Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Weißwasser

OB-Wahl in Weißwasser: Das ist Kandidatin Katja Dietrich

Am 1. September wird in der Stadt Weißwasser ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Wir stellen die drei Bewerber vor. Heute: Katja Dietrich (parteiunabhängig).

Von Constanze Knappe
 7 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Als ihren Lieblingsplatz in Weißwasser bezeichnet OB-Kandidatin Katja Dietrich den Braunsteich. Da müsse sie gar nicht lange überlegen, sagt sie als „bekennender Wassermensch“, wie sie sich selbst bezeichnet.
Als ihren Lieblingsplatz in Weißwasser bezeichnet OB-Kandidatin Katja Dietrich den Braunsteich. Da müsse sie gar nicht lange überlegen, sagt sie als „bekennender Wassermensch“, wie sie sich selbst bezeichnet. © Constanze Knappe

In Weißwasser sei es höchste Zeit für eine Frau auf dem Chefsessel im Rathaus, findet Katja Dietrich. Und das nicht nur theoretisch, sie möchte selber Nägel mit Köpfen machen. Die 43-Jährige kandidiert als parteiunabhängige Kandidatin zur OB-Wahl.

Geboren und aufgewachsen ist sie in Dresden. Doch Braunkohle gehörte schon immer auch zu ihrem Leben, da ihre Großeltern im Mitteldeutschen Braunkohlerevier lebten. Nach dem Abitur studierte sie in Aachen Wirtschaftsgeografie, kombiniert mit Stadtbauwesen, Stadtverkehr und Volkswirtschaftslehre.

Mehrere Jahre arbeitete sie als Entwicklungshelferin in Malawi, danach als Mitarbeiterin der Vereinten Nationen von 2011 bis 2017 in Kenia, dann als Projektleiterin im Irak. Nach der Rückkehr aus dem Ausland wollte sie unbedingt wieder nach Sachsen. Anderthalb Jahre war sie im Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung der Stadt Leipzig beschäftigt.

Aus eigenem Erleben weiß sie, „wie schwer es ist, sich selber einen neuen Lebens- und Wirtschaftsraum zu schaffen“. Als sich eine Stelle bei der Sächsischen Agentur für Strukturentwicklung GmbH (SAS) bot, griff sie zu. Bei der Beratung und Begleitung von Kommunen im Strukturwandel bringt sie ihre Kenntnisse und praktischen Erfahrungen in die Entwicklung ganzheitlicher Lösungen ein.

Dietrich will Oberbürgermeisterin für alle Bürger sein

Seit zwei Jahren lebt sie in Weißwasser. Um sich zu integrieren, habe sie von Anfang an Kontakte gesucht. „Weißwasser ist eine Macherstadt“, stellte sie dabei fest. Es gebe nicht so viele Städte, wo Leute binnen vier Monaten ein dreitägiges Stadtfest auf die Beine stellen, noch dazu ehrenamtlich. Das habe sie sehr beeindruckt. Dieses Potenzial möchte sie im Falle ihrer Wahl zur Oberbürgermeisterin unbedingt nutzen.

Um sich politisch zu engagieren, trat sie 2022 in Leipzig in die SPD ein. Im Frühjahr 2023 wählte sie der Ortsverband Weißwasser und Umgebung zu seiner Vorsitzenden. Am 9. Juni 2024 wurde sie für die SPD in den Stadtrat gewählt. Doch für das Amt des OB bewirbt sie sich ganz bewusst als parteiunabhängige Kandidatin. Denn Katja Dietrich möchte eine Oberbürgermeisterin für alle Bürger der Stadt Weißwasser sein. Damit dies nicht als Floskel erscheint, ruht ihr Vorsitz im SPD-Ortsverband seit dem 2. Juli.

Selbstverständlich habe sie sich im Vorfeld ihrer Entscheidung für eine Kandidatur intensiv mit dem Thema beschäftigt. „Ich hätte es nicht gemacht, wenn ich nicht so einen großen Zuspruch aus verschiedensten Gruppen der Stadt erfahren hätte“, sagt sie. Um sich voll und ganz dem Wahlkampf zu widmen, aber vor allem einen Eindruck von den Menschen in Weißwasser zu erhalten, hat sie sich unter anderem für einen Monat unbezahlt freistellen lassen. Dass sie nicht schon immer in Weißwasser lebt, sieht sie als Vorteil an. Somit sei sie nicht in Strukturen eingebunden, „was nicht schlecht sein muss, aber hinderlich sein kann“, wie sie findet.

Als ihre Stärken benennt die OB-Kandidatin, dass sie aus 15 Jahren Berufserfahrung als Stadtplanerin viel Fachwissen mitbringt, gut zuhören und sich gut in andere hineinversetzen kann, dass sie unvoreingenommen eine gewisse Neutralität mitbringt. Als ihre Schwäche bekennt sie, kein Morgenmensch zu sein. Vielleicht sei es auch ein kleiner Nachteil, dass sie als Außenstehende manches emotionale Thema nicht so nachvollziehen kann, meint sie. Auch deshalb sind ihr der Kontakt mit den Bürgern und das Zuhören so wichtig.

Änderungen in Verwaltung wären gut

Oberbürgermeisterin von Weißwasser möchte Katja Dietrich werden, weil sie gerne gestaltet und versucht, Lösungen zu finden. „Ich weiß aber auch, dass wir ein paar große Brocken vor uns haben“, sagt sie. Zuallererst verweist sie da auf die Kommunikation zwischen Rathaus und Bürgern, die dringend gänzlich neu gestaltet werden müsse. Die Website der Stadt sei ein Desaster und auch sonst könne man die Bürger nicht tagesaktuell erreichen. Da müsse digital mehr getan werden. Um die Älteren mitzunehmen, könne sie sich zum Beispiel Aushänge im sanierten Bahnhof vorstellen.

Den Bürgern sei bewusst, dass es in der Verwaltung nicht läuft, das habe sie überrascht, meint Katja Dietrich. Über die genauen Kapazitäten im Rathaus könne sie als Außenstehende noch nicht so viel sagen. Sie weiß aber, dass sich in den 14 Jahren des Amtsinhabers so einiges eingeschliffen hat.

Man habe gemerkt, dass der OB nicht mehr so viel Kraft hat. Es brauche wieder ein Miteinander in der Verwaltung. die auch dazu da sei, engagierten Bürgern bei der Umsetzung ihrer Ideen zu helfen. Sie selber habe digital und sehr kundenorientiert gearbeitet und wisse daher, wie es im Rathaus Weißwasser anders gehen kann, etwa mit flexibleren Arbeitszeiten.

Anders als in den 1990er Jahren biete der Strukturwandel die Chance auf Neues, noch dazu mit Geld und viel Aufmerksamkeit für die Lausitz. Es müsse aber jedem klar sein, dass es dafür nur ein begrenztes Zeitfenster gibt. Die Stadt habe vier Projekte, daran müsse man arbeiten. Allerdings bereitet ihr die ehemalige Ingenieurschule „die größten Bauchschmerzen“. Im Falle ihrer Wahl werde sie sich einsetzen, Weißwasser als Bildungsstandort weiterzuentwickeln, da gehöre die berufliche Zusatzausbildung als ein strategischer Punkt dazu. „Aufgeben sollte man die Idee jedenfalls nicht. Aber ich bin mir nicht sicher, ob wir das jetzt schon schaffen. Vielleicht war der Gedanke noch zu früh“, sagt sie.

Das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (Insek) enthalte viele Maßnahmen. Doch würden ihrer Ansicht nach Zahlen, Daten und Fakten fehlen, ebenso eine Priorisierung. Obendrein sei ihr „völlig unverständlich, dass hier in Sachen Wirtschaftsförderung nicht wirklich was gelaufen ist“. Das sei eine allgemeine Aufgabe und nicht bloß im Strukturwandel wichtig. Um dafür im Rathaus eine Stelle einzurichten, gebe es ein Förderprogramm. Auch würde sie einen Wirtschaftsbeirat gründen.

Dietrich will Image-Debatte anstoßen

Was die Haushaltslage der Stadt angeht, stellt sie die Rekommunalisierung des Wasser- und Abwassergeschäfts keineswegs infrage. Um die Bedeutung der Daseinsvorsorge wisse sie ja aus ihrer internationalen Arbeit in Afrika. Aber, so fügt sie an, „in der Konsequenz daraus fehlen Hunderttausende im Haushalt der Stadt Weißwasser“. Das müsse jeder wissen. Nicht akzeptabel sei aus ihrer Sicht, dass Kommunen für die Strukturwandelprojekte Kredite zur Zwischenfinanzierung aufnehmen müssen, die Zinsen aber nicht erstattet bekommen. Weißwasser braucht langfristig mehr Einnahmen. Um Ausgaben zu reduzieren, engagiert sich Katja Dietrich in der Bürgerenergie-Genossenschaft für Weißwasser. Bei jedem einzelnen kommunalen Objekt müsse man schauen, „wie man die Betriebskosten runter und die Auslastung rauf kriegt“, beschreibt sie die Lage.

Das Durchschnittsalter in Weißwasser liege bei 51 Jahren. Und das werde auch so schnell nicht besser, vermutet die OB-Kandidatin. Dass junge Leute weggehen, findet sie nicht schlimm, schließlich sei sie ja selber weg gewesen. Doch müsse viel stärker herausgearbeitet werden, dass es sich lohnt, zurückzukommen. Die nächsten zehn Jahre werden ihrer Meinung nach entscheidend für die Frage, wohin die Stadt gehen will. „Es gibt ja viele Ideen und Einzelmaßnahmen. Aber es fehlt eine Überschrift, was wir sein wollen. Worauf wir uns fokussieren wollen, ist noch nicht klar“, erklärt sie.

Ob eine Sportstadt oder etwas anderes, dazu würde sie gerne eine Image-Debatte anstoßen. „Bei den Menschen besteht ein großer Wunsch nach einer neuen wirtschaftlichen Identität“, hat sie festgestellt. Diese Frage sei schon länger nicht beantwortet. Und der Kohleausstieg habe das noch zusätzlich befördert.

Als neue Oberbürgermeisterin würde sie sich als Moderatorin zwischen Verwaltung und Stadtrat verstehen. Wie man miteinander umgeht, das habe doch sehr gelitten. In die Zusammenarbeit schließt sie jeden ein, der gewählt wurde. „Die Räte haben sich ja wählen lassen, weil ihnen die Stadt wichtig ist“, begründet sie. „OB zu sein, das ist kein Job, das ist Leidenschaft für die Stadt“, bekräftigt Katja Dietrich. Sie hat sich inzwischen gut eingelebt in Weißwasser, eine Kleinstadt der kurzen Wege, wo man viele Leute aus verschiedenen Perspektiven kennt. Sie ist gekommen, um zu bleiben, möchte hier Wurzeln schlagen.