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Wilsdruff: Von diesem Gas sollen Hausbesitzer profitieren

Flüssiges Biogas soll zur Energiewende beitragen. Bevor es zum Einsatz kommen kann, wird es in Kesselsdorf getestet.

Von Maik Brückner
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In Kesselsdorf hat die Firma Primagas eine Testanlage eingerichtet: Zur Eröffnung kamen Dr. Tillmann von Schroeter (v.l., Vaillant), Carsten Hahn (Stadt Wilsdruff), Stephan Klosterkamp (Primagas) und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU).
In Kesselsdorf hat die Firma Primagas eine Testanlage eingerichtet: Zur Eröffnung kamen Dr. Tillmann von Schroeter (v.l., Vaillant), Carsten Hahn (Stadt Wilsdruff), Stephan Klosterkamp (Primagas) und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). © Karl-Ludwig Oberthür

Für Futuria DME werden sich voraussichtlich bald viele Eigenheimbesitzer interessieren, die keinen Anschluss ans zentrale Gasnetz haben. Davon ist man beim Gasversorger Primagas überzeugt. Denn dieses Gas gilt als klimaneutral und soll demnächst das Propangas ablösen. Damit die Hausbesitzer ihre Anlage entsprechend umrüsten können, wird jetzt in Kesseldorf getestet, wie Anlagen umgerüstet werden müssen. Die Testanlage wurde jetzt mit einem Festempfang in Betrieb genommen.

An diesem nahmen unter anderem Primagas-Geschäftsführer Stephan Klosterkamp aus dem nordrhein-westfälischen Krefeld und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) teil. Klosterkamp erklärte, dass sein Unternehmen seit fast 75 Jahren Privathaushalte, Gewerbe und Industrieunternehmen im netzfernen Raum mit Flüssiggas versorge. Sein Unternehmen hat bundesweit 100.000 Kunden, in Sachsen sind es etwa 8.000. Nun stellte man sich den neuen Herausforderungen.

Man wolle ein erneuerbares Flüssiggas auf den Markt zu bringen, das komplett aus organischen Stoffen gewonnen werden kann. Der Grund: "Wenn wir gemeinsam das Ziel der Klimaneutralität im Gebäudesektor bis 2045 erreichen wollen, müssen wir den Anteil erneuerbarer Energien binnen 22 Jahren von aktuell 17 auf 100 Prozent steigern." Und das gelinge nur, wenn es eine breite Palette von Lösungen gebe. Neben Strom aus Windkraft- und Solaranlagen sei es eben auch flüssiges Biogas wie Futuria DME.

Bezüglich der Betriebskosten sehr attraktiv

Stephan Klosterkamp verspricht, dass das vollständig aus regionalen Rest- und Abfallstoffen hergestellte Futuria DME "aus heutiger Sicht" im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien "bezüglich der Betriebskosten sehr attraktiv" sein werde. Für diejenigen, die ihre Heizungsanlage umrüsten müssen, werde es die "günstigste Option" unter allen anderen erneuerbaren Heizungssystemen. Moderne Brennwertthermen "lassen sich ohne aufwendige energetische Sanierung von älteren Bestandsgebäuden effizient betrieben."

Stephan Klosterkamp (Mitte), Geschäftsführer von Primagas, erklärt Carsten Hahn (li.), Beigeordnetem der Stadt Wilsdruff und Dr. Tillmann von Schroeter (re.), Geschäftsführer von Vaillant, welche Teile der Anlage in den nächsten Monaten getestet werden.
Stephan Klosterkamp (Mitte), Geschäftsführer von Primagas, erklärt Carsten Hahn (li.), Beigeordnetem der Stadt Wilsdruff und Dr. Tillmann von Schroeter (re.), Geschäftsführer von Vaillant, welche Teile der Anlage in den nächsten Monaten getestet werden. © Karl-Ludwig Oberthür

Sachsens Regierungschef erklärt, dass auch er die Energie- und Wärmewende wolle. Allerdings dürfe der Staat nicht die Technologien definieren. "Er muss den Rahmen vorgeben", so Kretschmer. Das Ziel sei CO2-Vermeidung. Die Umsetzung sollte man Ingenieuren, Handwerkern und Technikern überlassen. Sie sollen dafür sorgen, dass neue Anlagen funktionieren und möglichst wenig kosten. Wenn das gelingt, werden es viele Menschen nutzen.

Futuria DME (Dimethether)

  • Futuria DME (Dimethether) ist ein farbloses Gas, das sich bei geringem Überdruck verflüssigt. Dimethether wird zurzeit in Spraydosen als Treibmittel genutzt.
  • Das Gas kann vollständig aus regionalen Rest- und Abfallstoffen hergestellt werden, so aus Biomasse, Forst- und Grünabfällen.
  • Gegenüber bisherigen fossilen Energieträgern hat DME eine bis zu 85 reduzierte CO2-Bilanz.
  • Nach dem Gebäudeenergiegesetz ist es eine anerkannte erneuerbare Energie (gasförmige Biomasse).
  • Das Gas kann mit Lkws und mit der Bahn transportiert werden.
  • Die Lagerung ist problemlos möglich. Es kann zum Heizen, Kochen und als Treibstoff verwendet werden. (Quelle: Primagas)

Die Energiewende werde dann auch nicht als Bedrohung wahrgenommen. Das Biogas werde es Menschen ermöglichen, ihre Anlagen zu vertretbaren Kosten zu sanieren. "Ich freue mich, dass dieser Impuls von Sachsen ausgeht, ein Land der Ingenieure, der Tüftler." Kretschmer setze große Hoffnungen in das Vorhaben. "Damit kam man ein neues Wirtschaftsfeld eröffnen."

Ähnlich argumentierte Dr. Tillmann von Schroeter, Geschäftsführer des Heiz-, Lüftungs- und Klimatechnik-Herstellers Vaillant: "Für eine nachhaltige, klimaneutrale und soziale Wende haben wir nur eine Option und zwar alle Optionen zu nutzen. Sonst wird es viel, viel zu teuer." Deshalb sollte man auf dezentrale Energieerzeugung und unterschiedliche Energiequellen wie Wind, Sonne und eben Biogas setzen.

Carsten Hahn, Beigeordneter der Stadt Wilsdruff, freute sich, dass die Testanlage im Gewerbegebiet Kesselsdorf entstanden ist. Dieses sei das erste und damals größte Gewerbegebiet, das in Sachsen nach dem Mauerfall entstanden ist. Heute gibt es hier rund 1.000 Arbeitsplätze. Davon habe Kesselsdorf profitiert. Damals wohnten hier knapp 700 Menschen, heute sind es 3.500. "Das ist eine sehr gute Entwickelung", so Hahn. "Hier gibt es viele Menschen, die Energie haben." Deshalb sei die Innovation hier richtig.

Damit Verbraucher das neue Gas auch nutzen können, sind noch Tests notwendig. Futuria DME und Flüssiggas sind sich chemisch sehr ähnlich, wirken auf die Materialien unterschiedlich. Das neue Gas ähnelt dem Treibstoff E10, es ist ein wenig "aggressiver", erklärt Primagas-Sprecher Andreas Servatius. In Kesselsdorf möchte Primagas herausfinden, wie Regler, Ventile und Leitungen auf das neue DME reagieren. Dafür habe man mehrere Partner aus der Heizungs- und Flüssiggasbranche gewinnen konnte, so auch Vaillant. Das Unternehmen hat ebenfalls einen Sitz in Kesselsdorf.

Andreas Servatius von Primagas zeigt eine der drei Thermen, die zur Testanlage gehören. Im Kasten rechts laufen die Testergebnisse zusammen.
Andreas Servatius von Primagas zeigt eine der drei Thermen, die zur Testanlage gehören. Im Kasten rechts laufen die Testergebnisse zusammen. © Karl-Ludwig Oberthür

Um das neue Gas zu testen, wurden drei Heizungsanlagen inklusive Tank und Gastherme mit verschiedenen Flüssiggas- und Futuria DME-Mischungen befüllt. Eine Testanlage wurde mit 80 Prozent Flüssiggas und 20 Prozent DME, die zweite mit 65 Prozent Flüssiggas und 35 Prozent DME und die dritte komplett mit dem Biogas befüllt.

Die Anlagen werden nun weiterentwickelt und für den Betrieb mit DME tauglich gemacht. Ende 2024 soll der Test, der von einem Prüfinstitut begleitet wird, abgeschlossen werden. Dann sollen zertifizierte Anlagen auf den Markt kommen. Und der ist groß: In Deutschland werden über 600.000 Haushalte mit Propangas beliefert.