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Hochwasser in Tschechien: Bier und stille Gebete gegen die Angst

Troubky in Mähren ging in der Flut von 1997 unter. Jetzt drohte dem Ort eine neue Katastrophe.

Von Hans-Jörg Schmidt
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Nach sintflutartigen Regenfällen stehen in Tschechien ganze Landstriche unter Wasser.
Nach sintflutartigen Regenfällen stehen in Tschechien ganze Landstriche unter Wasser. © CTK

Als das Prager Fernsehen am Sonntagabend die Meldung verbreitet, dass der Ort Troubky evakuiert werden müsse, erschrecken die meisten Zuschauer. Den Namen des Ortes und dessen Schicksal kennt jeder in Tschechien.

Im Juli 1997, beim großen Hochwasser, das damals vor allem Mähren heimgesucht hatte, wurde der 2.000-Seelen-Ort nahezu dem Erdboden gleichgemacht. Die Bečva schoss durch die Gemeinde und zerstörte 150 Häuser. Das Wasser hatte leichtes Spiel. Die Behausungen waren meist älteren Datums und noch aus ungebrannten Ziegeln errichtet worden.

200 weitere Häuser mussten nach der Flut abgerissen werden. Hubschrauber holten seinerzeit in einer hochdramatischen Nacht zahlreiche Hilfesuchende von den Dächern. Nicht alle Einwohner des Ortes konnten gerettet werden. Neun Menschen fanden in den Wassermassen den Tod. Seither ist Troubky ein Symbol in Tschechien dafür, welche Verwüstungen Wasser anzurichten vermag.

Die meisten Leute blieben und bauten mit staatlicher Hilfe neu. Mit richtigem Baumaterial. „Hier ist nunmal unsere Heimat“, hieß es trotzig. Tschechen gelten als besonders heimatverbunden.

Kneipe statt Evakuierung

Als sich Bürgermeister Martin Frgal den Sonntag über im Internet die Pegelstände der Bečva ansieht, wird ihm immer mulmiger. Am späten Nachmittag entscheidet er, den Ort evakuieren zu lassen. Um die 30 Leute erklären sich sofort bereit, den Ort zu verlassen. Ein Evakuierungsbus steht bereit. Andere beladen ihre privaten Autos und fahren damit zu nahen Verwandten. Es sind meist Frauen und Kinder. Die Männer wollen derweil in Troubky die Stellung halten.

Der Großteil der Bevölkerung aber verweigert sich prinzipiell der Evakuierung. „Zweimal kann Troubky nicht Opfer des Wassers werden“, sagen manche überzeugt. „Außerdem haben wir Vieh, das wir nicht allein lassen können“, hört man von anderen. Sie haben die beweglichen Möbel aus den Erdgeschossen nach oben gewuchtet, wo sie im Fall des Falles trockene Füße behalten sollen. Dazu die wichtigen Papiere. Mehr geht nicht.

Statt zum Evakuierungsbus gehen die Menschen in die Kneipe, den Stress und die Angst mit Bier runterzuspülen. Und still Gebete zu sprechen, dass ihr Troubky diesmal verschont bleiben möge.

Stunden der Ungewissheit

Stunden der Ungewissheit folgen. Viele gehen vor Aufregung nicht ins Bett. Mitten in der Nacht gucken einige nervös von der Brücke, ob und wie sich der Pegel des Wassers verändert. Mittlerweile gibt es Prognosen, wonach die Bečva zwischen 2 und 3 Uhr ihren Höhepunkt erreichen soll. Die Prognose trifft ein, man sieht das Wasser langsam sinken. Denen, die Zeuge werden, fällt ein riesiger Stein vom Herzen.

Auch Bürgermeister Frgal ist erleichtert. „Das ist großartig. Dabei sah es gestern Nachmittag alles andere als rosig aus“, sagt er am frühen Montag einem Radioreporter. Mit anderen Verantwortlichen kontrolliert er noch den Damm, kann aber keinen Schaden feststellen.

Nun soll schnell das normale Leben nach Troubky zurückkehren. Nur die Schule und der Kindergarten bleiben noch geschlossen, um saubermachen zu können. Aufräumen und die Möbel wieder da platzieren, wo sie standen, ist eh bei allen die wichtigste Aufgabe des Tages. Das einzige Geschäft im Ort öffnet am Morgen wieder. Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr gehören zu den ersten Kunden. Der große Renner sind frische Pfannkuchen.