Dresden. Knapp zwei Stunden diskutierten die fünf Teilnehmer über das Thema „Dynamos Fans und das Gewaltproblem“, am Ende durften sie einen Wunsch an einem ihrer Nebenmänner auf dem Podium im Dresdner Penck-Hotel formulieren. Die meisten wünschten sich, dass der gerade begonnene Dialog weitergeführt wird – und zwar mit offenem Visier.
Diese Formulierung tauchte immer wieder am Mittwochabend auf. „Es hat lange genug gedauert“, fand Dresdens Polizeipräsident Lutz Rodig. „Nun müssen wir aber auch wirklich vorurteilsfrei über alles reden, es darf keine Denkverbote geben, und es muss ein wirklich ehrlicher Dialog sein“, forderte er. Sachsens Innenminister Armin Schuster ergänzte diese Bitte um ganz konkrete Punkte: „Es sollte offen diskutiert werden über personalisierte Tickets, über Pyrotechnik, über Schimpfworte wie Bullenschweine“, forderte er.
Schuster regt Debatte über personalisierte Tickets an
Auslöser für die Podiumsdebatte auf Einladung der Sächsischen Zeitung und Sächsische.de wie auch für die neuen Gesprächsformen zwischen den Beteiligten waren Vorfälle bei Dynamos Auswärtsspiel in Bayreuth am 1. Oktober. Der Blick ging aber noch weiter zurück – vor allem auf die Krawalle rund um das Aufstiegsspiel am 16. Mai 2021 gegen Türkgücü München, als 185 Beamte vor dem Rudolf-Harbig-Stadion verletzt worden waren.
Dresdens Polizeipräsident Lutz Rodig sprach angesichts der Videobilder von „Zuständen teilweise wie im Bürgerkrieg“ und listete die Ermittlungserfolge der Soko Hauptallee auf: Die Staatsanwaltschaft habe 180 Anklagen oder Strafbefehle erlassen, es gäbe bisher 64 rechtskräftige Verurteilungen. „Wir denken, dass die Ermittlungen Mitte des Jahres abgeschlossen sein werden.“
Schuster machte deutlich, wie schlecht das bundesweite Image des Vereins ist. Regelmäßig werde er von seinen Kollegen auf Dynamo angesprochen – und dabei nicht auf die sportlichen Ergebnisse. Der Verein sei Thema bei Innenminister- und Sportministerkonferenzen. „Was ich spüre ist: Wenn wir hier nicht die Kurve kriegen, dann machen das andere, dann greifen andere ein. Der DFB hat das große Besteck noch gar nicht rausgeholt“, erklärte der CDU-Politiker und brachte personalisierte Tickets ins Gespräch, ohne deren Einführung konkret zu fordern.
„Die sind keine Drohung. Und was ist an denen überhaupt so schlimm? Der Verein müsste zwar investieren, würde aber auf der anderen Seite womöglich Strafgelder an den DFB einsparen, die zuletzt viel höher waren“, sagte er.
Auswärtstickets gehen wieder in freien Verkauf
Danny Graupner von der Schwarz-Gelben Hilfe, die Dynamo-Anhänger bei Konflikten mit der Justiz berät, bezweifelt einen solchen Effekt. Nach seiner Ansicht gibt es personalisierte Eintrittskarten längst, denn ohne Ausweis könnte man kaum noch welche kaufen – weder Online noch an den Stadionkassen. An den Eingängen werden Tickets und der Name des Stadionbesuchers bisher aber noch nicht abgeglichen.
Eine Änderung bei den Auswärtsspielen kündigte Dynamo-Geschäftsführer Jürgen Wehlend an: Nach den Vorfällen in Bayreuth waren nur Tickets an Mitglieder verkauft worden, ab der Partie am 22. Januar beim VfB Oldenburg gehen sie wieder in den freien Verkauf. Wehlend verwies auf den engen Austausch mit den eigenen Anhängern. „Wir sitzen regelmäßig mit ihnen an einem Tisch. Es passiert an ganz vielen Stellen etwas, das man in der Öffentlichkeit so noch nicht sieht“, erklärte er, stellte aber auch fest: „Wir können es als Verein nicht alleine lösen. Die entscheidende Frage wird sein: Schaffen wir es, die Fans wirklich einzubeziehen?“
Veränderungen gehen nur mit den Fans
In die gleiche Richtung argumentierte Polizeipräsident Rodig: „Sämtliche Veränderungen gehen nur mit den Fans. Wenn sie nicht dahinterstehen, kann es nicht gelingen“, erklärte er. „Wir müssen raus aus dem Verhaltungsmuster: Nach einem Vorfall sind erst mal alle betroffen, doch dann tut sich wenig.“
Nach Bayreuth habe sich was getan, darauf verwies nicht nur Wehlend, sondern auch Ronald Beć, Leiter des Fanprojekts Dresden und meinte damit das Treffen der Fans im Dresdner Rundkino und die gemeinsame Erklärung, in der die Ausschreitungen scharf kritisiert worden waren. Man dürfe sich aber auch nichts vormachen, warnte Bec. „Ganz abstellen kann man das nicht. Das wäre wirklichkeitsfremd. Aber man kann die Wahrscheinlichkeit für solche Vorfälle reduzieren.“
Und das geht nur mit einem Dialog – und zwar mit offenem Visier.
Die ganze Debatte im Video:
Es diskutieren:
- Sachsens Innenminister Armin Schuster
- Dynamo Dresdens Geschäftsführer Jürgen Wehlend
- Dresdens Polizeipräsident Lutz Rodig
- Ronald Beć, Leiter des Fanprojekts Dresden
- Danny Graupner von der Schwarz-Gelben Hilfe.