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"Steuergeld für Rechtsextreme": Werden die Freien Sachsen verboten?

Die Partei Freie Sachsen verpasste den Einzug in den Landtag, staatliche Finanzierung steht ihr dennoch zu. Ein Verbot könnte das ändern. Wie realistisch ist das?

Von Gunnar Klehm & Moritz Schloms
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Teilnehmer einer Protestkundgebung der Partei "Freie Sachsen" stehen am Rande des Wahlkampfabschlusses der SPD in Chemnitz.
Teilnehmer einer Protestkundgebung der Partei "Freie Sachsen" stehen am Rande des Wahlkampfabschlusses der SPD in Chemnitz. © dpa/Hendrik Schmid

Die Freien Sachsen dürfen sich auf eine staatliche Finanzspritze freuen. Die 2,2 Prozent der Stimmen, die die vom Verfassungsschutz als "erwiesen rechtsextremistische Bestrebung" eingestufte Partei bei der Landtagswahl erhielt, ermöglichen ihr Teilhabe an der staatlichen Parteienfinanzierung. Erreicht eine Partei bei Landtagswahlen mindestens ein Prozent der Stimmen, gibt es für jedes Kreuz auf den Wahlzetteln 1,13 Euro.

Wie viel Steuergeld bekommen die Freien Sachsen

Die Freien Sachsen profitieren nun erstmals seit ihrer Gründung davon. Ihre 52.100 Listenstimmen spülen fast 59.000 Euro in die Parteikasse. Zusätzlich gibt es noch 45 Cent Zuschuss aus Steuergeldern für jeden Euro, der als Mitgliedsbeitrag oder Spende eingenommen wird. Laut Rechenschaftsbericht nahmen die Freien Sachsen 2022 darüber mehr als 200.000 Euro ein. Demnach dürfte sich die Partei auf eine sechsstellige Summe an Steuergeldern freuen.

Das Geld dürfte die Partei in jedem Fall erhalten, doch in den vergangenen Tagen gab es Spekulationen, dass das Sächsische Innenministerium an der Vorbereitung zu einem Verbotsverfahren arbeite. Wären die Freien Sachsen verboten, könnten sie nicht mehr bei Wahlen antreten und von der Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden.

Offiziell hält sich die Behörde bedeckt, ein Sprecher sagt: "Die Freien Sachsen sind vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. Im Rahmen der laufenden Beobachtung ist auch fortlaufend zu prüfen, ob rechtliche Schwellen über- oder auch unterschritten werden."

Die Piraten wollen die Freien Sachsen verbieten lassen

Anne Herpertz kämpft schon länger für ein solches Verbot. "Sonst unterstützt der Staat finanziell den organisierten Rechtsextremismus", sagt Herpertz, die für die Piratenpartei im Dresdner Stadtrat sitzt und deren Bundesvorsitzende war. Darum hat ihre Partei eine Petition gestartet.

Darin heißt es, die Partei Freie Sachsen "fungiere als erneuertes Sammelbecken bekannter neonazistischer Akteure" in Sachsen. Daher fordern die Unterzeichner, ein Verbotsverfahren gegen die Partei einzuleiten. "Hilfsweise fordern wir ein Verfahren für den Entzug der Parteienfinanzierung."

Denn ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zeigt: Parteien können von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen werden. Der Vorteil: Das Verfahren hat eine geringere Hürde als ein Verbotsverfahren. Ein solches gegen die NPD scheiterte zweimal. Doch Anfang des Jahres wurde der Partei Die Heimat (früher: NPD) vom Bundesverfassungsgericht der Geldhahn zugedreht. Der Fall ist bislang einmalig in Deutschland.

Ein Verbot der NPD lehnten die Richter ab, weil es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Partei ihre verfassungsfeindlichen Ziele durchsetzen könne. "Anders als das Parteiverbot setzt der Ausschluss von der staatlichen Finanzierung nicht voraus, dass die Partei ihre verfassungsfeindlichen Ziele potenziell auch erreichen kann", teilt ein Pressesprecher des Bundesverfassungsgerichtes mit.

Wie wahrscheinlich ist ein Verbotsverfahren gegen die Freien Sachsen?

Bei den Freien Sachsen sind zahlreiche Kader der früheren NPD politisch aktiv. Der stellvertretende Landesvorsitzende, Stefan Hartung, ist ebenso Mitglied in Die Heimat wie auch Peter Schreiber. Der ist Landesvorstand bei den Freien Sachsen sowie Landesvorsitzender der Heimat.

Von den fast 500 Kandidaten, die die Partei bei den Kommunalwahlen im Sommer aufstellte, waren dem sächsischen Verfassungsschutz 208 Personen "aus anderen rechtsextremistischen Bestrebungen bekannt". Ein Drittel von ihnen habe Bezüge zur rechtsextremistischen Partei Die Heimat (ehemals NPD) gehabt.

In einem aktuellen Bericht des Verfassungsschutzes heißt es über die 2021 gegründeten Freien Sachsen. "Die verfassungsfeindlichen Aktivitäten der Kleinstpartei Freie Sachsen richten sich gegen den Bestand des Bundes."

Martin Kohlmann, Vorsitzender der Partei "Freie Sachsen", auf einer Protestkundgebung seiner Partei im Wahlkampfendspurt.
Martin Kohlmann, Vorsitzender der Partei "Freie Sachsen", auf einer Protestkundgebung seiner Partei im Wahlkampfendspurt. © dpa/Hendrick Schmidt

Wie stehen die Parteien im sächsischen Landtag zu einem verbot der Freien Sachsen?

Die Linken unterstützen ein Verbotsverfahren gegen die Freien Sachsen. Der aktuelle Fraktionsvorsitzende Rico Gebhardt sagt dazu: "Die Gruppe gilt praktisch vom Start weg als verfassungsfeindlich. An ihrer aggressiv-kämpferischen Ausrichtung besteht aus unserer Sicht kein vernünftiger Zweifel. Der Rechtsstaat muss sich dagegen konsequent wehren – was denn sonst?"

Die AfD hingegen lehnt ein Verbot ab. Der Pressesprecher der Fraktion, Felix Menzel, sagt dazu: "In der Politik sollte es um den Austausch von Argumenten gehen. Die Konkurrenten verbieten zu wollen, ist definitiv der falsche Ansatz." Die AfD hat die Freien Sachsen jedoch zusammen mit anderen als extremistisch eingeschätzten Organisationen auf ihre parteieigene Unvereinbarkeitsliste gesetzt. Die sächsische AfD wird selbst vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft.

Wer kann den Antrag auf Ausschluss stellen?

Den Antrag auf Verbot oder Ausschluss von der Parteienfinanzierung müsste eine künftige sächsische Landesregierung stellen. Aktuell ist noch unklar, wer dieser angehören wird. Die drei möglichen Partner, CDU, BSW und SPD positionieren sich unterschiedlich.

Die SPD zeigt sich grundsätzlich offen dafür. Albrecht Pallas, innenpolitischer Sprecher der Fraktion, sagt: "Wenn den zuständigen Behörden, wie zum Beispiel dem Landesamt für Verfassungsschutz genügend Beweise für ein Verbot oder den Ausschluss von der Parteienfinanzierung vorliegen, dann sollte das auch geschehen."

Das BSW ließ eine Anfrage unbeantwortet. Für die CDU antwortete der innenpolitische Sprecher Ronny Wähner: "Ein Verbotsverfahren ist nur dann sinnvoll, wenn es Aussicht auf Erfolg hat." Ein Scheitern helfe der Partei nur.

Die Freien Sachsen selbst reagierten auf die Medienberichte über ein mögliches Verbotsverfahren mit einem Beitrag in ihrer Telegram-Gruppe, der fast 140.000 Accounts folgen. Darin reagieren sie auch auf die Möglichkeit, die Parteienfinanzierung zu verlieren. Sie schreiben: "Außerdem wird vermutlich versucht werden, die Parteienfinanzierung, welche den Freien Sachsen durch das gute Abschneiden bei der Landtagswahl zusteht, nachträglich rückgängig zu machen, damit das Geld weiter in den Töpfen der Kartellparteien bleibt und kein Cent an oppositionelle Kräfte abgegeben werden muss."

Auch wenn die Freien Sachsen kein gutes Haar am Staat lassen: die staatliche Finanzspritze wollen sie gern noch abgreifen.