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Land unter durch Starkregen in Tschechien: Droht ein Jahrhunderthochwasser?

Anhaltender Starkregen lässt in Tschechien erste Flüsse über die Ufer treten. Evakuierungen sind nötig. Die Rettungskräfte sind im Dauereinsatz.

Von Hans-Jörg Schmidt
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Feuerwehrleute sind wegen des Hochwassers in der Region Liberec im Einsatz. Es wird weiter mit steigenden Pegelständen gerechnet.
Feuerwehrleute sind wegen des Hochwassers in der Region Liberec im Einsatz. Es wird weiter mit steigenden Pegelständen gerechnet. © CTK/dpa

Prag. Die alarmierenden Prognosen der Meteorologen sind eingetroffen. Über weiten Teilen Tschechien schüttet es, die Zahl der Fließgewässer, deren Hochwassermarken erreicht und überschritten werden, steigt stündlich.

Der Prager Dauerregen sollte eigentlich am Samstagvormittag eine Pause machen. Stattdessen haben die Niederschläge zugenommen. Dennoch ist die Lage in der tschechischen Hauptstadt Vergleichsweise noch entspannt. Die Feuerwehr hatte schon am Freitag die in der Moldau liegende Insel Kampa mit Toren gegen das Wasser abgeriegelt. Auch der Zugang für Menschen zu dieser beliebten parkähnlichen Anlage auf der malerischen barocken Kleinseite ist untersagt. Die Befürchtung: Der anhaltende Regen könnte den Boden so aufweichen, dass die großen Bäume, deren Äste und Zweige vom starken Wind zerzaust werden, einfach umkippen.

Menschen platzieren Sandsäcke am Eingang eines Restaurants in Prag.
Menschen platzieren Sandsäcke am Eingang eines Restaurants in Prag. © Dana Kesnerova/XinHua/dpa

Auf der gegenüberliegenden Seite der Moldau sind die schon bewährten Wasserschutzwände errichtet worden, entlang der Bummelmeile, von der man den schönsten Blick auf die Prager Burg hat. Von der Karlsbrücke aus beobachten Einheimische und Touristen die dröhnenden Wassermassen. Der Anstieg der Moldau hält sich bislang in Grenzen, liegt derzeit nur bei der ersten von drei Hochwasserstufen. Und er wird bisher auch weniger vom Regen verursacht als von den Ableitungen aus den Stauanlagen südlich von Prag. Dort wird Platz für das Wasser gebraucht, das sich aus Moldaunebenflüssen in Südböhmen Richtung Prag und letztlich über die Elbe Richtung Sachsen aufgemacht hat.

Ein Problem für Prag könnte weniger die Moldau, sondern der kleine Zufluss Botič werden. Der wird seine deutlich gewachsene Wassermenge nicht los, weil es durch die Moldau zurückgestaut wird. Da könnten mehrere Stadtbezirke, durch die sich der Botič-Bach schlängelt, nasse Füße bekommen.

Nach extremen Regenfällen ist der Pegel der Moldau in Prag stark angestiegen.
Nach extremen Regenfällen ist der Pegel der Moldau in Prag stark angestiegen. © CTK/dpa

Angespannte Lage in Brünn

Gefährlicher stellt sich die Lage in der zweitgrößten tschechischen Stadt Brünn dar. Die Stadt arbeitet seit längerem an geeigneten Abwehrmaßnahmen gegen Hochwasserlagen. Doch die sind noch nicht beendet. Wenn es dumm läuft, könnten bis zu 20 Prozent der Stadt unter Wasser geraten.

In tschechischen Brünn ist die Hochwasserlage angespannt.
In tschechischen Brünn ist die Hochwasserlage angespannt. © CTK

Mitten im Brünner Überschwemmungsgebiet des Flusses Svratka liegt das städtische Krankenhaus der Barmherzigen Brüder. Hier besteht die Gefahr, dass das Wasser in das Krankenhaus gelangt und einen Kurzschluss im Stromnetz auslöst. Da dadurch Patienten gefährdet werden könnten, die an Apparaturen hängen, hat die Klinik schon am Freitag 80 Patienten in umliegende Hospitäler verlegt. Heute sollen die verbliebenen 119 Kranken folgen.

Am Oberlauf der Elbe sammelt sich eine Großteil des Wassers, das über dem Riesengebirge runtergeht. Durch den beliebten Urlaubsort Spindlermühle rauscht die Elbe mit großem Krach. Der Fluss hat hier die höchste Hochwasserstufe erreicht. Sollte er über die Ufer treten, sollen nur unbewohnte Flächen überschwemmt werden, heißt es.

Unwetter in Tschechien: Droht ein "Jahrhunderthochwasser"?

Das Riesengebirge ist eines der großen Sorgenkinder. Das zweite ist das Altvatergebirge im mährisch-schlesischen Landesteil. Was dort aus den Schleusen des Himmels fällt, sammelt sich letztlich in der Oder. Auf polnischer Seite sind bereits einige Orte evakuiert worden. Der Zentrale Hochwasserstab in Prag nannte am Mittag die Lage im Mährisch-Schlesischen Kreis so alarmierend, dass man womöglich die Gefahrenlage ausrufen müsse. Die Situation im Altvatergebirge und in den Regionen um Ostrava und Opava drohe sich zu einem "Jahrhunderthochwasser" auszuwachsen.

Landesweit stehen an die 100.000 Feuerwehrleute Gewehr bei Fuß, darunter viele aus Freiwilligen Wehren. Sie seien von Freitagabend bis Samstagmittag zu 17.000 Einsätzen ausgerückt, sagte Innenminister Vít Rakušan. Gebraucht werden sie unter anderem auch, um Bäume von Eisenbahngleisen und von Stromleitungen zu bergen. Die Tschechischen Bahnen haben mehrere Strecken vorläufig stillgelegt. Die Expresszüge, die landesweit unterwegs sind, haben zumindest teils erhebliche Verspätungen. Wer auf seine Reise an diesem Wochenende verzichtet, bekommt das Geld für die Fahrkarten erstattet.

Wie wird das Wetter in den kommenden Tagen?

Problematisch ist die Lage für mehr als 60.000 Menschen, die derzeit keinen Strom haben. Hier arbeiten die Energieversorger ohne Pause, um die Leute wieder ans Netz anzuschließen.

Wann sich das Wetter bessert, ist noch nicht abzusehen. Es gibt Prognosen, die von Sonntag sprechen, andere sagen, es könnte bis Dienstag schütten. Da kommt also noch reichlich auf Tschechien zu. Und über Elbe und Oder später auch auf die Nachbarn in Sachsen und Polen.