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An dieses Spiel möchte sich Dynamo-Stürmer Daferner nicht erinnern

Im Februar 2022 liegt Dynamo Dresden nach 18 Minuten mit 0:4 gegen Hansa Rostock zurück. Christoph Daferner war dabei und sagt: "Das will ich nicht noch einmal erleben." Am Samstag kommt es zum ersten Wiedersehen.

Von Daniel Klein
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Das Entsetzen stand Christoph Daferner im Februar 2022 beim Duell gegen Hansa Rostock ins Gesicht geschrieben.
Das Entsetzen stand Christoph Daferner im Februar 2022 beim Duell gegen Hansa Rostock ins Gesicht geschrieben. © pa/dpa/Sebastian Kahnert

Dresden. Christoph Daferner hat in Sachen Erinnerungskultur die effektivste Methode gewählt – die komplette Verdrängung. „Das Spiel habe ich vergessen“, sagt Dynamos Stürmer. Und das ist nicht mal geflunkert. Fragt man den 26-Jährigen nach Details dieses denkwürdigen Spiels gegen Hansa Rostock, Zwischenstände etwa oder Zuschauerzahl, ist die Antwort immer die gleiche: „Ich weiß es wirklich nicht mehr.“

Es war der 6. Februar 2022, als sich die beiden Zweitliga-Aufsteiger im Harbig-Stadion zum Ostduell trafen. Nach 18 Minuten stand es 4:0 für Hansa. Ungläubiges Staunen, lähmendes Entsetzen – das waren die vorherrschenden Reaktionen auf dem Platz wie auf den Rängen, abgesehen natürlich von den Rostocker Anhängern, die skandierten: „Einer geht noch, einer geht noch rein.“ Solch ein Zwischenstand gab es in der bis dahin knapp 70-jährigen schwarz-gelben Vereinsgeschichte noch nie. Selbst bei der denkwürdigen 1:8-Klatsche im November 2018 in Köln stand es zur Halbzeit erst 0:2.

Auch dieses Foto von Christoph Daferner stand sinnbildlich für das ungleiche Duell vor zweieinhalb Jahren.
Auch dieses Foto von Christoph Daferner stand sinnbildlich für das ungleiche Duell vor zweieinhalb Jahren. © dpa/PA/Sebastian Kahnert

Es drohte ein Debakel. „Es fühlte sich an wie ein schlechter Traum. Die Dinger sind uns nur so um die Ohren geflogen“, erzählt Daferner, der sich zumindest schemenhaft doch noch an die Ereignisse erinnern kann. „Schlimm war es vor allem, weil man ja wusste, dass man noch mehr als 70 Minuten spielen muss. Es war eine Stille im Stadion, das will ich nicht noch einmal erleben.“

Es sind fast die gleichen Worte, wie sie der damalige Dynamo-Trainer Alexander Schmidt in der Pressekonferenz wählte: „Ich hätte mich vergraben können in den ersten 20 Minuten. So etwas habe ich noch nie erlebt, das will ich auch nicht noch mal erleben.“ Drei Wochen nach diesem denkwürdigen Ost-Derby wurde Schmidt entlassen, Nachfolger Guerino Capretti gewann kein einziges Spiel und stieg am Ende der Saison mit der Mannschaft in der Relegation gegen Kaiserslautern ab. Rostock dagegen hielt die Klasse.

Daferner ist neben Oliver Batista Meier der Einzige aus dem aktuellen Dynamo-Kader, der damals dabei war. Kollektive Langzeitfolgen sind somit nicht zu befürchten. Die Partie gegen Rostock am kommenden Samstag ist die erste seit dieser schmerzlichen Niederlage. Die Vorzeichen jetzt sind aber völlig andere als vor zweieinhalb Jahren. Wenige Tage davor war die Vereinslegende Hans-Jürgen Dörner verstorben, ihm wurde vor dem Anpfiff in einer Schweigeminute gedacht. Beim Verlesen der Aufstellung verzichteten die Fans auf das laute Rufen der Nachnamen. 10.000 durften wegen der Corona-Auflagen nur ins Stadion. Die Atmosphäre war von Beginn an eine besondere. Im Anschluss wurde gerätselt, ob die mitverantwortlich war für den Dresdner Tiefschlaf-Start.

Feierte sein Debüt im Dynamo-Tor und war trotz der vier Gegentore noch der beste Dynamo-Spieler Torwart Anton Mitryushkin.
Feierte sein Debüt im Dynamo-Tor und war trotz der vier Gegentore noch der beste Dynamo-Spieler Torwart Anton Mitryushkin. © dpa/Sebastian Kahnert

Im Tor stand damals Anton Mitryushkin, der aufgrund einer Handverletzung von Stammkeeper Kevin Broll sein Debüt im Dresdner Tor – nun ja – feierte. Er verhinderte mit einigen Paraden sogar noch Schlimmeres. „Er konnte einem fast schon leid tun“, erklärte Schmidt. „Es war absolut beschissen und beschämend, wie leicht Hansa zu Torabschlüssen kommen konnte.“ Die Treffer fielen fast alle nach dem gleichen Muster: Flanke – Kopfball – Tor. Schmidt reagierte mit einem Doppelwechsel nach 24 Minuten, auch das war sicher eine Premiere in der langen Vereinsgeschichte. „Ich hätte sieben, acht oder neun Leute rausnehmen können“, erklärte er nach dem Spiel, das noch glimpflich endete, weil Julius Kade nach der Pause das 1:4 erzielte und Rostock die Konterchancen nicht mehr nutzte.

„Es war auch für mich das erste Mal, dass ich nach 18 Minuten 0:4 hinten lag“, erzählt Daferner. „So will man im Derby nicht auftreten.“ Und doch wurden beim ersten Heimspiel in dieser Saison Erinnerungen wach, als Dynamo gegen Energie Cottbus nach elf Minuten zwei Gegentreffer kassiert hatte. Am Ende gewann jedoch Dresden mit 4:2.

Für Daferner ist das ein Indiz, dass sich Geschichte am Samstag nicht wiederholen wird. Die Vorzeichen deuten eher in eine andere Richtung, schließlich empfängt der Spitzenreiter den Tabellen-18., der noch keins der fünf Drittliga-Spiele gewinnen konnte. Doch von den Ergebnissen will sich Daferner nicht blenden lassen. „Duelle gegen Rostock waren immer von Kampf, Leidenschaft und Emotionen geprägt. Die gilt es zu kanalisieren“, sagt der Stürmer.

Die Vorfreude ist bei ihm jedenfalls größer als die Sorge darüber, dass es so ähnlich laufen könnte wie im Februar 2022: „Es wird ein geiles und besonderes Spiel.“