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Wrestling-Star aus Dresden: "Im Osten bin ich der Gute"

Axel Tischer liefert vormittags Essen aus, abends prügelt er sich im Ring. Der Wrestler aus Dresden ist ein Star der Szene, war der erste Deutsche in den USA - und tritt jetzt in Coswig auf. Alles nur Show oder ernsthafter Sport?

Von Michaela Widder
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Er kann gut und böse im Ring. Axel Tischer ist einer der bekanntesten deutschen Wrestler. In Dresden gibt er sein Wissen jetzt in einer eigenen Schule weiter.
Er kann gut und böse im Ring. Axel Tischer ist einer der bekanntesten deutschen Wrestler. In Dresden gibt er sein Wissen jetzt in einer eigenen Schule weiter. © Marc Körner

Dresden/Coswig. Es ist nicht ganz die Geschichte vom Tellerwäscher zum Millionär. Doch das Leben von Axel Tischer hätte auch ganz anders verlaufen können. Ein Dresdner Junge, der in der Platte aufwuchs, fürs Lernen nicht viel übrig hatte und nach der neunten Klasse mit Hauptschulabschluss die Schule verließ. Ohne das große Geld.

Jetzt, mehr als 20 Jahre später, sitzt er im Schwingsessel seiner Wrestling-Schule in einer früheren Großküche in der Dresdner Stauffenbergallee - nur einen Steinwurf von der Wohnung entfernt, in der er aufwuchs. An der Wand hängen viele Fotos, die ihn krawallig oder feiernd im Ring zeigen. Axel Tischer ist derzeit vermutlich der einzige Wrestler in Deutschland, der allein von den Sport-Shows leben könnte. Macht der 37-Jährige aber nicht.

Vormittags liefert er Essen im Großraum Dresden aus. Und die wenigsten Kunden dürften wissen, dass der nette bärtige Typ am Abend in den Ring steigt - und dort ein ganz anderes Gesicht zeigt. "Für die Familie habe ich eine Verantwortung, meine Frau ist zu Hause und kümmert sich um unsere beiden Kindern. Daher ist mir der Teilzeit-Job wichtig", sagt der Familienvater.

Der Junge aus der Dresdner Platte lebte seinen Traum in den USA

Viele Jahre war Axel Tischer als Profi-Wrestler unterwegs, lebte in den USA, verdiente durchaus großes Geld. Doch er kennt eben auch die Kehrseite der Medaille, das Geld allein wirklich nicht glücklich macht. "Man versucht, emotionale Löcher mit Materialismus zu stopfen", sagt er. Heute macht er sich nichts mehr aus Markenklamotten. Am Anfang seiner Karriere sah das noch anders aus.

Sein Weg ins Showbusiness führte übers Kabelfernsehen. Als in den 1990er-Jahren deutsche Privatsender erstmals Wrestling-Shows aus den USA übertrugen und Hulk Hogan in vielen Kinderzimmern zum Held wurde, saß irgendwann auch Axel Tischer vorm Fernseher. "Ich habe mich sofort in die muskelbepackten Typen, die sich schmeißen und prügeln, verliebt. Ich war Feuer und Flamme", erzählt er.

Für jede Wrestling-Show gibt es ein Drehbuch. Spannend sei es trotzdem, sagt Axel Tischer (unten) - und wie im Kino.
Für jede Wrestling-Show gibt es ein Drehbuch. Spannend sei es trotzdem, sagt Axel Tischer (unten) - und wie im Kino. © Marc Körner

Als 14-Jähriger versuchte Tischer sich das erste Mal selbst im Wrestling - und bekam auch gleich die Frage aller Fragen beantwortet. Ist Wrestling nur Show oder steckt hinter der Fassade doch mehr? Eine Aktivität etwa, die mit anderen Kampfsportarten vergleichbar ist. Seine Antwort, damals wie heute: "Du musst sportlich sein wie ein Kampfsportler, unterhaltsam wie ein Schauspieler und robust wie ein Stuntman."

Für jede Show gibt es ein Skript, je professioneller, desto ausgefeilter. Das lernte er mit den Jahren. Nach der Schule machte Tischer erstmal aber noch eine Ausbildung als Fachkraft für Schutz und Sicherheit und verpflichtete sich danach als Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Seine ersten Schritte machte der Kämpfer mit dem Ringnamen „Axeman“ (Axt-Mann) in dieser Zeit bei der German Wrestling Federation aus Berlin.

Und dort fiel er auch den großen Show-Machern aus den USA auf und schaffte das, wovon wohl fast jeder Wrestler träumt: 2015 unterschrieb der Dresdner einen Vertrag bei der weltweit erfolgreichsten Wrestling-Liga World Wrestling Entertainment (WWE). Mit 28 Jahren zog er mit seiner Frau in die USA. "Ich hatte auch ein bisschen Glück. Man hatte damals internationale Talente gesucht", erzählt Tischer, "als blonder, großer, blauäugiger Typ passte ich in das Profil."

Der erste Vertrag war gleichwohl noch keine Erfolgsgarantie: Im Trainingszentrum in Orlando, Florida, musste sich Tischer wie alle Talente auf die Herausforderungen eines Wrestlers vorbereiten, bevor er in der Nachwuchsliga erste Erfahrungen vor Kameras sammeln durfte und für Auftritte in den Hauptshows als TV-Produkt fit gemacht wurde.

"Axeman" spielt lieber den Bösewicht

"Wir hatten viel Schauspielunterricht. Man lernt auch, wann man in welche Kamera schauen muss", sagt der Dresdner. Zum Training gehört beispielsweise zudem, Gegner verbal auseinandernehmen zu können. Tischer, der bei der WWE unter dem Namen Alexander Wolfe auftrat, hatte das Talent. Er war der erste Deutsche, der beim Showkampf-Marktführer 2017 sogar einen Titel gewann. Und auch bei den Hauptshows, wo die Superstars aufeinandertreffen, war er zu sehen.

Den Bösewicht spielt er etwas lieber, aber auch den Guten kann er mimen - so wie es das Drehbuch vorschreibt. Und dafür gibt es ein Kreativteam. Für jede große Show wird ein Skript verfasst, in dem der Ablauf detailliert festgelegt wird. Dazu zählen die Kämpfe, die Sieger, Verlauf der Interviews sowie abseits des Rings stattfindende Prügeleien. Schließlich geht es darum, die Zuschauer mehr als nur zu unterhalten. "Es ist ein bisschen wie Kino. Jeder weiß, es ist nicht echt - und trotzdem taucht man in den Film ab."

"Eine professionelle Wrestling-Show" verspricht Axel Tischer (links) für die Veranstaltung am 14. September in der Börse Coswig. Er steigt dort auch selbst in den Ring.
"Eine professionelle Wrestling-Show" verspricht Axel Tischer (links) für die Veranstaltung am 14. September in der Börse Coswig. Er steigt dort auch selbst in den Ring. © privat

In den USA hat Tischer im Jahr sechsstellig verdient und lebte in Miami in einem Haus. "Man wird von den Firmen auf Händen getragen", erzählt er. Als er jedoch mit Schlüsselbeinbruch mal länger ausfiel, fielen Einnahmen sofort weg. Und zurückgelegt hatte er in dieser Zeit auch nicht viel. Nach der Geburt seines ersten Kindes wollte er ohnehin perspektivisch wieder zurück nach Deutschland.

Schneller als geplant kam dann allerdings der Abschied von der ganz großen Wrestling-Bühne. Im Mai 2021 fiel er einer coronabedingten Entlassungswelle zum Opfer und kehrte mit seiner Familie in die Heimat zurück. Doch der Profi haderte nicht lange mit der Situation, hatte längst wieder neue Pläne.

Mit Kumpels gründet er eine Wrestling-Schule in Dresden

Seine Erfahrung gibt Tischer seit Mai 2023 in einer eigenen Wrestlingschule in Dresden weiter. "Eigentlich war die Eröffnung für 2022 geplant, aber Bürokratie und die Suche nach einem passenden Gebäude haben es verzögert", sagt er. Tischer ist Cheftrainer des Trainingszentrums "Sport Center Dresden", das er zusammen mit zwei Geschäftspartnern aufgebaut hat. Etwa 25 Mitglieder hat der Verein.

Als Freelancer ist der 95-Kilo-Mann inzwischen wieder oft im Ring zu sehen. An diesem Samstag (14.9.) zum Beispiel, mit Kumpels hat er zum zweiten Mal eine Veranstaltung in der Börse Coswig organisiert. "Wir garantieren eine professionelle Wrestling-Show mit viel Action. Jeder Zuschauer wird mit einem Lächeln nach Hause gehen", meint Tischer, der auch selbst auftritt.

Seine Rolle in der Heimat dürfte feststehen. "Als Dresdner Junge und im Osten bin ich der Gute. Im Westen spiele ich eher den Bösen, und das liegt mir sogar mehr. Da habe ich die Kontrolle und kann meinen Gegner gut aussehen lassen", erklärt Tischer. Der Lokalmatador weiß, was die Zuschauer sehen wollen: "Das ist von Land zu Land unterschiedlich, aber im Osten wollen sie mehr Bud-Spencer-Style als Party."