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Nur Provokation oder üble Entgleisung? Dynamos Fans und das Gewehr-Plakat

Ein riesiges Bild im Fanblock von Dynamo Dresden beim Spiel gegen Hansa Rostock sorgt für Diskussionen. Ist das derbe Fansprache oder eine Entgleisung, die der DFB ahnden muss? Der Verein sieht kein Problem.

Von Daniel Klein
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Das Banner bedeckte den gesamten K-Block im Rudolf-Harbig-Stadion, war also nicht zu übersehen – ebenso wie die Botschaft der Dynamo-Fans.
Das Banner bedeckte den gesamten K-Block im Rudolf-Harbig-Stadion, war also nicht zu übersehen – ebenso wie die Botschaft der Dynamo-Fans. © dpa/Robert Michael

Dresden. Choreografien der aktiven Fanszene von Dynamo Dresden sind häufig nichts für Feingeister. Die Botschaften sind direkt und eindeutig, mitunter auch anstößig. Das passt zur Sprache in den Fußballstadien, die sich meist nicht an formalen Etiketten orientiert. Doch es gibt Grenzen. Ob die im Heimspiel der Dresdner gegen Hansa Rostock überschritten wurde, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Der Magenta-Reporter wählte bei der TV-Live-Übertragung eine neutrale Formulierung: „Ob einem das gefällt, das darf jeder für sich entscheiden.“ Die Tageszeitung Die Welt legte sich dagegen unter der Überschrift „Dresden-Fans schocken mit geschmackloser Choreografie“ fest: „Die Fans von Dynamo Dresden leisten sich vor dem Spiel gegen Hansa Rostock eine üble Entgleisung“, heißt es im Text.

Einen Dynamo-Fan mit Jagdgewehr im Anschlag und dem Hansa-Logo im Zielfernrohr auf ein XXL-Banner zu malen, ist unstrittig eine Provokation. Die gehört zum Selbstverständnis der Fanszene, nicht nur bei Dynamo. Die Frage ist jedoch, ob in Zeiten von kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa und der Welt sowie Anschlägen in jüngster Zeit auch in Deutschland solch ein Bild in einem Stadion gezeigt werden sollte.

Die Verantwortlichen bei Dynamo hatten damit offensichtlich kein Problem. "Die Sportgemeinschaft ist sich der aktuellen kriegerischen Lage in der Welt bewusst. Die Choreografie der Fanszene sollte als Darstellungsform den sportlichen Wettbewerb und die damit einhergehende Rivalität beider Vereine darstellen", heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage von Sächsische.de. Zudem stellt der Verein fest: "Der Stil kann verständlicherweise verschiedene Interpretationsweisen hervorrufen. Die Gestaltungsfreiheit sollte dabei jedoch gegeben bleiben."

Choreografien müssen bis spätestens fünf Werktage vor dem Spiel bei Dynamo Fanbeauftragten angemeldet werden, in Ausnahmefällen kann die Frist auf einen Tag verkürzt werden. Das schreibt die Fancharta der Schwarz-Gelben vor. Dort steht auch: „Eine inhaltliche Zensur von Choreografien, Spruchbändern und nicht-kommerziellen Publikationen findet nicht statt, sofern sie den Grundsätzen dieser Fancharta entsprechen.“

Dynamos Fans im K-Block verbrennen Rostocker Fanschals.
Dynamos Fans im K-Block verbrennen Rostocker Fanschals. © dpa/Robert Michael

Ein Grundsatz lautet, dass Verein und Fans „aktiv gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung (aufgrund ethnischer Zugehörigkeit, religiöser und sexueller Orientierungen sowie körperlicher und geistiger Beeinträchtigung)“ einstehen. Von gewaltverherrlichenden oder gewaltandrohenden Darstellungen steht dort nichts. Hätte der Verein also überhaupt etwas dagegen tun können?

"Choreografien werden grundsätzlich vorab zwischen Verein und Fanszene abgestimmt", teilt Dynamo mit. Diesmal gehörte dazu nicht nur das XXL-Banner, sondern auch die Einlaufmusik. Die war eine andere als sonst bei Heimspielen, es lief – passend zum Banner – das Rammstein-Lied „Waidmanns Heil“. Der Verein verteidigt dies: "Hierbei wurde bewusst auf eine instrumentale Version ohne Liedtext zurückgegriffen, um keine Verunglimpfungen oder Bedrohungen über die Stadionlautsprecher zu spielen."

Als Veranstalter muss sich Dynamo auch an die Stadionordnung halten. Dort heißt es, dass das Mitbringen von „Fahnen, Transparente sowie Aufschriften mit politischen oder gegen die guten Sitten verstoßenden Äußerungen“ verboten ist. Fällt ein Gewehrlauf da hinein?

Es gibt in solchen Fällen eine weitere Instanz, die einschreiten könnte: der Deutsche Fußball-Bund (DFB). Im November 2018 verhängte der Verband eine harte Strafe gegen Borussia Dortmund. Die Fans des Bundesligisten hatten den Kopf des Hoffenheimer Mäzens Dietmar Hopp in einem Fadenkreuz dargestellt. Die BVB-Fans wurden für die folgenden drei Auswärtspartien bei der TSG Hoffenheim ausgeschlossen, die Strafe aber zur Bewährung ausgesetzt. 50.000 Euro musste der Verein dennoch bezahlen.

Es gibt zwischen den beiden Fällen einen Unterschied: Die Dortmunder Fans nahmen eine konkrete Person ins Visier, die Dynamo-Anhänger einen ganzen Verein. Das ist nicht weniger schlimm, juristisch aber relevant. Ob der DFB Ermittlungen wegen des Gewehr-Banners eingeleitet hat, ist nicht bekannt. Eine entsprechende Anfrage von Sächsische.de blieb bis Dienstagmittag unbeantwortet.

Wegen der rund 20 Knallraketen, die in Höhe der gemalten Gewehrlaufmündung unters Stadiondach flogen und das Abfeuern von Schüssen symbolisieren sollten, wird der DFB-Kontrollausschuss, das scheint sicher, eine Geldstrafe beantragen. Die Raketen konnten zudem diesmal ungehindert aufsteigen, weil das Sicherheitsnetz vor dem K-Block nur bis zur Hälfte heruntergefahren wurde - wegen einer defekten Seilwinde. Ob oder wie die repariert werden kann, klären Verein und Stadionbetreiber derzeit.