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Corona: Letzte Stunden für die Helfer im Testzentrum

Nach vier Wochen schließt an diesem Dienstag die Station an der A4 bei Görlitz. Die Mitarbeiter kamen aus dem ganzen Land - sogar von einer US-Reederei.

Von Susanne Sodan
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Sina Kuhne (hinten), Elisabeth Siegel und Wolfgang Kinzel an der Teststation.
Sina Kuhne (hinten), Elisabeth Siegel und Wolfgang Kinzel an der Teststation. © Nikolai Schmidt

Wenn es Corona nicht gäbe, wäre Sina Kuhne jetzt auf einem Kreuzfahrtschiff. Nicht als Gast. Sie arbeitet für eine US-Reederei und kümmert sich um das Schiffspersonal, um Verträge und Visa. Auch jetzt hat Sina Kuhne auf gewisse Weise mit Reisenden zu tun - allerdings auf ganz andere Art und Weise. Sie ist Helferin an der Corona-Teststelle für Reiserückkehrer an der A4. 

Teststrategie soll sich ändern

Fährt man von Zgorzelec nach Görlitz über die Autobahn, verweisen Schilder auf das Corona-Testcenter am Rastplatz "An der Neiße". Vor fast genau einem Monat wurde es von der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS), dem sächsischen Gesundheitsministerium und den Maltesern eröffnet. Hier konnten sich Reiserückkehrer, ob aus einem Risikogebiet oder nicht, kostenlos testen lassen. Am heutigen Dienstag ist der letzte Tag. So zumindest die Info der Helfer vor Ort. Eine Bestätigung seitens des Gesundheitsministeriums blieb bis Redaktionsschluss aus. 

Für Rückkehrer aus Nicht-Risikogebieten sind die Tests ab Dienstag nicht mehr kostenfrei, hatte etwa der Evangelische Pressedienst am Montag mitgeteilt. Für Rückkehrer aus Risikogebieten gilt aktuell noch die Testpflicht, für sie soll es ab 1. Oktober eine neue Strategie geben, voraussichtlich mit einer Quarantänepflicht, die durch einen Test frühestens am fünften Tag nach Rückkehr, beendet werden kann. 

Einen Monat auf einem Schiff bei Mexiko

Wie sich Quarantäne anfühlt, könnte Sina Kuhne ganz gut erzählen. Im März war sie noch knappe 10.000 Kilometer Luftlinie von Görlitz entfernt. Eine neue Kreuzfahrt sollte starten. Die Crew war schon an Bord, die Passagiere noch nicht. Sie sollten auch nicht kommen, die Reise wurde abgesagt. Die Mitarbeiter, erzählt Sina Kuhne, sollten zunächst an Bord bleiben. Man wusste zu der Zeit ja nicht, wie lange es dauern würde, bis die Reise wieder möglich wäre. Es gab keinen Corona-Fall an Bord, dennoch galten in der Wartezeit Hygieneregeln, Abstand wahren. Nach einem Monat Pause und keinem Reisestart in Sicht wurden die Crewmitglieder letztlich nach Hause geschickt. 

Vorher gab es noch eine kleine Odyssee. Teils, erzählt Sina Kuhne, waren Grenzen geschlossen. Das nächste Problem: Flüge für Mitglieder einer internationalen Crew nach Hause zu bekommen. "Es stand ja alles still". Letztlich durfte sie in Mexiko vom Schiff.  Für Sina Kuhne ging es zurück nach Deutschland, sie kommt aus einem Ort nahe der tschechischen Grenze. Über Bekannte erfuhr sie, dass für die Autobahn-Teststellen Helfer gesucht wurden. 

Die letzten Stunden für die Teststation

Nun sind es die letzten Stunden, bevor die vier Container wieder abgebaut werden. Im hintersten ist eine Teeküche, daneben eine Umkleide. Der nächste Container ist am Montag der Arbeitsplatz von Maxi Thalheim, seit Kurzem approbierte Medizinerin. Sie nimmt die Abstriche. Im vierten Container sitzt Elisabeth Siegel, Medizinstudentin in Dresden, hinter einem Rechner. Sie nimmt die Daten auf. 

Maxi Thalheim hat seit Kurzem ihre Approbation in der Tasche. Sie stammt aus Görlitz. Die A4-Teststation war ihr erster Job nach dem Studium.
Maxi Thalheim hat seit Kurzem ihre Approbation in der Tasche. Sie stammt aus Görlitz. Die A4-Teststation war ihr erster Job nach dem Studium. © Nikolai Schmidt

Sina Kuhne sitzt mit Wolfgang Kinzel, Ehrenamtler bei den Maltesern, auf einer Bierbank vor den vier Containern. "Ich bin eigentlich Rentner", erzählt er. Aber sein Sohn, der bei den Maltesern seinen Zivi gemacht hatte, hatte ihn gefragt, ob der bei der Teststation helfen könne. Die Bank vor den Containern ist die allererste Station. Hier bekommen Reiserückkehrer zunächst ein Kontaktformular: Name Telefonnummer, E-Mailadresse. "Haben Sie Ihre Krankenkassenkarte dabei?", fragt Sina Kuhne einen jungen Mann. 

Über 4.000 Abstriche

An diesem Vormittag ist eher wenig los. Die Freiwilligen haben schon anderes erlebt. An einem Spitzenwochenende wurden hier 600 Tests genommen. Viele Reiserückkehrer aus dem Baltikum sind dabei, viele Lkw-Fahrer, die nach Deutschland einreisen. Bis zum 12. September sind laut der KVS 4.362 Abstriche an der A4 gemacht worden, darunter waren 12 positive Ergebnisse. Noch immer werde die Station gut angenommen, aber seit dem Ende der Ferienzeit nehmen die Zahlen ab, erzählen die Freiwilligen. Alle Abstriche werden im  Medizinischen Labor Ostsachsen ausgewertet. 

Die Leiterin Claudia Friedrichs hatte sich kürzlich in einem SZ-Interview für die geplanten Änderungen ausgesprochen. Nicht nur, weil Labore wie das ihre bei der Arbeitsbelastung an die Grenze stießen, sondern beispielsweise auch, um Ressourcen effizienter, strategischer einzusetzen : "Wir müssen mit dem, was wir haben, die Versorgung aufrecht erhalten für eventuell wirklich erkrankte Patienten und Menschen, die durch ihren Beruf einer besonderen Gruppe angehören, zum Beispiel Pflegepersonal, Rettungskräfte, Erzieher und Lehrer", hatte sie erklärt.

Dem Warten entkommen

Dennoch, für Sina Kuhne war die Teststelle eine gute Möglichkeit, etwas Sinnvolles zu tun und dem Abwartenmüssen zu entkommen. Ob sie keine Ängste hatte? "Nein", sagt sie, schon seit dem Schiff nicht mehr. "Ich weiß inzwischen, wie ich mich schützen muss." Viel Hände waschen, Abstand, Maske. 

Für den jungen Mann geht es mit seiner Krankenkassenkarte und Kontaktformular zu Elisabeth Siegel, die die Karte einliest, die Daten ins System gibt. Zurück gibt es einen Barcode: Jeder Getestete wird zwar auch telefonisch über das Ergebnis informiert, aber man kann es auch im Internet oder über die Corona-App abrufen. 

Schwierige Suche nach Personal

Auf der Suche nach Helfern hatte sich die KVS beispielsweise an die Uni Dresden gewandt, wo Elisabeth Siegel im dritten Semester Medizin studiert. Mehrere ihrer Kommilitonen erklärten sich bereit, am Dresdner Flughafen, der A17 oder A4 zu helfen, erzählt sie, "besonders die in den höheren Semestern." Eine Präferenz, an welcher Teststelle man arbeiten möchte, konnte man angeben. Am Flughafen wurden vor allem die Dresdner Studenten eingesetzt, die über kein Auto verfügen. Aber Elisabeth Siegel hat eins. Etwa eine knappe Stunde ist sie immer zur A4-Teststation gefahren. 

Maxi Thalheim kam mit dem Fahrrad. Sie stammt aus Görlitz. Studiert hat sie aber fast auf der gegenüberliegenden Seite von Deutschland an der Uni Witten/Herdecke, nicht weit von der belgischen Grenze. 

Die Suche nach approbierten Ärzten für die Teststation an der A4 - weiter weg vom Ballungsraum Dresden - war schwieriger als etwa für die A17-Teststelle, hatte der Geschäftsführer der KV-Geschäftsstelle Dresden bereits zur Eröffnung angedeutet. Dazu kommt: Nicht nur in Görlitz sind die Ärzte ausgelastet. Zum täglichen Dienst in der Praxis oder im Krankenhaus, zu Not- oder Nachtdienst noch freiwillige Schichten an der A4-Teststelle übernehmen? 

Für Maxi Thalheim aber ist es der erste Job nach der Approbation. Einer der ungewöhnlich einfach zu bekommen war. Nun möchte sie sich in der Allgemeinmedizin spezialisieren. Voraussichtlich wird sie ihre Facharztausbildung in Frankreich, am Uniklinikum Grenoble, absolvieren. Elisabeth Siegel wird bald ihr Studium weiterführen. Wie es für Sina Kuhne weitergeht weiß sie noch nicht. Bis Ende des Jahres muss sie bestimmt noch ausharren, nimmt sie an. "Und dann, mal sehen." 

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