Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Sport

Im Tüllrock durch den Schlamm: So lief der Muddy Angel Run in Dresden

Hindernisrennen im Matsch sind angesagt, der Muddy Angel Run ist der größte für Frauen in Europa. 5.000 Frauen strömen auf die Dresdner Galopprennbahn. Um das zu verstehen, hilft nur ein Selbstversuch.

Von Michaela Widder
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die Dresdner Galopprennbahn wurde zum Abenteuerspielplatz: Mehr als insgesamt 11.000 Teilnehmer waren am Wochenende beim Hindernisrennen am Start.
Die Dresdner Galopprennbahn wurde zum Abenteuerspielplatz: Mehr als insgesamt 11.000 Teilnehmer waren am Wochenende beim Hindernisrennen am Start. © SZ/Veit Hengst

Dresden. Auf der Galopprennbahn wimmelt es vor Frauen in pinkfarbenen Shirts, viele in Tüllröckchen, manche mit Perücken. Es ist wie auf einem Festival. Erst mal kurz Schlange stehen, um das Teilnehmerbändchen abzuholen, dann übers Gelände schlendern. Gute Laune überall - und das mitten in der Mittagshitze. Die ersten tausend Frauen sind im Ziel - dreckig bis auf die Unterhose, aber glücklich.

Der Muddy Angel Run ist die größte Hindernislaufserie für Frauen in Europa und macht zum weiten Mal nach 2023 Station in Dresden. Die Nachfrage ist groß, 5.000 Frauen wollen am Samstag auf der Fünf-Kilometer-Strecke die 15 Hindernisse überwinden - die meisten im Team und in einem gemeinsamen Outfit. Als Einzelstarterin fällt man schon auf.

Ursprünglich wurden Hindernisläufe von Armeen entwickelt, bei Rennen wie "Tough Mudder" oder "Xletix" wird man auch Stromschlägen ausgesetzt und muss durch Eiswasser tauchen - eher ein Vergnügen für Hartgesottene. Beim Muddy Angel Run geht es vielmehr um einen "spaßigen Tag" als um eine "krasse sportliche Herausforderung", meint Eventmanager Cedric Habbe von der veranstaltenden Xletix Gmbh. "Die Schlammparty steht im Vordergrund, nicht das verausgaben."

Es geht nicht um Sieg, sondern ums Teamgefühl

Das Rennen, das es seit 2016 gibt, spricht eine breite Masse an: Läuferinnen, denen fünf Kilometer auf Asphalt wie beim Nachtlauf am Freitag zu stupide sind und die ohne Startnummer und Zeitnahme ins Ziel kommen wollen. Es geht nicht um Sieg, sondern ums Teamgefühl. So auch am Sonntag beim Kinder- und Familienevent mit 6.500 Startern.

Die genaue Startzeit erfährt man erst drei Tage vor dem Rennen. Um das Teilnehmerfeld zu entzerren, gibt es mehrere Startgruppen, der erste Welle 9.40 Uhr, dann geht es im 20-Minuten-Takt auf den Abenteuerspielplatz für Erwachsene. Man probiert Sachen aus, die man aus der Kindheit kennt, jetzt aber nicht mehr macht, weil man sich zu alt dafür fühlt: über einen Autoreifen-Teppich springen, unter einem Krabbelnetz durchschlängeln, über eine rutschige Rampe klettern.

Schon nach den ersten Metern sind die Teilnehmerinnen nass. Es muss durch eine Wassermulde gestiegen werden. Eine willkommene Abkühlung bei der Hitze. Und spätestens beim fünften Hindernis ist keiner mehr sauber. Beim Schlammbecken heißt es Augen zu und unter den Reifen hindurchtauchen. Und dann bitte lächeln für den Eventfotografen, der die schlammigen Erfahrungen als Erinnerungen festhält.

Einheizerin: Vor dem Start gibt es ein kleines Warm-up und ein paar Motivations-Ansagen
Einheizerin: Vor dem Start gibt es ein kleines Warm-up und ein paar Motivations-Ansagen © Foto: SZ/Veit Hengst
Team-Outfit: Viele Frauen starten in einheitlichen Shirts und Tüllröcken
Team-Outfit: Viele Frauen starten in einheitlichen Shirts und Tüllröcken © Foto: SZ/Veit Hengst
Auch Sächsische.de-Reporterin Michaela Widder ist bei der spaßigen Schlammschlacht dabei.
Auch Sächsische.de-Reporterin Michaela Widder ist bei der spaßigen Schlammschlacht dabei. © Foto: SZ/Veit Hengst
Glücklich nach der Poolparty: Jetzt sind es nur noch wenige Meter ins Ziel
Glücklich nach der Poolparty: Jetzt sind es nur noch wenige Meter ins Ziel © Foto: SZ/Veit Hengst
Die pinken Stirnbänder gibt es für jede Teilnehmerin.
Die pinken Stirnbänder gibt es für jede Teilnehmerin. © Foto: SZ/Veit Hengst
Augen zu, Nase zu und ab: Die steile Rutsche ins dreckige  Wasser kostest Überwindung
Augen zu, Nase zu und ab: Die steile Rutsche ins dreckige Wasser kostest Überwindung © Foto: SZ/Veit Hengst
Einmal rutschen und schnell wieder raus dem schlammigen Nass
Einmal rutschen und schnell wieder raus dem schlammigen Nass © Foto: SZ/Veit Hengst
Besser ist's, wer eine Badehaube trägt.
Besser ist's, wer eine Badehaube trägt. © Foto: SZ/Veit Hengst
Teamarbeit: Bei der schrägen und wackeligen Wand helfen sich viel Frauen gegenseitig - und feiern sich.
Teamarbeit: Bei der schrägen und wackeligen Wand helfen sich viel Frauen gegenseitig - und feiern sich. © Foto: SZ/Veit Hengst
Schaumparty: Ein Höhepunkt im Parcours der 15 Hindernisse.
Schaumparty: Ein Höhepunkt im Parcours der 15 Hindernisse. © Foto: SZ/Veit Hengst
Die größte Schaumparty von Dresden: Der Muddy Angel Run
Die größte Schaumparty von Dresden: Der Muddy Angel Run © Foto: SZ/Veit Hengst
Das Schaumbad zählt zum Lieblingshindernis
Das Schaumbad zählt zum Lieblingshindernis © Foto: SZ/Veit Hengst
Nach dem Schaum ist vor dem nächsten Schlamm
Nach dem Schaum ist vor dem nächsten Schlamm © Foto: SZ/Veit Hengst
Frauen statt Pferde anfeuern Es gab auch Unterstützung am Streckenrand
Frauen statt Pferde anfeuern Es gab auch Unterstützung am Streckenrand © Foto: SZ/Veit Hengst
Frauen unter sich: Spaß, Spaß, und nochmal Spaß
Frauen unter sich: Spaß, Spaß, und nochmal Spaß © Foto: SZ/Veit Hengst
Bei der Hitze ist jede Abkühlung willkommen
Bei der Hitze ist jede Abkühlung willkommen © Foto: SZ/Veit Hengst

Die meisten Teilnehmerinnen lassen es eher ruhig angehen, zwischen den Hindernissen joggen die wenigsten. Viele sind in Plauderlaune, tauschen sich über die vergangene Woche oder auch den Ehemann aus. Frauengespräche gehören wohl zum Muddy Angel Run wie Schlamm und Dreck. Und davon gibt es im Parcours genug.

Mal geht es über eine steile Rutsche in ein Wasserbecken, das eher den Namen Dreckbrühe verdient, im Gitterbecken geht es auf dem Rücken liegend wieder durchs braune Wasser und kriechend durch eine Matschstrecke. Es wird gefeiert, gejubelt und gegrölt.

An manchen Hindernissen staut es sich, doch das stört niemanden. Die Zeit ist schließlich egal, und das Motto lautet: je dreckiger, desto besser gelaunt. Spaßiger Höhepunkt vor der Haupttribüne ist das Schaumbad, das irgendwie an die 1990er-Jahre-Schaumparty in der Disco erinnert. Und kurz vorm Ziel wartet noch die beliebte Poolyparty mit reichlich Wasserbällen auf die Frauen.

Alle für eine: Nicole Nicolai (3. v. links) erkrankte 2022 an Brustkrebs, ihre Kolleginnen von Büker Zahntechnik halfen ihr in der schweren Zeit. Jetzt haben sie zusammen Spaß.
Alle für eine: Nicole Nicolai (3. v. links) erkrankte 2022 an Brustkrebs, ihre Kolleginnen von Büker Zahntechnik halfen ihr in der schweren Zeit. Jetzt haben sie zusammen Spaß. © Foto: SZ/Veit Hengst

Klitschnass, Hand-in-Hand und mit einem breiten Grinsen geht es dann ins Ziel. Statt einer Finisher-Medaille gibt es ein pinkfarbenes Armband für jeden Schlammengel, wie die Organisatoren ihre Teilnehmerinnen nennen. Die knallige Farbe ist kein Zufall. Es geht um ein ernstes Thema. Die pinkfarbene Schleife "Pink Ribbon" steht weltweit als Symbol für das Engagement gegen Brustkrebs.

Auch der Muddy Angel Run setzt sich für die Aufklärung über die Krankheit ein. Ein Euro pro Ticket, das mindestens 49 Euro kostet, geht an Brustkrebs Deutschland e.V. Und erkrankte Frauen wie Nicole Nicolai bekommen einen kostenlosen Startplatz. Die Dresdnerin war 2022 an Brustkrebs erkrankt. "Nach meiner Chemo bin ich im vorigen Jahr mitgelaufen. Ein großer gemeinsamer Spaß", erzählt sie und zeigt auf ihr sechsköpfiges Team: "Das sind meine Arbeitskollegen von der Büker Zahntechnik, die mich super gut in der ganzen Zeit unterstützt haben."

Bei der zweiten Auflage kann die 48-Jährige wegen einer Operation vor wenigen Tagen nicht starten, unterstützt aber ihr Team, die jüngste gerade mal 19, die älteste 53. "Jedes Alter, jede Gewichtsklasse läuft hier mit. Das ist toll. Und man kann sich schön dreckig machen", sagt Nicole Nicolai. "Das Duschen danach ist das Highlight." Hunderte nackige Frauen stehen im abgegrenzten Outdoor-Duschpark auf Paletten, spritzen sich oder auch gegenseitig mit einem kalten Wasserschlauch den groben Dreck ab. Fazit: Es ist ein reiner Spaß-Wettkampf. Doch als Solistin nur halb so schön.