Sie einen Stadt-Land-Gegensatz, wenn es um die Energiewende geht?

Die Unterschiede sind durchaus zu spüren, weil ja die Menschen in Stadt und Land unterschiedlich stark betroffen sind. In manchen ländlichen Regionen entstehen Projekte vor der Haustür. In der Stadt dagegen sind die Windkraftanlagen weit weg, und große Solaranlagen sind auch eher weniger zu sehen.

In den Städten wird viel Energie verbraucht, aber die meisten großen Anlagen stehen auf dem Land. Lässt sich das gerechter gestalten?

Es ist ja keine neue Tatsache, dass es eine Stadt-Land-Arbeitsteilung gibt. Die Nahrungsmittelproduktion findet auch auf dem Land statt. Dafür hat die Stadt eine Infrastruktur, die sie auch für die ländliche Bevölkerung vorhält. Ich halte nichts davon, nun mit dem Finger auf eine Stadt zu zeigen und zu fordern, dort eine Windmühle auf den Marktplatz zu bauen. Notwendig ist vielmehr, dass auch der Nutzen der Erneuerbaren Energien auf dem Land ankommt.

Was kann denn das zum Beispiel sein?

Durch erneuerbare Energieprojekte entsteht Wertschöpfung. Erst einmal haben die Grundstückseigentümer Einnahmen. Damit die nicht zu ungleich verteilt werden, können beispielsweise in einem Gebiet mit Windkraftanlagen alle Eigentümer Anteile bekommen, auch wenn sie keinen Standort oder eine Abstandsfläche haben. Der zweite Aspekt: Die Gewerbesteuer kommt der Gemeinde mit dem Standort der Anlage zugute, dafür ist die Steuergesetzgebung vor einiger Zeit geändert worden. Und drittens gibt es seit Juni das Bürgerbeteiligungsgesetz, das Einnahmen aus dem Stromertrag zum Teil der Gemeinde zukommen lässt. Das Geld kann direkt den betroffenen Ortsteilen zugutekommen, etwa über lokale Stromtarife oder Zuwendungen für Vereine und soziale Projekte.

Dennoch hat Sachsens Landesregierung nicht die Ausbauziele aus dem Koalitionsvertrag erreicht. Wie schlimm ist das aus Sicht Ihrer Vereinigung zur Förderung Erneuerbarer Energien?

Es war vorhersehbar, denn Genehmigungen und Umsetzung dauern lange. Aber es war wichtig, ambitionierte Ziele zu setzen. Darauf konnte die Politik sich ausrichten. In den vergangenen vier Jahren ist tatsächlich eine Wende eingeleitet worden. Aber die Richtungsänderung wird erst langfristig spürbar werden. Im Schnitt vergehen erfahrungsgemäß fünf bis zehn Jahre von der Idee bis zur Fertigstellung einer Windkraftanlage.

Und künftig?

Mit den eingeleiteten Veränderungen wird es schneller gehen. Es gab diverse Vereinfachungen, außer dem Bürgerbeteiligungsgesetz zum Beispiel die Artenschutzleitfäden für Tiere.

Anderswo ist aber mehr passiert. Was machen andere Bundesländer besser als Sachsen?

Sachsen war Schlusslicht und hat sich aufgemacht, diese Position zu verlassen. Dafür ist aber auch ein Umdenken notwendig, auch bei den Mitarbeitern in der Verwaltung. In Sachsen ist seit Biedenkopf Windkraft geradezu verteufelt worden, das hat sich in den Köpfen teilweise festgesetzt. Das ändert sich jetzt.

Und was erleben Sie in anderen Bundesländern?

Mein Planungsbüro ist auch in Niedersachsen aktiv. Da erlebe ich häufiger, dass die Energiewende als wirtschaftliche Chance verstanden wird. Was ich darauf zurückführe, dass dort viele Leute schon aus der Historie eher gewohnt sind, wirtschaftlich zu denken und unvoreingenommen auf ein Projekt zuzugehen. Da holt zum Beispiel ein Landwirtschaftsbetrieb die Eigentümer an einen Tisch, und dann wird gemeinsam ein Projektentwickler für einen Windpark beauftragt. Sachsen geht jetzt aber auch an einer entscheidenden Stelle voran.

Was meinen Sie damit?

Sachsen geht die Ausweisung neuer Flächen für Windkraft ambitionierter an, als es müsste. Schon bis 2027 sollen in Sachsen zwei Prozent der Landesfläche als mögliche Standorte ausgewiesen werden, statt anderswo bis 2032 mit einem Zwischenziel davor. Das ist sehr positiv zu bewerten und sorgt dafür, dass die langwierigen Änderungen der Regionalpläne in einem Schritt gemacht werden können.

Ministerpräsident Kretschmer hat gesagt, die Energiewende sei gescheitert. Was sagen Sie?

Die Energiewende ist natürlich nicht gescheitert. Sie ist ja keine kurzfristig angelegte Schnapsidee von den Grünen, sondern ein gesamtgesellschaftliches Projekt, das über Dekaden geht und sehr herausfordernd ist. Wir haben schon hohe Anteile an erneuerbaren Energien am Strommarkt, stehen aber trotzdem noch nah am Anfang. Denn fürs Fahren und Heizen wird noch immer viel fossile Energie verwendet. Die Energiewende geht weiter.

Womit rechnen Sie nach der Wahl?