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Die ersten Olympia-Tage in Paris: Zwischen Schlachtrufen und Schmutzwasser

Die Eröffnungsshow begeistert viele, die Zuschauer strömen zu den Wettkämpfen, die Sportler schwärmen von der Stimmung. Doch die Qualität des Wassers in der Seine macht den Veranstaltern weiter Sorgen.

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Am Freitag wurde in den Tuilerien am Louvre das olympische Feuer entfacht. Bis zu 10.000 Menschen können die durch Leuchtdioden inszenierte Feuer-Illusion jeden Tag kostenlos besuchen.
Am Freitag wurde in den Tuilerien am Louvre das olympische Feuer entfacht. Bis zu 10.000 Menschen können die durch Leuchtdioden inszenierte Feuer-Illusion jeden Tag kostenlos besuchen. © Jan Woitas/dpa

Von Jens Kürbis

Paris. Arena Champ-de-Mars, nur einen Steinwurf vom Eiffelturm entfernt. Die ersten Finalkämpfe im Judo. Und das in Frankreich, im Land von Teddy Riner, dem Dreifach-Olympiasieger, der das olympische Feuer bei der spektakulären Eröffnungsshow am Freitagabend mit entzündet hat.

Judo ist hier Nationalsport, der Grand Slam im Februar stets ausverkauft. Mit 8.000 Zuschauern ist die Arena randvoll bis unters Dach – und das schon am Vormittag. Jede Aktion, jede Bewegung wird frenetisch bejubelt. Wie auch die ersten französischen Medaillen für Frankreich, die Judoka Luka Mkheidze (Silber) und Shirine Boukli (Bronze) am Tag nach der Eröffnung holen. „Die Stimmung ist gigantisch, einmalig“, schwärmt die schwedische Olympiasiegerin Tara Babulfath.

Eine der schönsten von vielen Wettkampfstätten haben die Beachvolleyballer, die unterm Eiffelturm aufschlagen. Nach dem verregneten Samstag feiern beim Auftaktsieg der deutschen Meisterinnen Cinja Tillmann und Svenja Müller gegen Frankreich 12.950 Menschen im vollbesetzten Rund mit „Laola“ und lauten Rufen. „Es war wirklich cool, hier zu spielen. Als die französischen Mädels eingelaufen sind, konnte ich Svenja gar nicht mehr verstehen“, sagt Tillmann. 2012-Olympiasieger Jonas Reckermann lobt: „Das ist ein sehr faires Publikum, ganz anders als in Rio, als die brasilianischen Gegner ausgepfiffen wurden.“

Tausende Zuschauer selbst bei den morgendlichen Wettkämpfen

Sprung in den Süden. Drei Arenen, vier Sportarten. Auf der Expo Porte de Versailles, einem der größten Ausstellungs- und Kongresszentren Europas, ist in den Olympiatagen Handball, Volleyball, Tischtennis und Gewichtheben beheimatet. Morgens um neun ist Arena 6, in der gut 6.000 Zuschauer Platz finden, proppenvoll. Es wird getanzt, gesungen. Der Handball feiert im Land der Weltmeister und Olympiasieger sich selbst. Die deutsche Nationalspielerin Xenia Smits findet die Stimmung „überragend. Bei EM und WM sind die Hallen oft leer. Das hier ist olympisches Flair. Ich freue mich, dass wir hier noch ein paar Spiele haben.“

Schmetterschlag nach nebenan zum Tischtennis. Dang Qiu gerät trotz der deutschen Mixed-Niederlage regelrecht ins Schwärmen: „Die Stimmung ist unfassbar schön. Die Zuschauer haben Bock auf Olympia, Bock auf Sport.“

Aufschlag eine Halle weiter. Dahin, wo Volleyball gespielt wird. Deutschland gegen Japan. 10.500 Zuschauer. Auch hier: ausverkauft. Morgens um neun. „Na, na, na“, schallt es in den Pausen von den Rängen. Bei Blocks schreien die Fans „Monster, Monster, Monsterblock“ und bewegen sich rhythmisch hin und her. So heftig, dass die Stahlrohrtribüne leicht ins Schwingen kommt. Breakdancer in den Pausen, dazu ein Mix aus japanischer Musik und „Völlig losgelöst“.

Weiter zum Rudern. Julius Christ hat gerade das Halbfinale im Zweier ohne Steuermann mit Sönke Kruse erreicht. „Es war ultrageil. Diese riesige Tribüne. Alle brüllen, alles in einfach laut. Das pusht richtig. Besser hätten wir uns das nicht vorstellen können“, schwärmte Christ von der Atmosphäre im Stade Nautique.

Olympiasieger Märtens: "Das ist total geil"

Den wohl größten Jubel gibt es am Samstag beim 7er-Rugby. 70.000 Zuschauer feiern im Stade de France den Olympiasieg Frankreichs, dass das jahrelang bei Olympia niederlagenlose Fidschi mit 28:7 bezwungen hat, frenetisch mit ihrem Team. Auch Rugby hat Nationalsportstatus.

Beim Fußball, beim Hockey – überall das gleiche Bild: Tolle Stimmung, volle Tribünen. 17.000 Zuschauer schon bei den Vorläufen beim Schwimmen, am Abend dann noch Starauflauf mit Schauspieler Tom Cruise und Rap-Superstar Snoop Dogg. „Das ist total geil“, sagt Olympiasieger Lukas Märtens. Es erinnert an London 2012, als die sportbegeisterten Briten nahezu jede Veranstaltung enterten, es nicht mal mehr Tickets auf dem Schwarzmarkt gab.

Schon die Eröffnungsfeier am Freitagabend hatte für viel Begeisterung gesorgt. Als Celine Dion die atemberaubende, historische und pompöse Veranstaltung unter dem Eiffelturm mit der „Hymne an die Liebe“ gekrönt hatte, verließen die Menschen durchnässt, aber glücklich das größte Theater der Welt.

In den Augen der Athletinnen und Athleten, die ausgeharrt hatten, glänzte der schöne Schein – und die ein oder andere Träne der Rührung angesichts des „Meisterwerks der Geschichte und der Überraschung, des Kitsches und des Sports, der Kunst und Mode“. Nicht nur die New York Times kommentierte die Eröffnungsshow der Sommerspiele der 33. Olympiade überschwänglich, viele Beobachter des gigantischen Spektakels überschlugen sich vor Lob. Die Marca in Spanien sah sogar „die beste Zeremonie in der Geschichte der Spiele“

Höhere Temperaturen sollen für Besserung in der Seine sorgen

Doch nicht alles ist positiv an diesen Anfangstagen in Paris. Die Absage des ersten Schwimmtrainings der Triathleten nährt die Zweifel an den geplanten Wettbewerben in der Seine. Weil die Wasserqualität aus Sicht des Weltverbands nicht ausreichend war, entschieden die Organisatoren der Sommerspiele, auf die Übungseinheiten im Schwimmen zu verzichten. Nur das Lauf- und Radtraining auf der olympischen Strecke sollte stattfinden.

Die am Samstag durchgeführten Tests hätten nicht die vom Triathlon-Dachverband geforderten Garantien für eine ausreichende Sauberkeit des Wassers geliefert, um das Schwimmen erlauben zu können, hieß es. Grund seien die Regenfälle der vergangenen Tage in Paris. „Paris 2024 und World Triathlon bekräftigen, dass die Gesundheit der Athleten Priorität hat“, teilten die Olympia-Macher mit.

Lange Zeit war in Paris darüber diskutiert worden, ob die Qualität des Wassers in der Seine wirklich gut genug sei, damit dort Wettkämpfe stattfinden können. 1,4 Milliarden Euro waren im Großraum Paris in den vergangenen Jahren in Kläranlagen und das Abwassersystem investiert worden, um die Wasserqualität zu verbessern. Verhindert wird nun unter anderem, dass bei Starkregen mit den Wassermassen auch Toilettenabwässer in den Fluss gelangen.

Bei Kontrollen in den vergangenen Monaten ließ die Wasserqualität dennoch zu wünschen übrig. Dies begründete die Stadt mit der ungewöhnlichen feuchten Witterung und niedrigen Temperaturen. Denn bei höheren Temperaturen und einem niedrigeren Wasserstand der Seine würden Krankheitserreger dort schneller abgebaut. Die Wettervorhersagen mit viel Sonne in den nächsten Tagen stimmen die Organisatoren derzeit noch optimistisch, die Wettbewerbe nicht verlegen zu müssen. Man sei zuversichtlich, dass die Grenzwerte bis zur ersten Triathlon-Entscheidung am Dienstag wieder unterschritten werden.

Chef-Bundestrainer Thomas Moeller versicherte, im Wissen um die besonderen Bedingungen habe die Absage des Trainings das deutsche Team „nicht groß aus der Ruhe gebracht“. Es sei ein alternatives Training organisiert worden. „Wir hoffen, dass die Sonne dafür sorgt, dass alles so weitergeht, wie das eigentlich geplant war“, sagte Moeller. Die Männer könnten nun am Montag gemeinsam mit den Frauen ihr Schwimmtraining absolvieren, um für ihr Medaillenrennen am Dienstag vorbereitet zu sein. Neben den Triathleten sollen auch die Freiwasserschwimmer ihre Wettbewerbe in der Seine austragen. Als Alternative ist für sie die Ruderregatta-Strecke vorgesehen. (mit dpa)