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Hochwasser in Tschechien: Auf die Welle der Flut folgt die der Solidarität

Zehntausende Tschechen helfen in den schwer betroffenen Flutgebieten. Die Medien berichten kaum. Für sie sind Wahlen wichtiger.

Von Hans-Jörg Schmidt
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Helfer und Einsatzkräfte beseitigen Trümmer und Schlamm nachdem der Fluss Bìala Glucholaska über die Ufer getreten war.
Helfer und Einsatzkräfte beseitigen Trümmer und Schlamm nachdem der Fluss Bìala Glucholaska über die Ufer getreten war. © CTK

Die Tschechen setzten am Wochenende höchst unterschiedliche Prioritäten. Ein Teil ging zu den Wahlen für die Kreistage und für ein Drittel der Senatoren. Für die klar siegreiche oppositionelle Bewegung ANO von Ex-Premier Andrej Babiš war der Urnengang, den sie klar gewann, ein Probelauf zur Ablösung der Regierung bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr.

Hörte man sich bei den Menschen um, die besonders schwer unter den massiven Überflutungen zu leiden hatten, dann brachen sich Wut und Unverständnis darüber Bahn, dass die Wahlen nicht verschoben wurden: „Bleiben Sie mir vom Leib mit Wahlen, wir haben echt ganz andere Sorgen“, äußerten verärgert Leute im Einzugsgebiet der Oder und deren Nebenflüssen, wo ganze Orte mannshoch im Wasser standen und die Wahlen - teilweise in Zelten - zur Farce verkamen.

Ein wieder anderer Teil der Bevölkerung, zehntausende Freiwillige, fuhr in die Hochwassergebiete, um den Menschen dort zu helfen. Dass die Tschechen in Krisenzeiten zusammenhalten könne, hatten sie schon bei den schweren Überschwemmungen 1997 und 2002 bewiesen.

Schon mehrere Hundert Millionen Kronen an Spenden

1997 etwa kauften die Prager für die Menschen im untergegangen Mähren massenhaft Wasser in Flaschen und brachten es zu Sammelpunkten. Sie spendeten zudem Geld und machen sich teilweise selbst auf den Weg, um mit eigenen Werkzeugen dem Schlamm und dem Unrat zu Leibe zu rücken. Das war gut gemeint, aber unorganisiert und dementsprechend etwas chaotisch.

Oderberg: Ein Blick auf die Schäden auf der Autobahn D1 nach einer Überschwemmung.
Oderberg: Ein Blick auf die Schäden auf der Autobahn D1 nach einer Überschwemmung. © CTK

Die Behörden haben daraus gelernt. In diesem Jahr läuft das alles sehr viel planvoller ab. Die Leute werden in erste Linie um Geldspenden gebeten. Mit diesem Geld, schon mehrere Hundert Millionen Kronen, kauft der Staat Wasser, langlebige Lebensmittel und Hygieneartikel in großen Mengen ein.

Eine Zentrale zur Umverteilung sind an die hundert Niederlassungen der „Lebensmittel-Bank“. Die verfügt über umfangreiche Lagermöglichkeiten und eigene Transportmittel. Die Dinge werden dann entsprechend dem Bedarf verteilt.

Viele Verkehrswege sind noch nicht befahrbar

In den ersten Tagen wurden dazu in den unzugänglichen Gebieten, die von der Außenwelt abgeschnitten waren, auch Hubschrauber eingesetzt. Die „Lebensmittel-Bank“ hat generell einen guten Ruf im Land. Zweimal jährlich veranstaltet sie Sammlungen in allen Supermärkten. Die Leute sind aufgerufen, ganz spezielle Waren zu kaufen. So fahren dann an solchen Tagen Familien mit zwei Wagen durch die Einkaufstempel: einer mit Dingen für den Eigenbedarf, der zweite mit den Spenden.

Richtig organisiert verläuft auch die tatkräftige Hilfe der Freiwilligen in den Orten, wo es kurz nach der Flut schlimm aussieht. Wer mit dort selbst Hand anlegen will, muss sich vorher bei einer von verschiedenen Hilfsorganisationen anmelden. Der Einsatz wird dann zentral gelenkt. Die Zentrale Hochwasserkommission hatte über Tage eindringlich davor gewarnt, sich wie in früheren Zeiten einfach auf den Weg zu machen. Zum einen seien viele Verkehrswege noch nicht befahrbar.

Bömischdorf: Eine Ufermauer ist eingebrochen, nachdem der Fluss Bìala Glucholaska über die Ufer getreten war.
Bömischdorf: Eine Ufermauer ist eingebrochen, nachdem der Fluss Bìala Glucholaska über die Ufer getreten war. © CTK

Die unorganisierte Hilfe könne für Gemeinden, in denen sich die Helfer konzentrieren, eher zu einer Belastung werden, weil die Freiwilligen beköstigt werden müssten und mitunter auch ein Bett für die Nacht brauchten. Und selbst Menschen, die nur Lebensmittel in die Schadensgebiete bringen wollten, könnten sich selbst in Gefahr bringen und die Arbeit von Feuerwehr und anderen Rettungskräften unnötig zusätzlich belasten.

Erste Berichte sprechen davon, dass die organisierte Hilfe gut funktioniert. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen konnte man am Samstag und Sonntag leider fast nichts darüber sehen. Das Thema Flut wurde von einer pausenlosen Berichterstattung über die vergleichsweise unwichtigen Wahlen völlig in den Hintergrund gedrängt.

Über Wahlen, deren Beteiligung bei gerade mal 32 Prozent lag, deutlich niedriger als bei jeder anderen Wahl jemals in Tschechien. Was angesichts dessen, dass viele Menschen gerade um ihre nackte Existenz zu kämpfen haben, zu erwarten gewesen war.