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SZ + Dresden

Unter einem Zirkuszelt: Wie läuft es zwischen russischen und ukrainischen Künstlern?

Die Show "Sterne der Artistik" gastiert in Dresden mit internationalen Stars - darunter auch Russen und Ukrainer. Wirkt sich der politische Konflikt auf die Stimmung im Team aus?

Von Christoph Pengel
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Sofiia Tkachuk, Daria Nikitina, Olena Vykhovanets, Olga Vasilyeva, Dana Karpovicek (von links). Die ukrainischen und russischen Akrobatinnen arbeiten zusammen.
Sofiia Tkachuk, Daria Nikitina, Olena Vykhovanets, Olga Vasilyeva, Dana Karpovicek (von links). Die ukrainischen und russischen Akrobatinnen arbeiten zusammen. © Sven Ellger

Dresden. Der Albtraum beginnt mit einem Anruf. Früh am Morgen klingelt an jenem Tag das Handy von Sofiia Tkachuk. "Schläfst du?", fragt der Anrufer, ein Freund aus den USA. "Ja", sagt sie, worauf er sagt: "Dann wach auf." Es ist der 24. Februar, der Donnerstag, an dem Russland in die Ukraine einfällt. Sofiia liest die ersten Nachrichten - und kann es nicht glauben. Während sie auf Zirkusreise ist, wird ihr Heimatland bombardiert.

Sofiia sitzt in einem Zirkuszelt in Dresden, während sie ihre Geschichte erzählt. Regen fällt aufs Dach. Tyson, ein kleiner, brauner Hund, wuselt durch die Manege. Der erste Kriegstag liegt nun mehr als fünf Wochen zurück. Mit der rechten Hand umklammert Sofiia (23) ein Bierglas, sie hat ihre Fingernägel blau-gelb lackiert. Neben ihr: Dana Karpovicek (23) und Olena Vykhovanets (17). Die drei stammen aus der Ukraine und bilden zusammen "Three G", eines der Akrobatik-Teams, die seit dem 31. März an der Pieschener Allee auftreten.

Die Show nennt sich „Sterne der Artistik – Next Level Pandora“. Unter dem blau-gelben Zelt treffen Künstler aus verschiedenen Nationen zusammen - neben Ukrainerinnen auch Russen. Was fühlen die Artisten angesichts der Bilder aus dem Kriegsgebiet? Und wie wirkt sich der politische Konflikt auf die Zusammenarbeit aus?

"Wir hoffen, dass alles bald vorbei ist"

"Es ist so schmerzhaft, so unfair, so grausam", sagt Sofiaa auf Englisch, wenn sie über den Krieg redet. Vor allem die Bilder aus Butscha, wo russische Soldaten ein Massaker an Zivilisten angerichtet haben sollen, wühlen sie auf. Noch wütender macht sie, dass Russland die Vorwürfe - trotz vieler Indizien - bestreitet. Dana, ihre Kollegin, streicht ihr ein Haar aus dem Gesicht. Vor allem in der ersten Kriegswoche sei es ein komisches Gefühl gewesen, auf der Bühne zu stehen, während sie nicht wussten, was zuhause gerade passiert, erzählt sie.

"Mit jedem Tag wächst der Hass zwischen Russen und Ukrainern", sagt Sofiia. Aber im Zirkusteam sei davon nichts zu spüren. Im Gegenteil. Die russischen Künstler, so Sofiia, machen sich Sorgen und fragen regelmäßig bei den ukrainischen nach, wie es ihren Familien geht. Sofiias Eltern leben in Lutsk, einer Stadt in der Westukraine. Dort wurde im März ein Militärflughafen angegriffen. Ihre Mutter sei im Augenblick der Explosionen in der Nähe gewesen, aber zum Glück nicht verletzt worden. Die Familie habe sich entschieden in der Stadt zu bleiben. "Sie müssen arbeiten", sagt Sofiia.

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Es gibt keine Spannungen zwischen den russischen und ukrainischen Künstlern in Dresden. Frieden in der Manege? So sehen das Olga Vasilyeva (33) und Daria Nikitina (26). Die beiden Frauen stammen aus Russland. Bei den Auftritten an der Pieschener Alle führen sie waghalsige Drehungen und andere Kunststücke an einem durch die Luft schwebenden Ring auf.

Was derzeit in der Ukraine passiere, sei weder gut für ihr Land noch für irgendjemand sonst, sagen sie. Zumal auch sie Freunde in der Ukraine haben, mit denen sie nun oft telefonieren. Angesichts der vielen Nachrichten - Facebook, Telegramm, Fernsehen - fällt es ihnen manchmal jedoch schwer, zu entscheiden, was wahr ist und was falsch. "Wir hoffen, dass das alles bald vorbei ist", sagen sie.

Akrobatinnen bei einer Performance am Ring.
Akrobatinnen bei einer Performance am Ring. © Sterne der Artistik

"Ich bin stolz, Ukrainerin zu sein"

Sofiia Tkachuk, die Akrobatin aus der Ukraine, hofft, dass sie, trotz allem, die Zuschauer mit ihrer Kunst berühren kann. Sobald sich die Lage verbessert, will sie zurück in die Heimat. "Ich bin stolz, Ukrainerin zu sein - mehr als je zuvor", sagt sie.

Noch aber wird sie in Dresden auftreten. Bis zum 1. Mai können die Shows im blaugelben Zelt an der Pieschener Alle besucht werden. Ein Teil der Einnahmen soll direkt an die ukrainischen Künstler fließen. Ein weiterer Teil an "Lichtblick", die Stiftung der Sächsischen Zeitung.

Am ersten Show-Wochenende kamen etwa 250 Gäste. "Die Leute sind noch zurückhaltend", sagt Veranstalter Denny Renz. Doch nun wurden die Corona-Regeln gelockert. Sie alle hoffen.

Die Aufführungen beginnen mittwochs bis freitags 19 Uhr. Samstags gibt es Vorstellungen um 15 und 19 Uhr, sonntags 11 und 15 Uhr. Tickets gibt es online oder an der Theaterkasse ab 14 Uhr. Sie kosten zwischen 26 und 49 Euro. Bis nächste Woche Dienstag gilt ein Sonderangebot an der Theaterkasse: Wer das Stichwort "Sächsische Zeitung" sagt, erhält 20 Prozent Rabatt.


www.sternederartistik.de