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Fünf Jahre grüner Umweltminister in Sachsen: Solarenergie läuft, Windkraft weniger

Das im Koalitionsvertrag gesteckte Ziel hat Sachsen verfehlt, sagt Energieminister Wolfram Günther. Trotzdem habe man seit 2019 viel erreicht. Kein Fan ist er jedoch von E-Fuels - die hält er für "Schwachsinn".

Von Nora Miethke
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Wolfram Günther (Bündnis90/Die Grünen), Energieminister von Sachsen, im Mai bei der Einweihung des Solarparks in Zeithain.  Foto: Robert Michael/dpa
Wolfram Günther (Bündnis90/Die Grünen), Energieminister von Sachsen, im Mai bei der Einweihung des Solarparks in Zeithain. Foto: Robert Michael/dpa © dpa

Vier Terawattstunden zusätzliche Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Jahr wollten die Grünen in Sachsen schaffen. Dieses Ausbauziel hatten sie 2019 in den Koalitionsvertrag mit CDU und SPD geschrieben. „Die vier Terawattstunden haben wir nicht erreicht“, sagte Sachsens Energie- und Umweltminister Wolfram Günther am Dienstag, zog aber dennoch eine eher positive Bilanz für die Energiepolitik im Freistaat.

Grund ist die enorme Dynamik beim Ausbau der Solarenergie. Die Anzahl der Photovoltaik (PV)-Anlagen hätte sich in der Wahlperiode verdreifacht, die Leistung verdoppelt. Es sei gelungen, die Bevölkerung dabei mitzunehmen. Als Beleg nannte er rund 12.000 Balkonkraftwerke, die vom Freistaat gefördert wurden. Das Koalitionsvertragsziel sei damit anteilig bei PV bereits erfüllt worden. Bis Jahresende liege der Zuwachs im Bereich der Photovoltaik bei 3,4 Terawattstunden.

Zwar ist in diesem Jahr bislang nur ein leistungsfähiges Windrad ans Netz gegangen. Doch die Mengen, die sich im Genehmigungsverfahren befinden würden, „hätte keiner für möglich gehalten“, so Günther angesichts der Denkhaltung, auf die er vor fünf Jahren gestoßen sei. „Jedes Windrad wurde als Konkurrenz für „unsere“ Braunkohle betrachtet. Das war die Denkhaltung“, so der Grünen-Politiker. Würden alle im Genehmigungsverfahren sich befindlichen 139 Anlagen in Betrieb gehen, könnten damit rund 800.000 bis eine Million private Haushalte versorgt werden.

Derzeit dauert die Realisierung einer Windkraftanlage bis zu fünf Jahre. Allein von der Antragseinreichung bis zur Genehmigung vergehen bis zu 22,5 Monate. Von der Feststellung der Vollständigkeit der Unterlagen bis zur Genehmigungserteilung sind es 12,8 Monaten. Damit sei Sachsen im Bundesländervergleich relativ schnell, hieß es. Auch für Windräder im Wald sind die gesetzlichen Grundlagen gelegt worden. Vier Projekte mit insgesamt 22 Windräder sind in Planung. Aber noch kein Projekt könne die Vollständigkeit der Unterlagen nachweisen.

Das höchste Windrad Sachsens steht im Landkreis Mittelsachsen. Die Windkraftanlage der Leipziger Stadtwerke ist rund 250 Meter hoch und produziert jährlich genug Energie für 4.600 Haushalte. Foto: Sebastian Kahnert/dpa
Das höchste Windrad Sachsens steht im Landkreis Mittelsachsen. Die Windkraftanlage der Leipziger Stadtwerke ist rund 250 Meter hoch und produziert jährlich genug Energie für 4.600 Haushalte. Foto: Sebastian Kahnert/dpa © dpa

Günther zeigte sich überzeugt davon, dass Sachsen bereits bis 2027 die vom Bundesgesetzgeber geforderte Ausweisung von zwei Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen schafft. Bis 2027 hatte der Bund als Zielmarke lediglich 1,4 Prozent vorgegeben. Dafür seien die Planungsbehörden personell gestärkt worden, sagte der Minister. Auch wenn es immer noch Widerstände gegen Windkraftanlagen gäbe, steige die Akzeptanz, auch weil nun die Kommunen finanziell profitieren könnten.

Günther verhehlte nicht, dass es ein gewisses Risiko gibt, dass die neue Landesregierung das Erreichte wieder zurückdrehen könnte. Der Ausbauprozess könnte sich wieder verlangsamen, aber nicht komplett gestoppt werden. „Es gibt geltendes Recht auf EU- und Bundesebene, in das sich sächsisches Recht einfügen muss“, so der Energieminister. Sachsen sei ein starkes Industrieland. Damit dies so bleibe, müssten die erneuerbaren Energien ausgebaut werden. „Es geht um unseren Standort.“

Forderung nach E-Fuels für Pkw "Geisterdebatte"

Das gelte auch in der wieder aufgeflammte Debatte um E-Fuels für Pkw. Günther hält Forderungen nach E-Fuels bei normalen Autos für eine „Geisterdebatte“ und „marktwirtschaftlichen Unsinn“. „Bei E-Fuels bleibe nur rund ein Sechstel der Energie übrig. „Wer Autos mit E-Fuels auf die Straße schicken will, braucht also zigmal mehr Windräder, viel mehr Netzausbau und muss zigmal mehr an der Zapfsäule zahlen als jetzt“, argumentierte der Minister. Er sei gespannt, wie Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) das den Menschen erklären wolle. „E-Fuels sind Energieverschwendung“, so Günther.

Kretschmer hatte am Vortag den Vorschlag von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) begrüßt, E-Fuels vom Verbrenner-Aus bis 2035 auszunehmen. „Unsere Klimapolitik muss wettbewerbsfähig, technologieoffen sein und sich auf einen Rahmen beschränken. Ansonsten gefährden wir unseren Wohlstand und die Akzeptanz in der Bevölkerung“, sagte er. Tatsächlich sollte man bei individueller Mobilität nicht alles auf eine Karte setzen, die Politik wisse es nicht besser als der Markt und zig Millionen Autofahrer. Die Ausnahme für E-Fuels könne nur ein erster Schritt sein.

Günther konterte: Es gebe kein „Aus für das Verbrenner-Aus“. Die EU-Kommissionspräsidentin habe nur angekündigt, Ausnahmen für den Ausstieg zu prüfen. Das Ob und die Details seien völlig offen. Mit Äußerungen zu einem Aus für Verbrennungsmotoren werde den Leuten, suggeriert, dass man ihnen die Autos wegnehmen wolle. Dabei gehe es nur um Neuzulassungen. Die EU-Staaten und das Europaparlament hatten im März 2023 das Aus für Neuwagen mit Diesel- und Benzinmotoren ab 2035 besiegelt. Konkret gilt dann, dass Neuwagen kein Kohlendioxid mehr ausstoßen dürfen, wie es bei der Verbrennung von Benzin und Diesel entsteht.

Der Energieminister erinnerte daran, dass Sachsen einer der wichtigsten europäischen Standorte für die Herstellung von E-Autos ist. „Das ist eines der Fundamente des Industrielands Sachsen. Solche Angriffe auf die E-Mobilität schaden dem Freistaat.“ Deutschland und das Autoland Sachsen würden sich nicht von dieser weltweit ablaufenden Mobilitätswende abbringen lassen. (mit dpa)