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Warum verschreibt mir mein Arzt nicht einfach ein Antibiotikum?

MEDIZIN HEUTE: Winterzeit ist stets auch Infektzeit. Aber eigentlich gibt es ja ein echtes Allheilmittel. Oder besser nicht?

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Wer von Viren erwischt wird, kann nicht auf Antibiotika bauen, sondern sollte auf Hausmittel setzen.
Wer von Viren erwischt wird, kann nicht auf Antibiotika bauen, sondern sollte auf Hausmittel setzen. © Foto: silviarita/pixabay.com

Huste, verstopfte Nase, Hals- und Kopfschmerzen? Im Winter gehört das für viele fast schon dazu, wie die kalten Temperaturen. Etwa 90% aller akuter Atemwegsinfektionen werden dabei durch Viren verursacht. Über 200 verschiedene Schnupfenviren sind beispielsweise bekannt. Und ihre Vielzahl und Wandlungsfähigkeit verhindert die Möglichkeit eine Impfung gegen grippale Infekte, deshalb kann auch nach erfolgter Impfung gegen die Virus-Grippe ein akuter Atemwegsinfekt auftreten. Aber da gibt es doch mit Antibiotika ein „Allheilmittel“? Nein, denn Antibiotika wirken nur gegen bakterielle Infektionen. Viren können nicht mit Antibiotika bekämpft werden.

Antibiotika bald ohne Wirkung?

Antibiotika zählen zu den bedeutendsten Entwicklungen der Medizingeschichte. Dank ihrer Entdeckung hat sich die Lebenserwartung der Menschen um Jahrzehnte verlängert. Doch diese wichtigen heilenden Medikamente verlieren durch die Entwicklung multiresistenter Bakterienstämme zunehmend ihre Wirksamkeit. Für das Jahr 2050 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) errechnet, dass bei gleichbleibender Resistenzentwicklung nicht mehr therapierbare Infektionen durch multiresistente Bakterien die häufigste Todesursache werden. Die Bundesregierung hat deshalb bereits 2015 im One-Health-Ansatz der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie Maßnahmen zur Reduzierung der Antibiotikaresistenzen ausgesprochen. 80 bis 90% der Antibiotika werden im ambulanten Bereich verordnet, das sind zwischen 560 und 720 Tonnen pro Jahr! Die Verschreibung erfolgt in erster Linie bei Infektionen der oberen und unteren Atemwege, trotz der Erfahrung, dass gut 90 % dieser Infektionen viral bedingt sind. Insgesamt sind in Klinik und Ambulanz mindestens 50 % der Antibiotikaverordnungen entweder nicht indiziert oder hinsichtlich Dosierung und Anwendungsdauer falsch durchgeführt. Problematisch auch, dass im ambulanten Bereich viel zu häufig Breitband-und Reserveantibiotika eingesetzt werden. Breitbandantibiotika sind jedoch nicht grundsätzlich effektiver als Standardantibiotika. Oft sind sie weniger wirksam als Präparate mit engerem Wirkungsspektrum und rufen mehr Nebenwirkung hervor.

Pflanzliche Alternativen?

Gibt es Alternativen? Maßnahmen zur Reduktion von Antibiotikaverordnungen können zum Beispiel der Einsatz evidenzbasierter pflanzlicher Therapeutika, diagnostische Schnelltests, das Bedarfsrezept und die Infektionsprophylaxe sein. In den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie werden zur Behandlung von Husten und Rhinosinusitis – also der Entzündung der Nasenschleimhaut und der Nasennebenhöhle– evidenzbasierte pflanzliche Arzneimittel empfohlen. Diese können den Hustenreiz lindern, die Sekretion normalisieren und gegen die Entzündung wirken. Die Präparate gibt es als Dragees, Saft und Tropfen und sind auch bereits bei Kindern ab einem Jahr zugelassen. Eine Herausforderung stellt dabei die Differenzierung zwischen viraler und bakterieller Infektion dar, wenn die Symptome nicht eindeutig sind. Ein gutes Hilfsmittel können diagnostische Schnelltests sein. Diese sind nicht für den routinemäßigen Einsatz bestimmt, sondern können bei komplizierten oder unklaren Verläufen zur Therapieentscheidung hinzugezogen werden. Zur zusätzlichen Sicherheit und Reduktion des Antibiotikaverbrauches kann in Ausnahmefällen auch ein Bedarfsrezept eingesetzt werden, das nur unter vorab vereinbarten Bedingungen eingelöst werden soll.

Auf Händedruck verzichten

Aber es gibt auch relativ einfache Möglichkeiten: der Verzicht auf den Händedruck zum Beispiel, die Benutzung der für Besucher bereitgestellten Händedesinfektion in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen oder auch regelmäßiges Händewaschen und gutes Raumklima helfen.

Patientendruck auf Ärzte?

Oft fühlen sich Ärzte von den Patienten jedoch unter Druck gesetzt, weil diese ein „stark wirksames“ Medikament fordern, um „schnell wieder fit“ zu sein. Um unnötige Antibiotikaverordnungen zu vermeiden, ist eine gute Arzt-Patienten-Kommunikation zur Aufklärung und zur Therapieentscheidung grundlegend, damit der Patient die Therapieentscheidung verstehen und mittragen kann.

Unsere Autorin ist Hausärztin und Mitglied im Landesvorstand des Sächsischen Hausärzteverbandes.