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Tschechien: Ist Babiš auf dem Weg zurück zur Macht?

Tschechiens Oppositionsführer Andrej Babiš hat die Regionalwahlen im Nachbarland beeindruckend gewonnen. Mit einfachen Parolen rund um die Uhr. Mit denen will er in einem Jahr auch wieder Regierungschef werden.

Von Hans-Jörg Schmidt
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Andrej Babiš hat offenbar noch immer Lust auf Politik.
Andrej Babiš hat offenbar noch immer Lust auf Politik. © Vit Simanek/CTK/dpa

Prag. Lässt man beiseite, dass es nicht eben glücklich war, Wahlen an einem Wochenende abzuhalten, da die Tschechen in Teilen ihres Landes noch knietief im Wasser standen - das Ergebnis fiel trotz extrem niedriger Beteiligung deutlich aus. Die „Aktion unzufriedener Bürger“ (ANO) von Ex-Premier Andrej Babiš, derzeit im Prager Abgeordnetenhaus in der Opposition, hat den Probelauf für die Parlamentswahlen im kommenden Jahr mehr als bestanden.

Sie siegte in zehn von 13 Kreisen, darunter auch im Kreis Ústí (Aussig), der an Sachsen grenzt. Zehn Kreise hatte ANO auch bei den vorangegangenen Regionalwahlen gewonnen. Doch seinerzeit reichten dazu 20 Prozent der Stimmen. Jetzt steigerte sich ANO um bemerkenswerte fünfzehn Prozentpunkte. Das ist das beste Ergebnis aller Wahlen, an denen die ANO des Multimilliardärs Babiš seit ihrer Gründung 2011 jemals teilgenommen hat.

Die Kreise in Tschechiens tragen unter anderem die Verantwortung für Gesundheitseinrichtungen, Schulen oder Altersheime. Große Aufgaben fielen ihnen auch bei der jetzigen Hochwasserkatastrophe zu. Bei den Regionalwahlen wurde im ganzen Land gewählt - mit einer Ausnahme: Die Hauptstadt Prag ist autark. Wie allein in Prag auch über die „große Politik“ bestimmt wird. Forderungen zur Änderung der Außenpolitik, etwa gegenüber dem Krieg Putins gegen die Ukraine, wie sie vom BSW in deutschen Bundesländern laut werden, wären aus den tschechischen Regionen gegenüber der Regierung an der Moldau undenkbar.

Parlamentswahlen in einem Jahr

Prag spielte aber bei den Regionalwahlen indirekt doch eine Rolle. In einem Jahr finden in Tschechien - wie in Deutschland - Parlamentswahlen statt. Und ANO sah die Regionalwahlen als eine Art Testlauf für besagten Urnengang an. Ihr Chef Babiš war von 2017 bis 2021 Ministerpräsident. Diesen Posten strebt er bei den kommenden Parlamentswahlen neuerlich an. „So schön das Ergebnis jetzt ist, wir sehen natürlich in erster Linie auf die Wahlen im kommenden Jahr“, sagte Babiš vor Journalisten.

Bei den Parlamentswahlen 2021 landete ANO nur auf dem zweiten Platz, was Opposition bedeutete. Zwei Jahre später, bei der Wahl eines neuen tschechischen Präsidenten, unterlag Babiš in der Stichwahl krachend dem parteilosen Kandidaten Petr Pavel.

Petr Pavel (l) setzte sich 2023 bei der Präsidentschaftswahl gegen Andrej Babiš durch.
Petr Pavel (l) setzte sich 2023 bei der Präsidentschaftswahl gegen Andrej Babiš durch. © Petr David Josek/AP/dpa

Wer meinte, Babiš hätte danach endgültig die Lust an der Politik verloren, irrte. Er wollte schon deshalb nicht zurück ins Privatleben, weil ihn das Politikerdasein vor Strafverfolgung schützt. Gegen ihn wird seit Jahren ein Verfahren wegen des Verdachts des Subventionsbetrugs mit EU-Geldern geführt. Derzeit läuft vor einem Gericht in Prag in dieser Angelegenheit ein Revisionsverfahren gegen den erfolgreichen Unternehmer, dessen Firma Agrofert, die derzeit in Treuhandschaft maßgeblich von Mitgliedern seiner Familie geführt wird, auch in Deutschland aktiv ist.

Seinen Wahlkampf zu den Regionalwahlen führte Babiš mit den selben einfachen populistischen Parolen, die er auch bei seinen Auftritten als Oppositionsführer im Parlament benutzte. Die Taktik eines verbalen Frontalangriffs auf die Regierung, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, hat hervorragend funktioniert. Es reichte, zu sagen, dass die Regierung in der Innen- und Außenpolitik alles falsch macht. Und dass eine ANO-Regierung den Leuten all das zurückgeben werde, was ihnen die jetzige liberal-konservative Regierung unter Petr Fiala genommen habe.

Prager Kommentatoren sind nach den Regionalwahlen sicher, dass Babiš auf dem Weg zur erneuten Macht kaum aufzuhalten sei. „Es ist schwer zu sagen, was passieren müsste, damit Babiš nicht in einem Jahr [gemeinsam mit extremen Linken und Rechten] eine komfortable Mehrheit bei den Parlamentswahlen erringt“, schrieb am Montag die Wirtschaftszeitung Hospodářské noviny. Sie ist mit ihrer Meinung nicht allein.

Ein Wahlsieg der ANO hätte auch außenpolitische Folgen. Babiš hat sich nach den Europawahlen mit dem von ihm bewunderten Ungarn Viktor Orbán, der österreichischen FPÖ und anderen rechtspopulistischen Parteien zu einem neuen Bündnis im EU-Parlament zusammengeschlossen, der drittgrößten Fraktion dort. Mit der EU in ihrer jetzigen Verfasstheit hat der 69-jährige in Bratislava geborene Babiš entschieden nichts am Hut.