Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Wirtschaft

Millionen Euro für den deutsch-tschechischen Grenzraum

Das neue sächsisch-tschechische EU-Programm startet Anfang 2023. Verkehrsprojekte sollen nicht mehr unterstützt werden, dafür könnte die Ausbreitung der Wölfe untersucht werden.

 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Der Wolf kennt keine Grenze, betont die Landwirtschaftsfakultät in Prag. Sie will mit Fördergeldern erforschen, wie sich die Ausbreitung der Wölfe auf die Wildtiere auswirkt.
Der Wolf kennt keine Grenze, betont die Landwirtschaftsfakultät in Prag. Sie will mit Fördergeldern erforschen, wie sich die Ausbreitung der Wölfe auf die Wildtiere auswirkt. © imago images

Roger Mackeldey vom Sächsischen Staatsministerium für Regionalentwicklung ist fast schon euphorisch gestimmt, als er vergangenen Donnerstag im großen Saal des Kulturhauses von Ústí nad Labem (Aussig) die Eröffnung des neuen EU-Förderprogramms Interreg für die deutsch-tschechische Grenzregion verkündet. Seine Euphorie hat etwas damit zu tun, dass solche Veranstaltungen in den letzten fast drei Jahren nicht alltäglich waren.

Der zweite Grund: Der Saal ist voll. Mehr als 300 Teilnehmer sind der Einladung gefolgt. Bis zuletzt müssen noch Stühle aufgefüllt werden, damit auch alle einen Sitzplatz finden. Ein großer Teil von ihnen hat in den vergangenen Jahren ein von der EU gefördertes deutsch-tschechisches Projekt durchgeführt. Es sind aber auch neue Teilnehmer dabei. Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass dieses Programm Sinn ergibt, wäre er hiermit erbracht. Es ist das vierte Programm seit dem Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union, und es ist das erste Mal, dass es so groß eröffnet wird.

„Der Bedarf ist weiterhin riesig“, konstatiert denn auch Mackeldey. Dafür stehen bis 2027 152,4 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für Regionalentwicklung zur Verfügung. Rechnet man die Eigenbeteiligung hinzu, ergibt sich eine Gesamtsumme von 190 Millionen Euro, die in den kommenden fünf Jahren in sächsisch-tschechische Projekte fließen werden. Trotz Brexit steht dem Grenzraum damit fast die gleiche Summe zur Verfügung wie im letzten Programmzeitraum.

Viel Geld für Bildung

Gemeinsam mit Brüssel haben Sachsen und Tschechien vier große Prioritätsbereiche festgelegt. Das meiste Geld entfällt mit rund 64 Millionen Euro auf den Bereich Bildung, lebenslanges Lernen, Kultur und Tourismus. Gut ein Viertel der Mittel gehen in den Bereich Klimawandel und Nachhaltigkeit. Fast 25 Millionen Euro stehen für Zusammenarbeit und Vertrauensbildung zur Verfügung. „Darunter fällt auch die Zusammenarbeit von Behörden“, erklärt die stellvertretende Referatsleiterin Yvonne Schönlein. Neu hinzugekommen ist der Bereich Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Damit haben kleine und mittelgroße Unternehmen sowie auch Forschungseinrichtungen erstmals die Möglichkeit auf eine Förderung grenzüberschreitender Projekte. „Das war uns sehr wichtig“, sagt Roger Mackeldey. Bisher hatte sich Tschechien dagegen gewehrt. Die fast 14 Millionen Euro, die dafür zur Verfügung stehen, nennt Mackeldey „einen Anfang“.

Dagegen ist die Zeit der Anschaffung von Feuerwehrautos mithilfe von EU-Geldern vorbei. „Wenn überhaupt, müsste das Technik sein, die innovativ ist. Aber die Grundausstattung finanzieren wir nicht mehr“, sagt Mackelday. Überhaupt sind die Qualitätsanforderungen gestiegen, wie Hana Müller Karlová, die Leiterin des Gemeinsamen Sekretariats bei der Sächsischen Aufbaubank, betont. Das hat auch etwas damit zu tun, dass viele Projektträger schon bei den Vorläuferprogrammen dabei waren. Auch diesmal sitzen sie bereits in den Startlöchern. Denn das Programm nennt sich zwar Sachsen–Tschechien 2021- 2027, aber es wird erst Anfang 2023 beginnen und hat damit zwei Jahre Verspätung.

„Der Wolf kennt keine Grenzen"

„Verspätung hatten wir leider immer, aber so groß war sie noch nie“, räumt Mackeldey ein und nennt Corona als Hauptgrund. Als erster Termin für die Abgabe von Anträgen gilt der 22. Februar 2023. Pavla Jůnková Vymyslická von der Tschechischen Landwirtschaftsfakultät in Prag möchte dann schon mit ihrem Antrag dabei sein. Sie befasst sich mit der Ausbreitung des Wolfes im sächsisch-tschechischen Grenzraum. „Der Wolf kennt keine Grenzen. Mit unserem Projekt OWAD konnten wir eine gemeinsame Datenbank aufbauen und wichtige Erkenntnisse austauschen“, stellt sie das Projekt vor, das in den letzten fünf Jahren über eine Million Euro erhalten hat. „Bisher sind noch relativ wenige Wölfe im Grenzgebiet. In einem neuen Projekt wollen wir untersuchen, wie sich ihre Ausbreitung auf die Wildtiere auswirkt“, sagt die Forscherin.

Nicht mehr grenzüberschreitend gefördert werden Verkehrsprojekte. Nicht, dass diese nicht mehr gebraucht werden. „Aber dafür ist dieses Programm zu klein“, erklärt Referatsleiter Mackeldey. Wichtig seien vor allem der Aufbau und die Festigung der zwischenmenschlichen Kontakte. Hierein fällt der Austausch zwischen Schulen, Vereinen und Gemeinden „Hier ist der Mehrwert viel größer“, ist Mackeldey überzeugt. In dem Zusammenhang ist allerdings eine schlechte Nachricht, dass die Eigenbeteiligung für Projekte von 15 auf 20 Prozent angestiegen ist. Hier werden gerade kleine Projektträger benachteiligt. Eine Möglichkeit ist da der Kleinprojektefonds, der vereinfachte Förderbedingungen bietet und 15 Millionen Euro umfasst. Gerade für Anfänger wurde auch neu eine Pflichtberatung eingeführt. „Die Beratungen starten Anfang Januar“, sagt Hana Müller Karlová. Sie und ihre Kollegen hoffen, dass gleich in der ersten Runde viele Projekte eintreffen. „Wir haben Verspätung und einiges aufzuholen“, sagt Karlová.