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Kommunist und Hobbykicker: Warum das Dresdner Steyer-Stadion seinen Namen hat

Das Heinz-Steyer-Stadion in Dresden steht nach dem millionenschweren Umbau vor der Wiedereröffnung. Muss es aber auch umbenannt werden, weil der Name an einen Kommunisten erinnert? Pläne gibt es längst.

Von Timotheus Eimert
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Das Heinz-Steyer-Stadion in Dresden wird nach einem gut 53 Millionen Euro teurem Umbau wiedereröffnet. Geblieben ist der Name - und Forderungen nach einer Umbenennung.
Das Heinz-Steyer-Stadion in Dresden wird nach einem gut 53 Millionen Euro teurem Umbau wiedereröffnet. Geblieben ist der Name - und Forderungen nach einer Umbenennung. © Foto: SZ/Veit Hengst; Deutsche Fotothek/Höhne-Pohl; SZ-Montage

Dresden. Das Heinz-Steyer-Stadion erstrahlt in neuem Glanz. Am 30. August wird das Sportschmuckstück Dresdens mit einem internationalen Leichtathletik-Meeting offiziell eröffnet. Fast alles in und an der Arena, die für rund 53 Millionen Euro umfangreich saniert und umgebaut wurde, ist neu. Geblieben ist jedoch der alte Name. Warum eigentlich?

Denn Heinz Steyer war nicht etwa ein großer Sportler - im Gegensatz beispielsweise zu Rudolf Harbig. Der Mittelstreckenläufer stellte zwischen 1939 und 1941 vier Weltrekorde auf, und nach ihm ist die Heimspielstätte des Fußball-Drittligisten Dynamo Dresden benannt. Der 1909 in Dresden geborene Steyer arbeitete hingehen als Drucker bei der Firma Schrader in der Neustadt und spielte lediglich in seiner Freizeit leidenschaftlich Fußball im Arbeitersportverein des Allgemeinen Deutschen Turnerbunds (ADT).

Bekannt geworden ist Steyer aber nicht durch sein fußballerisches Können, sondern durch seine politischen Aktivitäten. "Mit 18 Jahren trat Heinz Steyer dem kommunistischen Jugendverband und später der KPD bei. Wegen der Parteizugehörigkeit wurde er wie andere aus dem ADT ausgeschlossen. Fortan kickte er bei der Kampfgemeinschaft der Sporteinheit Rot-Weiss weiter", erklärt Historiker Andreas Peschel, der sich am Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde näher mit Heinz Steyer beschäftigte.

Dresdner Steyer wird in Griechenland erschossen

"Als überzeugter Kommunist", so Peschel, "war Steyer zudem aktiv am Widerstand gegen die Nationalsozialisten beteiligt." Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht gelangten, engagierte sich der Familienvater unter anderem in der Widerstandsgruppe Dresden-Kaditz und verteilte die damals verbotenen Zeitungen "Depesche" und "Der Rote Stern".

"Nach wenigen Monaten wurde er deshalb verhaftet und in einem Prozess vor dem Oberlandesgericht in Dresden wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt", berichtet Peschel. Seine Strafe saß er in den Gefängnissen Waldheim und Zwickau ab. Es folgten weitere Verhaftungen und Zuchthausstrafen. Im Februar 1943 wurde Steyer in das Lager Heuberg in Württemberg einberufen und dem Strafbataillon 999 zugeteilt.

Am 22. Juni 1943 wurde seine Einheit nach Griechenland verlegt. Auf dem Peloponnes in der Gegend zwischen Amaliada und Pergos absolvierte er im 2. Weltkrieg seinen Dienst als Funker beim Bataillonsstab. "Steyer knüpfte Kontakte zu griechischen Partisanen und verriet ihnen die Operationsgebiete der deutschen Armee", erzählt Peschel. "Als das bekannt wurde, wurde er im Juli 1944 verhaftet und wegen Hochverrats zum Tod verurteilt." Am 12. Juli 1944 wurde Steyer schließlich im griechischen Ai Giannis erschossen.

"KPD hat zum Mord von Andersdenkenden aufgerufen"

Viel mehr ist über den Widerstandskämpfer nicht belegt. "Für das Schreiben einer Kurzbiografie ist es eigentlich einfacher, wenn weniger Quellen zur Verfügung stehen", erklärt Peschel. "Doch wenn es eine wirkliche Aufarbeitung geben soll, sind mehr und aussagekräftigere Quellen immer besser."

Und hier liegt das Problem: "Diese ernsthafte Aufarbeitung seiner Person hat es seit der Wende nicht gegeben", meint wiederum Andreas Tschorn.

Der 44-Jährige ist erster Vorsitzender des Verbandes Deutscher Fußball-Historiker und seit 19 Jahren im Ehrenamt Vereinsarchivar des Dresdner SC. Der gebürtige Dresdner, der mittlerweile in Rannungen bei Schweinfurt lebt, hält es für falsch, eine Sportstätte nach einem kommunistischen Widerstandskämpfer zu benennen. "Das passt für mich nicht zusammen", sagt er und betont: "Steyer war aktives Mitglied in der KPD und das waren wahrlich keine Engel, auch sie haben zum Mord von Andersdenkenden aufgerufen."

Heinz Steyer wurde am 20. Dezember 1909 in Dresden geboren und am 12. Juli 1944 in Griechenland hingerichtet. Bekannt wurde er nicht als Fußballer, sondern vor allem als Widerstandskämpfer gegen die Nazis. Ein Gedenkstein vor dem Stadion erinnert an ihn.
Heinz Steyer wurde am 20. Dezember 1909 in Dresden geboren und am 12. Juli 1944 in Griechenland hingerichtet. Bekannt wurde er nicht als Fußballer, sondern vor allem als Widerstandskämpfer gegen die Nazis. Ein Gedenkstein vor dem Stadion erinnert an ihn. © Foto: SZ/Veit Hengst

Problematisch sei auch, wie Steyer fünf Jahre nach seinem Tod Namenspatron für das 1919 eröffnete Stadion im Ostragehege wurde. Denn eigentlich hatte er keine Berührungspunkte zum Stadion. "Die Umbenennung 1949 war letztlich eine politische Antwort der neuen Machthaber auf die Bestrebungen des DSC-Nachfolgers SG Friedrichstadt, das Stadion in Rudolf-Harbig-Stadion umzubenennen", erklärt Tschorn. Stattdessen wurde zwei Jahre später die Ilgen-Kampfbahn nach dem Weltklasseläufer benannt.

"Das Bild von Heinz Steyer ist zu großen Teilen ein Propagandabild der SED", sagt Tschorn und wünscht sich eine ernsthafte und neutrale Aufarbeitung des Lebens von Heinz Steyer - vor allem vor 1933: "Er war zwar ein Widerstandskämpfer gegen die Nazis, aber als strammer Kommunist mit Sicherheit auch kein Freund der freiheitlichen Demokratie. Aus meiner rein persönlichen Sicht hätte man das Stadion bereits nach der Wende 1990 umbenennen müssen."

Geplatzter Traum: Helmut-Schön-Stadion bei der WM 2006

Pläne dazu gab es schon öfters. 1996 zum Beispiel wollte sich Dresden mit einem Helmut-Schön-Stadion als Spielort für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland bewerben. Dafür sollte das Heinz-Steyer-Stadion renoviert werden und knapp 40.000 überdachte Tribünenplätze bekommen.

Bis spätestens 1998 zur 100-Jahr-Feier des Dresdner SC sollte die neue Arena dann den Namen des ehemaligen Bundestrainers, der als Spieler mit dem Dresdner SC 1943 und 1944 Deutscher Meister war, tragen. Doch sowohl aus der Spielort-Bewerbung als auch aus der Umbenennung wurde nichts. "Über die neue Namensgebung war man sich nach der Wende eigentlich lange einig", sagt Tschorn. "Man wollte jedoch warten, bis das Heinz-Steyer-Stadion keine Ruine mehr ist."

Das wäre jetzt der Fall. Doch es gibt auch andere Stimmen. "Als Historiker bin ich kein großer Freund davon, Straßen, Plätze und Gebäude immer sofort umzubenennen", sagt Peschel. Stattdessen solle geprüft werden, ob Namensgeber noch als Vorbild dienen können.

Die Frage kann er bei Steyer nicht eindeutig beantworten. "Klar, er war überzeugter Kommunist. Das kann man problematisch sehen. Doch welches Leben ist schon perfekt?", stellt Peschel eine schwierige Frage. Über eine Stadionumbenennung entscheiden müsste letztendlich ohnehin der Dresdner Stadtrat.