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OB Hilbert: "Dies wird kein Sprint, sondern mindestens ein Mittelstreckenlauf"

Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) spricht im SZ-Interview über die Herausforderung bei der Unterbringung von Ukraine-Geflüchteten und über den Antragsstau bei den Behörden.

Von Julia Vollmer & Dirk Hein
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"Wir engagieren uns stärker als andere Kommunen", sagt Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) im SZ-Interview.
"Wir engagieren uns stärker als andere Kommunen", sagt Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) im SZ-Interview. © Sven Ellger

Herr Hilbert, Sie rechnen bis Ende April mit rund 8.000 Geflüchteten, die in Dresden untergebracht werden müssen. Turnhallen und Messe sollen nur eine Zwischenlösung sein. Wo wollen Sie die Menschen unterbringen?

Eines muss man voranstellen: Dresden bringt im Augenblick die meisten Geflüchteten im Freistaat unter, wir engagieren uns am stärksten unter den sächsischen Kommunen. Natürlich ist die Unterbringung in Wohnungen grundsätzlich unser Ziel. Aktuell sind nur 29 Geflüchtete in städtischen Wohnungen untergebracht, fast 4.000 in privaten Unterkünften. Wir schauen aktuell nach Alternativen, wie wir die Unterbringung absichern können, weil ja viele private Vermieter auch nicht endlos Menschen beherbergen können.

Was sind die Alternativen?

Die Vonovia hat uns schon rund 200 Wohnungen zur Verfügung gestellt. Schon 2015 und 2016 war das Unternehmen unser wichtigster Partner bei der Unterbringung. Einzelne Angebote kamen auch von den Genossenschaften. Wir sind sehr dankbar für die Zimmer, die die Dresdner Hotels so schnell und unkompliziert zur Verfügung gestellt haben. Aber nun steht das Ostergeschäft vor der Tür.

Das heißt, die Verträge mit den Hotels laufen aus?

Ja, einige sind schon Ende März ausgelaufen und wir suchen jetzt weiter nach Unterbringungsmöglichkeiten.

Sie haben am Donnerstag angekündigt, mehrere Hotels in Gänze anzumieten. Gibt es auch Pläne, weitere Gemeinschaftsunterkünfte anzumieten?

Ja, neben den Hotels, die wir anmieten, wollen wir dem Stadtrat auch vorschlagen, Objekte wie an der Blasewitzer Straße und an der Ludwig-Hartmann-Straße in Betrieb zu nehmen. Wir müssen laut den derzeitigen Prognosen mit bis zu 10.000 bis 12.000 Menschen rechnen, die wir in Summe unterbringen sollen.

Erleben Sie von der Hotelbranche eine größere Bereitschaft, Geflüchtete unterzubringen als 2015, wo es immer wieder Diskussionen gab?

2015 war die Situation wesentlich komplexer, weil Menschen unterschiedlicher Nationalitäten zu uns kamen, die teilweise auch untereinander ihre eigenen Konflikte mitgebracht haben. Jetzt kommen Frauen und Kinder nicht nur, aber vor allem aus der Ukraine. Wenn wir ganze Hotelkomplexe anmieten, hat das auch den Vorteil, dass wir damit über Konferenzräumlichkeiten verfügen. Die wollen wir für Sprachkurse und Beratungsangebote nutzen.

Die Unterbringung und Betreuung der Geflüchteten bringt auch Kosten mit sich. Zuletzt gab es Diskussion darüber, wer etwa die Kosten für etwa die Sanierung und Möblierung von Wohnungen trägt. Zahlt das die Stadt?

Das hängt natürlich von den jeweiligen Verträgen mit den Immobilienbesitzern ab, aber ich gehe davon aus, dass einen erheblichen Teil die Stadt Dresden tragen wird. Aber Dresden will sicherer Hafen sein und niemand soll auf der Straße schlafen müssen. Ich erwarte auch, dass wir einen gewissen Ersatz unserer Kosten vom Bund und dem Freistaat zurückbekommen, da wir mit den Turnhallen und der Messe auch Erstaufnahmeeinrichtungen waren, was eigentlich Aufgabe des Freistaates ist.

Bildungsbürgermeister Jan Donhauser kündigte vergangene Woche an, die Stadt prüft eine Zeltstadt an der Freiberger Straße. Wie ist da der aktuelle Stand?

Wir sind in der Vorbereitung der einer Zeltstadt, um Turnhallen für den Schul- und Vereinssport wieder freizugeben. Allerdings immer unter der Maßgabe, dass wir Turnhallen wieder belegen müssen, sollte Geflüchteten-Strom wieder ansteigen. Fakt ist aber auch, dass momentan viele Kommunen solche festen Zeltstädte aufbauen wollen. Der Markt ist leergefegt und deshalb können wir auch keinen Zeitpunkt benennen, wann eine solche Unterbringung möglich ist.

Immer wieder ist von Ukraine-Geflüchteten zu hören, die noch keine Antwort auf ihre Mail an die Ausländerbehörde bekommen haben, um sich zu registrieren. Zuletzt war hier von 1.000 unbeantworteten Mails die Rede. Konnten Sie diesen Antragsstau inzwischen abarbeiten?

Wir arbeiten daran. Aktuell sind von den 5.800 untergebrachten Menschen etwa 3.400 Menschen registriert. Aber unabhängig von der komplizierten ausländerrechtlichen Registration zahlt das Sozialamt Gelder an Geflüchtete aus.

Wurde denn mehr Personal eingestellt, um bei der Bearbeitung der Mails zu helfen?

Ja, das ist passiert. Wir haben massiv Personal zugesteuert und dies vor dem Hintergrund, dass wir ja auch noch Personal zur Pandemiebekämpfung im Gesundheitsamt brauchen.

Laut Landesamt für Bildung gibt es auch einen Antragsstau bei der Anmeldung der ukrainischen Kinder in Dresden für einen Schulplatz. Auch wenn die Schulen hauptsächlich Landessache sind, wie können Sie hier helfen, damit die Kinder schneller in die Schulen integriert werden können?

Wir haben inzwischen 1.100 Anmeldungen ukrainischer Kinder für Dresdner Schulen - auch hier der Höchstwert in Sachsen. Stadt und Freistaat stimmen sich eng ab, an welchen Schulen wir die Kinder aufnehmen können und welches Personal zur Verfügung steht. Aber die Kapazitäten sind nicht unendlich.

Welche Lösungsvorschläge haben Sie?

Wir werden jetzt den Standort am Höckendorfer Weg nur für Klassen mit ukrainischen Kinder eröffnen und das Lehrpersonal soll sich auch aus der ukrainischen Community füllen.

Zwölf neue Stellen, verteilt auf vier Träger, haben Sie auch in der Flüchtlingssozialarbeit geschaffen. Träger wie der Ausländerrat waren aber auch schon vor dem Ausbruch des Krieges sehr gut ausgelastet. Reichen diese zwölf Stellen?

Man muss mehr in das Assistenzsystem für die geflüchteten Menschen hineingeben, das ist richtig. Wir müssen aber auch in den bestehenden Angeboten mehr Prioritäten setzen. Auch wir in der Verwaltung stellen wegen Corona und des Krieges gerade andere Sachen zurück, um uns dem zu widmen.

Was heißt das konkret?

Im Augenblick gibt es zum Beispiel intensive Runden zwischen dem Jugendamt und den freien Trägern, um genau diese Fragen zu klären. Ich bin ein großer Fan davon, mehr mit den Communities, also den Menschen, die in Dresden schon leben, zusammenzuarbeiten. Das tun wir zum Beispiel als Rathaus mit dem ukrainischen Koordinationszentrum. Wir können nicht alles staatlich organisieren. Ich prognostiziere: Dies wird kein Sprint, sondern mindestens ein Mittelstreckenlauf. Deshalb hoffe ich sehr, dass die unglaubliche Hilfsbereitschaft der Dresdnerinnen und Dresdner noch lange anhalten wird.