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SZ + Weißwasser

„Unser Daubitz ist wunderschön“

Sieben Orte aus dem Kreis Görlitz bewerben sich beim Wettstreit „Unser Dorf hat Zukunft“. SZ hat sie besucht, um herauszufinden, was die Dörfer lebenswert macht. Heute: Daubitz.

Von Sabine Larbig
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Anna Enders und Daniel Junge sind im Karnevalsverein aktiv, der mit der Westernstadt ganzjährig für Feste, Besucher, gute Laune und Zusammenhalt sorgt. Gemäß dem Motto: Wir lieben Daubitz!
Anna Enders und Daniel Junge sind im Karnevalsverein aktiv, der mit der Westernstadt ganzjährig für Feste, Besucher, gute Laune und Zusammenhalt sorgt. Gemäß dem Motto: Wir lieben Daubitz! © Sabine Larbig

Eingebettet in die flache, weite, moorige Wald- und Teichlandschaft zwischen Weißwasser und Niesky, durchzogen von Rad- und Wanderwegen, liegt Daubitz. Auf den ersten Blick ein ruhiges, adrettes Dorf, durch das sich eine Baumallee und ein idyllischer, flussähnlicher Dorfgraben ziehen, Über 20 Brücken unterschiedlicher Form, Farbe und Bauart spannen sich über das Gewässer, in dem sich Enten und Gänse tummeln. Die neugierigen Tiere begrüßen jeden Besucher, watscheln öfters auf der Dorfstraße und stoppen so den dortigen Verkehr. Es ist nicht die einzige Überraschung, mit der Daubitz aufwartet.

So zeugen einstige Herrschaftshäuser, Schlösser und Gutshöfe, umgeben von hübschen Häusern mit gepflegten Gärten und teils begrünten Fassaden, davon, dass der 1346 erstmals urkundlich erwähnte Ort einst reich und ein wirtschaftliches Zentrum war. Die dadurch entstandene Architektur verleiht Daubitz ein besonderes Flair, das an englisches Landleben erinnert.

Ländlich und bizarr mondän ist Daubitz durchaus, verschlafen und der Zeit entrückt nicht. Obwohl es nur noch knapp 600 Einwohner hat, pulsiert das Dorfleben. Das liegt nicht nur daran, dass es immer mehr junge Familien nach Daubitz zieht, weshalb sich Kita und Grundschule im Ort hielten, sie voll belegt und in historischen sanierten Gebäuden untergebracht sind; Schulbusse, ein neuer Abenteuerspielplatz und Kinderlachen prägen den Ortskern. Anzutreffen sind hier auch Touristen, die zu Fuß, per Rad, Pferd oder Auto in den Ort kommen, um ihn zu entdecken. Daubitz hat durch seine Geschichte viele Sehenswürdigkeiten zu bieten. Die reichen vom Gewandhaus mit Schulmuseum über die Kirche, das Kaiser-Wilhelm-Denkmal – heute Denkmal der Deutschen Einheit – bis zur Westernsiedlung mit Bisongehege. Es ist die Forest Village Ranch in Walddorf.

Lothar Bienst, Lothar Höfchen und Johannes Lehmann (von links) sind Urgesteine und aktive Mitgestalter in Daubitz.
Lothar Bienst, Lothar Höfchen und Johannes Lehmann (von links) sind Urgesteine und aktive Mitgestalter in Daubitz. © Sabine Larbig

.Diese Attraktionen, viele Vereine und Veranstaltungen und eine sichtbare kontinuierliche Dorfentwicklung sind der engagierten Dorfgemeinschaft zu verdanken. Mit Ideen und Enthusiasmus machte sie Daubitz attraktiver, liebens- und lebenswerter. „Die Daubitzer lieben ihr Dorf“, begründen Anna Anders (26) und Daniel Junge (44). Während Daniel Junge waschechter Daubitzer ist und noch immer mit seiner Familie hier lebt, ist Anna Anders zugezogen, aber seit ihrer Kindheit mit Daubitz verbunden. Das liegt am örtlichen Karnevalsverein – mit rund 100 Mitgliedern der größte im Ort und Bindeglied im Dorf. Die Karnevalisten beleben Daubitz nicht nur zur Saison, sondern engagieren sich, wo sie können. Mit ihrer Mitte der 1990er Jahre gegründeten und zur Stadt gewachsenen Westernsiedlung ziehen sie ganzjährig Besucher an. Zum einen, weil die Stadt und die dortigen Bisons jederzeit besichtigt werden können. Zum anderen, weil die Karnevalisten hier fast monatlich für Veranstaltungen sorgen, ganzjährig sichern sie sonn- und feiertags von 13 bis 18 Uhr den Ausschank ab, weil es von den einst vielen Gaststätten im Ort keine mehr gibt. Dass die Ranch aus einer Whiskey-Laune heraus nach einer westernmäßigen Saison entstand, ist angesichts der heutigen Größe und Ausstattung kaum zu glauben. Vor allem das jährliche dreitägige Countryfest mit Stars und über achttausend Gästen aus beeindruckt. „Etwas verrückt muss man schon sein, aber es macht Spaß“, meint Karnevalist Daniel Junge. Beruflich ist er als Brückenbauingenieur deutschlandweit unterwegs, in der Freizeit engagiert er sich nicht allein als Präsident vom Elferrat für ein abwechslungsreiches Dorfleben. Durch die Ranch, wo gleichfalls andere Vereine des Ortes auftreten und Sportturniere stattfinden, haben die Karnevalisten allerdings kaum noch Pausen. „Wir hängen die Narrenkappe an den Haken, setzen den Cowboyhut auf und umgekehrt“, verrät Daniel Junge. Doch anders wolle er es nicht und einen Wegzug könne er sich ebenfalls nicht vorstellen. „Ich bin froh, in Daubitz leben zu können und dass meine Kinder hier unbeschwert und behütet groß werden.“

Ein Fest sticht besonders heraus

Als „Dorfkind“ outet sich auch Anna Anders freiwillig. „Eine Großstadt käme für mich nicht in Frage. Ich habe in Daubitz alles, was ich brauche. Das Dorf ist aufregend genug für mich“, meint die junge Frau. Mit Daniel Junge und anderen Mitgliedern vom Karnevalsverein brachte sie die Bewerbung für den Dorfwettbewerb auf den Weg: „Um anderen zu zeigen, wie schön unser Daubitz ist.“ Wenn ihr Ort gewinnen sollte, wäre es toll, meint sie. Immerhin winkt dem Sieger ein Geldpreis, der weitere Verbesserungen im Ort ermöglichen würde. Denn trotz aller Erfolge und Entwicklungen in Daubitz gibt es noch Schattenseiten, wie jüngst eine Bürgerwerkstatt zeigte. Ein gepflegterer Dorfgraben, ein Entwicklungskonzept, mehr Wohn- und Baumöglichkeiten, eine Dorfkneipe, die Sanierung letzter Ruinen kristallisierten sich als Wünsche heraus.

Ein Wettbewerbssieg wäre da hilfreich, wissen die Daubitzer aus Erfahrung, als sie 1997 beim Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ überzeugten. Mit der Siegprämie als Startkapital konnten damals alle Brücken über den Dorfgraben, einige Seitenstraßen und die 1,8 Kilometer lange Dorfstraße grundhaft ausgebaut sowie Radwege befestigt werden. „Dazu hätten wir sonst nie die Chance gehabt und wir profitieren, bis zum Radtourismus, noch heute davon“, erklärt Johannes Lehmann, einer der Gründerväter des Karnevalsvereins, einstiger Ortschaftsrat und noch immer aktiver und engagierter Einwohner. Umso mehr bedauert der 71-Jährige, dass es bei der Wettbewerbsbewerbung 2017 nicht erneut mit einem Sieg seines Geburts- und Heimatortes klappte. Aber er ist stolz, dass aus dem schrumpfenden Dorf, wo die Jugend einst in Scharen wegzog, wieder ein Ort wurde, dessen Entwicklung neue Hoffnung gemacht habe.

Viele im Ort packen mit an

Das gelte, so Lehmann, nicht nur für dörfliche Vereine, die es geschafft hätten, „aus eigener Kraft, Initiative, selbst erwirtschafteten Mitteln“ zu überleben und zu wachsen, sondern ebenso für mit Bürgerengagement sanierte und belebte Ruinen.

Als Beispiel nennt er das 1856 erbaute, denkmalgeschützte Gewandhaus. Als Daubitz noch großer Marktort war, diente das Gebäude Tuchhändlern als Ausstellungsort für Kleidung (Gewänder). Heute sind im Haus ein Schulmuseum, betreut vom Heimatverein, öffentliche und mietbare Räume für Feste und Veranstaltungen jeder Art, der Karnevals- und Heimatverein sowie der Männerchor „Schlesische Schwälbchen“ unter einem Dach. Seit wenigen Jahren saniert, nicht zuletzt durch den Einsatz und die Hartnäckigkeit des Kirchbauvereins, ist gleichfalls die evangelische St.-Georgs-Kirche. Das 1916 eingeweihte Gotteshaus, die dritte Kirche an gleicher Stelle, beherbergt wunderbare Fresken, Epitaphen, eine Orgel mit über 100 Pfeifen, ist Blickfang und Stolz der Einwohner. Gefeiert wird hier auch: Das St.-Georg-Fest mit Gottesdienst, eigener Hymne, Fahne und Familienprogramm im Pfarrgarten; das Hubertusfest mit Jagdhornbläsern und Männerchor; die Adventsmusik und seit Kurzem ein Weihnachtsmarkt vor der Kirche, den eine Gruppe junger Daubitzer in Eigenregie organisiert.

Fünf Dinge, die man in Daubitz gesehen haben muss

Die Kirche: Die evangelische St.-Georgs-Kirche ist 108 Jahre alt, hat wunderschöne Malereien und Fresken des schlesischen Malers Joseph Langer und ist jederzeit zu besichtigen.
Die Kirche: Die evangelische St.-Georgs-Kirche ist 108 Jahre alt, hat wunderschöne Malereien und Fresken des schlesischen Malers Joseph Langer und ist jederzeit zu besichtigen. © Sabine Larbig
Der Spielplatz: Der Wasserspielplatz im Ortskern mit Bänken, Grünanlage und Pavillon ist Treffpunkt für alle Generationen – auch durch Fleischer, Bäcker, Eisverkauf im Umfeld.
Der Spielplatz: Der Wasserspielplatz im Ortskern mit Bänken, Grünanlage und Pavillon ist Treffpunkt für alle Generationen – auch durch Fleischer, Bäcker, Eisverkauf im Umfeld. © Sabine Larbig
Die Bisons
Seit 2005 gibt es den Bisonzuchtverein. Eine Herde mit 35 Tieren lebt ganzjährig auf den Wiesen der Westernstadt Forest-Village-Ranch. Beides ist öffentlich zugänglich.
Die Bisons Seit 2005 gibt es den Bisonzuchtverein. Eine Herde mit 35 Tieren lebt ganzjährig auf den Wiesen der Westernstadt Forest-Village-Ranch. Beides ist öffentlich zugänglich. © Sabine Larbig
Das Gewandhaus
Im sanierten und denkmalgeschützten Gebäude ist auch das Schulmuseum. Das kann von April bis September je sonn- und feiertags 14–16 Uhr besichtigt werden.
Das Gewandhaus Im sanierten und denkmalgeschützten Gebäude ist auch das Schulmuseum. Das kann von April bis September je sonn- und feiertags 14–16 Uhr besichtigt werden. © Sabine Larbig
Die Hufeisenulme
Sie ist geschätzte 350 bis 450 Jahre alt, steht im Hof vom Ulmenhof und ist eine dendrologische Sensation und gilt als einer der ältesten und schönsten Bäume Deutschlands.
Die Hufeisenulme Sie ist geschätzte 350 bis 450 Jahre alt, steht im Hof vom Ulmenhof und ist eine dendrologische Sensation und gilt als einer der ältesten und schönsten Bäume Deutschlands. © Sabine Larbig

„Die Kirche ist eine der schönsten im Umfeld mit wunderbarer Akustik und parkähnlichem Umfeld, das übrigens Einwohner ehrenamtlich pflegen“, schwärmt Johannes Lehmann. Überhaupt, sagt er, seien Kirche und Kirchgemeinde einst wie heute ein Zentrum der Dorfgemeinschaft und des Dorflebens. Deshalb ist die örtliche Kita „St. Georg“ auch in Trägerschaft der Kirchgemeinde sowie das alte Pfarrhaus saniert und mit einem Gemeindesaal ausgestattet worden. Nur sorbischsprachige Gottesdienste oder sorbische Trachten, wie einst, finden sich nicht mehr in Daubitz. „Tracht tragen nur noch die ‚Schlesischen Schwälbchen‘, obwohl die Festkleidung heißt“, scherzt Lothar Bienst, einer der 25 Sänger sowie Vorsitzender vom Gemeindekirchenrat und Karnevalist. Auch er bekennt: „Ich wäre nie irgendwo anders hingezogen. Ich musste mit der Familie wegen der Wohnungsnot zwar mal nach Weißwasser. Doch es war klar, dass wir zurückziehen“.

Ans Herz gewachsen ist Daubitz ebenfalls Lothar Höfchen. Der Elektriker kam einst durch Heirat der Bäckerstochter in den Ort, erlernte hier das Bäckerhandwerk, übernahm später den Familienbetrieb, den nun die Tochter führt. Da die Bäckerei mit rund 50 Mitarbeitern in mehreren Filialen und Verkaufswagen noch heute der größte Arbeitgeber der Gemeinde Rietschen ist, Lothar Höfchen den Daubitzern Einkaufsmöglichkeiten im Ort erhielt, die Bäckerei Vereine, Einrichtungen und Dorfaktivitäten unterstützt und der Ruheständler selbst noch vielfältig aktiv ist, trägt der Platz im Dorfzentrum zu seinen Ehren offiziell Namen „Bäckers Plätzchen“. Diese Form des Dankes entspricht der Lebenseinstellung von Lothar Höfchen: „Wohlfühlen hängt maßgeblich mit den Menschen zusammen – wie offen, fleißig und engagiert alle sind.“ Und weil man in Daubitz eine Gemeinschaft sei, sich kenne und helfe, sei Wohlfühlen kein Problem.

Enten und Gänse auf dem Dorfgraben sind die heimlichen Stars im Dorf, blockieren aber gerne mal den örtlichen Verkehr.
Enten und Gänse auf dem Dorfgraben sind die heimlichen Stars im Dorf, blockieren aber gerne mal den örtlichen Verkehr. © Sabine Larbig

Das scheint selbst für Bäume zu gelten. Im Hof vom ehemaligen herrschaftlichen Berndtschen Anwesen steht eine rund 400-jährige Hufeisenulme. Die dendrologische Rarität, die Kriege, Dürren, Hochwasser und Blitzeinschläge überlebte, steht im Bundesbaumkataster und gilt als eine der ältesten und schönsten Bäume Deutschlands. Daneben eine weitere Besonderheit: die Biogasanlage. Als der Einsatz erneuerbarer Energien noch nicht Gebot der Stunde war, wurde sie errichtet, Einwohner und Abnehmer gründeten eine Genossenschaft. Es gibt noch viele Erfolgsgeschichten. Die Beeindruckendste aber ist, dass die Daubitzer ihre Liebe zum Dorf leben.