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SZ + Weißwasser

„Die Stadt braucht eine bessere Kultur im Umgang miteinander“

Am 1. September wird in der Stadt Weißwasser ein neuer Oberbürgermeister gewählt. TAGEBLATT stellt die drei Bewerber vor. Heute: Swantje Schneider-Trunsch (Klartext).

Von Constanze Knappe
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Als ihren Lieblingsplatz in Weißwasser bezeichnet OB-Kandidatin Swantje Schneider-Trunsch das Jahnbad. Es sei ein idealer Erholungsort inmitten der Stadt, findet sie.
Als ihren Lieblingsplatz in Weißwasser bezeichnet OB-Kandidatin Swantje Schneider-Trunsch das Jahnbad. Es sei ein idealer Erholungsort inmitten der Stadt, findet sie. © Constanze Knappe

Gefühlsmäßig sei es ein großes Auf und Ab, so beschreibt Swantje Schneider-Trunsch die vergangenen Wochen. Die 46-Jährige möchte Oberbürgermeisterin in Weißwasser/O.L. werden. Sie findet, dass es mal wieder Zeit für eine Frau in diesem Amt ist – auch, „weil die Menschen der Stadt mehr Feingefühl und Empathie im Umgang miteinander erwarten“. Als Referatsleiterin für Finanzen und Kultur im Rathaus kennt sie die Arbeit und Organisationsstrukturen bestens. Dennoch hat sie sich die Kandidatur nicht leicht gemacht.

Dem Abitur am Gymnasium in Weißwasser folgte eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten. Später war sie als studierte Betriebswirtschaftlerin in Unternehmen tätig. Nach einem zweiten Studium wurde sie 2015 als Diplom-Betriebswirtin Kämmerin der Gemeinde Spreetal und später auch Verwaltungsleiterin. Somit kennt sie die Problemlagen der Gemeinden von Wirtschaftsförderung über Kita bis zu freiwilligen Leistungen nicht nur aus den nackten Zahlen des kommunalen Haushalts. Als Weißwasser die Leitung der Kämmerei ausschrieb, lockte sie die Herausforderung. „In Weißwasser etwas bewirken zu können, hat mich gekitzelt“, lacht sie.

Swantje Schneider-Trunsch ist verheiratet und hat zwei Töchter. Sie lebt mit ihrer Familie in Boxberg, engagiert sich dort als Gemeinderätin. Als 2022 in Boxberg ein neuer Bürgermeister gesucht wurde, sei sie „gedanklich noch nicht soweit gewesen“, erklärt sie rückblickend. Dass die Kinder da noch jünger waren, hielt sie ebenfalls ab.

Nachdem OB Torsten Pötzsch (Klartext) in Weißwasser das Handtuch warf, habe sie mit dem Gedanken an eine Kandidatur gespielt, bekennt sie. So richtig ernst hat sie sich jedoch erst damit befasst, als die Anfrage der Wählervereinigung kam. „Ich habe Klartext im Stadtrat immer als sehr sachlich und engagiert im Sinne der Stadt und der Bürger erlebt“, sagt sie. Swantje Schneider-Trunsch ist zwar selber nicht Mitglied der Wählervereinigung, kann sich den politischen Rückhalt durch Klartext aber sehr gut vorstellen. Hinzu kommt die frühzeitige Unterstützung ihrer Kandidatur durch die CDU. Somit habe sie eine breite demokratische Basis. Zudem hätten viele Unternehmer, Ehrenamtler und andere Bürger sie bestärkt, die ihr das Amt als erste Frau der Stadt zutrauen. „Damit wuchs der Wunsch ‚ich will das‘ und die Überzeugung ‚ich kann das‘ “, erklärt sie. Ihre Familie trägt diese Entscheidung mit. Dass sie in Boxberg wohnt, ist aus ihrer Sicht kein Nachteil. „Man sieht ein bisschen neutraler auf die Dinge“, hat sie die Erfahrung gemacht. Die Entfernung sei ja keine Weltreise und durch ihre Arbeit im Rathaus wisse sie um die Probleme in Weißwasser.

Als ihre Stärke sieht sie, dass sie auf andere Menschen zugeht, ihnen zuhört, ehrlich und offen ist. Eine Schwäche könnte sein, dass sie durch ihre Vorkenntnisse im Finanzwesen zuerst Zahlen im Kopf hat, was manchmal im Wege stehen könnte, wenn es um Entwicklung geht. Als OB-Kandidatin ist ihr aber bewusst: „Ein Bürgermeister soll Ideen und Ziele haben, die Verwaltung muss sehen, wie man’s hinkriegt.“

Angetreten ist sie, um es im Falle ihrer Wahl anders als bisher zu machen. Im Rathaus gebe es tolle Mitarbeiter, die müssten wieder Freude an ihrer Arbeit finden. Die Verwaltung müsse neu organisiert und wieder zum Dienstleister für die Bürger werden. Dazu müsse man die Digitalisierung vorantreiben und vor allem die Kommunikation verbessern. „Die Stadt braucht eine bessere Kultur im Umgang miteinander“, betont sie. Entscheidungen der Verwaltung müssten transparenter sein, Interessengruppen sollten sich in die Ideenfindung viel stärker einbringen können.

Swantje Schneider-Trunsch steht voll hinter den Strukturwandelprojekten der Stadt. Sie ist froh über die Sanierung des Bahnhofs und dessen Neuausrichtung. Auf dem Gelände um die einstige Gelsdorf-Hütte wird ein Schandfleck beseitigt. Die Sanierung der ehemaligen Ingenieurschule sei im Kontext der ganzen Lausitz zu sehen. Wenn junge Leute hier ihre Ausbildung machen, würden sie in der Region bleiben. „Und auch für das Stadtbild von Weißwasser ist es wichtig, dass wir dort wieder Leben reinkriegen“, findet die OB-Kandidatin. Mit der Sanierung der Kita „Sonnenschein“ will sich die Stadt auf den Bevölkerungszuwachs einstellen, den sie anstrebt.

Eben für diesen Zuwachs und genauso für die Bürger der Stadt müsse die Lebensqualität erhöht werden. „Unsere Leute sollen Stolz empfinden, wenn sie über die Stadt reden. Aber das fehlt uns gerade“, hat sie festgestellt. „Es gibt Gräben in der Stadt, die leider dazu führen, dass man nicht mit-, sondern gegeneinander arbeitet. Und das ist sehr schade“, fügt sie hinzu. Deshalb sieht sie ihre Aufgabe, als Oberbürgermeisterin darin, das Wir-Gefühl zu stärken.

Das werde aber nicht gut gelingen, wenn die Stadt, wie von der Rechtsaufsicht gefordert, auf noch mehr freiwillige Leistungen verzichtet. Als Kämmerin weiß sie allzu gut, dass man die nicht vorhandenen Gelder auch nicht ausgeben kann. Die Finanzmisere sei jedoch kein Problem von Weißwasser allein. Für eine bessere Finanzausstattung der Kommunen sieht sie den Freistaat in der Hauptrolle, sich selber aber „in der Pflicht, mit den anderen Bürgermeistern der Region dafür zu kämpfen“

.Als ein Sparpotenzial benennt sie die Gebäudenutzung. „Wir brauchen klare Entscheidungen, welche Objekte noch nötig sind, von welchen wir uns trennen und welche effizienter betrieben werden können“, meint sie. Das liege jedoch in der Bewertung des Stadtrates. Mit Blick auf das Volkshaus weiß sie, dass viele Erinnerungen der Menschen daran hängen, die Meinungen in der Stadt aber sehr geteilt sind, ob das Ganze Sinn macht. Ohne ein tragfähiges Nutzungskonzept werde die Wiederbelebung ein Traum bleiben und nicht zu finanzieren sein. „Ich könnte mir dazu eine Bürgerbefragung vorstellen“, sagt sie.

Auf den neuen Stadtrat bezogen erklärt sie: „Ich werbe dafür, dass wir aus den Grabenkämpfen herauskommen und sachlich zusammenarbeiten.“ Dabei schließt Swantje Schneider-Trunsch alle ein, die gewählt wurden. Der neue Stadtrat müsse sich über Prioritäten verständigen und neue Konzepte erarbeiten. Etwa zu der Frage, ob die Bewirtschaftung von Einrichtungen durch andere Träger oder Vereine nicht sogar besser wäre, ob es zum Beispiel sinnvoller wäre, das Glasmuseum in privater Hand, kommunal oder durch einen Verein zu betreiben. „Das Turnerheim ist ein Paradebeispiel, was Ehrenamt bewirken kann“, lobt die OB-Kandidatin. Vieles sei wirtschaftlicher möglich, seit das Objekt in der Hand des VfB Weißwasser ist. Das sollte man ihrer Ansicht nach auch für andere Objekte konzeptionell überprüfen.

Thema ist für sie ebenso die künftige Fernwärmeversorgung mit den Stadtwerken als wichtigen Partner. Für mehr Lebensqualität müsse die Innenstadt grüner, diverse Flächen entsiegelt und ein neues Radwegesystem entwickelt werden. Das würde auch den Händlern nutzen. Und wenn die Einwohner es mittragen, will sie ein langfristiges Projekt angehen, „das Modell einer autofreien Innenstadt mit kurzen Laufwegen und beruhigten Bereichen im Zentrum“. Andere Städte würden zeigen, dass das geht, so die Kandidatin.

Als OB würde Swantje Schneider-Trunsch im Falle ihrer Wahl in vielen Gremien Aufgaben wahrzunehmen haben. Sie wird aber nicht wie Amtsinhaber Pötzsch viel reisen wollen. „Dafür gibt es viel zu viele Baustellen in der Stadt“, begründet sie und führt als Beispiele ungeklärte Fragen bei Feuerwehr und Kita-Trägerschaft an. Pötzsch habe sich für die Stadt aufgeopfert und sich dabei als Mensch selber vergessen. Sie werde da andere Prioritäten setzen.

Seit die Boxbergerin öffentlich gemacht hat, dass sie Oberbürgermeisterin in Weißwasser werden möchte, bekam sie viel positives Feedback, selbst von ehemaligen Weißwasseranern aus Berlin. Es habe aber auch Sticheleien gegeben. Bewusst halte sie daher ihre Familie aus dem Wahlkampf raus. Es werfe kein gutes Licht auf die Stadt, wenn eine Person des öffentlichen Lebens angefeindet wird. Leider sei die Hemmschwelle bei Manchen gering. Auch deshalb wünscht sie sich eine andere Kultur im Umgang miteinander.