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Comeback nach der Babypause: Mütter im olympischen Medaillenkampf

Kind und Karriere schließen sich längst nicht mehr aus. Bei den Olympischen Spielen in Paris wollen Mamas Topleistungen zeigen. Der Weg dahin ist individuell und begleitet von Tabus.

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Angelique Kerber brachte vor anderthalb Jahren Tochter Liana zur Welt, startet jetzt in Paris.
Angelique Kerber brachte vor anderthalb Jahren Tochter Liana zur Welt, startet jetzt in Paris. © dpa/Andreas Gora

Von Christian Kunz, Kristina Puck, Claas Hennig und Michael Rossmann

Wenn Angelique Kerber und Gesa Felicitas Krause in Paris um ihre Olympia-Ziele kämpfen, sind Liana und Lola in ihren Herzen dabei. Die dreimalige Grand-Slam-Siegerin und die zweimalige Hindernis-Europameisterin gehen bei den Sommerspielen erstmals als Mütter an den Start. Sie haben damit schon einen bemerkenswerten Weg gemeistert: die Rückkehr in den Leistungssport. Den Olympiasiegerinnen Jessica von Bredow-Werndl (Dressur) und Laura Ludwig (Beachvolleyball) glückte dieses Kunststück schon zweimal.

„Tennis ist für mich schon mein Leben, deshalb bin ich auch zurückgekommen, weil ich es liebe, Tennis zu spielen – und diese Leidenschaft für den Sport einfach so groß ist“, sagt Kerber, die vor rund anderthalb Jahren Tochter Liana zur Welt brachte. Nach Silber 2016 will sie in Frankreich auch als Mutter erfolgreich sein.

Krause, die noch mit Baby-Bauch auf die Laufstrecke ging, wollte ebenfalls unbedingt zurück. Wenngleich der Weg zum Comeback für sie „auch ein Experiment“ war. Wenige Monate nach Liana kam Lola auf die Welt – und seitdem begleitet die Leichtathletin eine Erkenntnis, die auch Nicht-Leistungssportler-Mamas nur zu gut kennen. „Man lernt mit dem Muttersein, auf Knopfdruck zu funktionieren“, sagt Krause über den Wechsel von Kinderbetreuung und Wettkampfmodus. Über allem steht dabei für die EM-Zweite von Rom die „Mutterliebe – und das ist einfach eine total schöne Reise.“

Sportlerinnen fragen sich: Wer bezahlt die Betreuung?

Die Entscheidung, die Karriere für mindestens ein Jahr zu unterbrechen und ein Kind zu bekommen, vielleicht sogar auf dem Höhepunkt der Laufbahn, ist schwierig. Die Frage um die Karrierefortsetzung – und damit auch die um Verträge, Kaderstatus oder Sponsoren – treibt viele um. Nicht jede Mutter hat ein üppiges Preisgeld wie Kerber in der Hinterhand.

„Vor Sportlerinnen, die während ihrer Karriere ein Kind bekommen, ziehe ich den Hut. Es ist cool, dass sich immer mehr Frauen diesen Schritt zutrauen“, sagt Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen. Für die mittlerweile zweifache Mutter kam ein Kind während der Karriere nie infrage. „Ich wäre da immer hin- und hergerissen gewesen“, so die frühere Weltklasseschwimmerin. Waren die Olympia-Mütter einst die viel bestaunte Ausnahme, kämpfen nun immer mehr Mamas um Medaillen. „Das Thema wird stetig größer. Es gibt immer mehr Frauen, die ihre Karriere nicht beenden wollen, um ein Kind zu bekommen. Einfach ist die Entscheidung nicht, weil sie mit Risiken verbunden ist“, erklärt Expertin Nina Ferrari von der Deutschen Sporthochschule in Köln.

„Es ist ja nie gesagt, dass eine Schwangerschaft normal verläuft, und auch jede Geburt ist anders“, führte die Sportwissenschaftlerin aus. Bei der Mutter-Frage kommt es zudem auf die Sportart an. „Im Turnen, wo die Sportlerinnen oft sehr jung sind und das Alter ein limitierender Faktor ist, stellt sich die Frage anders als etwa im Rodeln, Bob oder Tennis.“ Auf ein exemplarisches Return-to-Sport-Protokoll kann man bei der Vielfalt der Sportarten und erst recht wegen der unterschiedlichen Geburten nicht zurückgreifen. „Da geht es um sehr individuelle Themen, und es gibt keine Richtlinie“, sagte Ferrari.

Hindernisläuferin Gesa Felicitas Krause feierte nach ihrer Baby-Pause ein erfolgreiches Comeback, wurde Zweite bei der EM in Rom.
Hindernisläuferin Gesa Felicitas Krause feierte nach ihrer Baby-Pause ein erfolgreiches Comeback, wurde Zweite bei der EM in Rom. © dpa/Oliver Weiken

Wichtig: Der Beckenboden muss entsprechend aufgebaut werden. Das Tabu-Thema Inkontinenz, vielleicht auch erst in späteren Jahren, darf nicht ausgeblendet werden. „Ich habe mir auch viele Gedanken gemacht und großen Respekt gehabt“, sagt Krause in dem Podcast Blut, Schweiß & Training. „Falscher Ehrgeiz hat keinen Platz.“ Früh band sie aber das Laufen wieder in ihren Alltag ein. Beachvolleyballerin Ludwig verzichtete länger auf Schnelligkeitstraining auf hartem Boden, „weil ich meinen Beckenboden schonen wollte“.

Pluspunkte kann frühzeitige Aktivität bringen. „Für junge Mütter bringt das Training den Vorteil mit, dass sie weniger anfällig für Stimmungsschwankungen oder den Babyblues sind“, betont Psychologin Marion Sulprizio. Aber es sei wichtig, auf den Körper zu achten; und die Erholung sei eben eine individuelle Sache.

Allgemeingültig ist dagegen für das Comeback: Ohne ein funktionierendes Umfeld geht’s nicht, nach der Geburt ist ein gutes Team gefragt. Wichtig sind engmaschige gynäkologische Untersuchungen, Physiotherapeuten müssen eingebunden werden, eine gute Hebamme am Anfang hilft sehr. Ebenso wie ein einfühlsamer Trainer.

„Es ist das eine, sich zu sagen, ich kann es schaffen, als Sportlerin ein Kind zu bekommen, ich bin motiviert. Auf der anderen Seite muss man die neue Situation planen und organisieren“, sagt Sulprizio. „Dafür braucht man ein Team, einen Partner, der sich einbringt, Familienangehörige wie die Oma oder eine Nanny. Vielen Sportlerinnen fehlt dieses Umfeld – oder auch das Geld, weil das alles auch finanziert werden muss.“ (dpa)