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SZ + Dynamo

Klar überlegen, nicht gewonnen: Dynamos Enttäuschung nach dem 1:1

Nur schlechte Chancenverwertung oder auch die verlorene Struktur im Spiel? Nach dem Remis gegen Hansa Rostock gehen die Meinungen bei Dynamo auseinander. Ein Dresdner erlebt einen besonderen Nachmittag - die Analyse mit Reaktionen.

Von Daniel Klein
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So wie Tony Menzel ging es allen Dynamo-Spielern nach dem 1:1 gegen Rostock. Die Enttäuschung über die zwei verlorenen Punkte überwog.
So wie Tony Menzel ging es allen Dynamo-Spielern nach dem 1:1 gegen Rostock. Die Enttäuschung über die zwei verlorenen Punkte überwog. © dpa/Robert Michael

Dresden. Es war laut, emotional und hitzig. Einen Sieger gab es im Ostduell zwischen Dynamo und Hansa nicht, obwohl Dresden bis zum Ausgleich zum 1:1 eine Viertelstunde vor dem Ende die klar bessere Mannschaft war. Die Torschuss-Statistik von 23:5 sagt einiges über die Kräfteverhältnisse aus. Die Enttäuschung bei den Schwarz-Gelben war groß, bei den Rostockern freute sich ausgerechnet ein Dresdner.

Warum verliert Dynamo am Ende noch zwei Punkte?

Das ist die meistgestellte Frage nach den umkämpften 90 Minuten. Nichts deutete bis zur 74. Minute daraufhin, dass Dynamo die drei Punkte noch aus der Hand gibt. Zu überlegen, zu dominant präsentierte sich die Mannschaft von Thomas Stamm. Sie gewann nahezu alle zweite Bälle, schnürte den Gegner teilweise an dessen Strafraum ein.

Das hinterließ auch bei Rostocks Trainer Bernd Hollerbach Eindruck. "Dynamo hat richtig Druck gemacht. Sie haben uns kaum Luft gegeben, da hat man gesehen, warum sie vorne stehen", meinte der Bayer, der mit seiner Mannschaft nach dem sechsten Spieltag immer noch auf den ersten Sieg wartet. Sein Kollege Thomas Stamm lobte sein Team ebenfalls, sah "eines der besten Spiele in dieser Saison. Dass wir unseren Fans keinen Sieg schenken konnten, ist enttäuschend." Dynamo musste verlor durch das Remis auch die Tabellenführung an Sandhausen.

Der Ausgleich fiel quasi aus dem Nichts - und in Unterzahl. Vinko Sapina stand nach einer Behandlung an der Außenlinie, durfte aber noch nicht eingreifen. "Trotzdem kann man das Gegentor verhindern", betonte Stamm. Nach einer Flanke aus dem Halbfeld stiegen Lars Bünning und Claudio Kammerknecht hoch, doch der Ball landete vor den Füßen von Ryan Naderi, der alle Zeit hatte, das 1:1 zu erzielen.

Warum war das 1:1 für den Schützen ein ganz besonderes?

Naderi feierte sein Startelf-Debüt in dieser Saison und für Hansa Rostock - und das ausgerechnet in Dresden. Hier war der Stürmer vor 21 Jahren geboren, hier spielte er bis 2021 Fußball. Als U17-Talent kam Naderi zu Dynamo und schaffte den Sprung in die deutsche Nachwuchs-Auswahl.

Dann wechselte er zur U19 von Borussia Mönchengladbach, unterschrieb dort einen Profivertrag bis 2027. Kurz vor Ende der Transferperiode wechselte er für eine sechsstellige Ablösesumme vor wenigen Wochen zu Hansa.

Bis zu seinem Tor konnte er sich jedoch kaum in Szene setzen, blieb blass. Dann aber hatte er seinen großen Auftritt. "Das ist total verrückt, ich habe es noch gar nicht richtig verarbeitet", sagte Naderi, der zum ersten Mal eine besondere Unterstützerin auf der Tribüne hatte - seine Mutter. "Wahrscheinlich wusste die noch gar nicht, dass sein Sohn Fußball-Profi ist", witzelte Hollerbach. "Es freut mich für ihn. Er konnte zeigen, dass er weiß, wo das Tor steht."

Ein ganz besonderer Moment für Ryan Naderi (unten). Er feiert mit Sigurd Haugen auf den Schultern sein Tor zum 1:1.
Ein ganz besonderer Moment für Ryan Naderi (unten). Er feiert mit Sigurd Haugen auf den Schultern sein Tor zum 1:1. © dpa/Robert Michael

Ist die schlechte Chancenverwertung das einzige Defizit?

Es ist nach dem Schlusspfiff das Hauptthema. "Wir müssen uns vorwerfen, dass wir das zweite Tor nicht gemacht haben", erklärte Stamm. Chancen gab es einige nach dem 1:0, das bereits in der 9.Minute fiel. Stefan Kutschke schloss vom Strafraumeck ab, Rostocks Torhüter Benjamin Uphoff wehrte den Ball zur Seite ab, wo Christoph Daferner lauerte und im Fallen traf.

Es blieb die einzige Szene, bei der Hansas Keeper keine so glückliche Figur machte. Danach rettete er mehrmals in höchster Not. So auch in der 26. Minute gegen Daferner - es war nahezu eine Kopie des 1:0. Kurz danach parierte er einen Kopfball von Lars Bünning mit einem Reflex, klärte einen Fernschuss und einen Kopfball von Aljaz Casar (31./61.). "Wir hatten einige Möglichkeiten, vor allem mit dem Kopf, bei denen der Torwart gut reagiert hat", fand Niklas Hauptmann.

Verlor Dynamos Spiel nach dem Ausgleich die Struktur?

In der zweiten Hälfte der zweiten Halbzeit war die Partie kein Einbahnstraßen-Fußball mehr, sondern "ein offener Schlagabtausch", wie nicht nur Hansa-Coach Hollerbach fand. Wie stark der Bruch im Dynamo-Spiel war, darüber gab es jedoch unterschiedliche Ansichten.

"Nach dem 1:1 wurde es unruhiger, wilder. Wir haben dann nicht mehr so viele zweite Bälle gewonnen und ein bisschen unsere Struktur verloren", bemerkte Bünning. Daferner kritisierte, dass zu viele lange Bälle geschlagen wurden. Stamm sah dies anders: "Im Gegensatz zum Spiel bei 1860 München haben wir heute am Ende die Struktur nicht verloren", betonte er mit Nachdruck. "Man kann gegen eine Mannschaft wie Rostock nicht über 90 Minuten die komplette Kontrolle haben. Das muss man sehr, sehr gut einordnen."

Zudem hätten mit Kutschke und Daferner am Ende nicht mehr zwei Spieler auf dem Platz gestanden, die Bälle gut festmachen konnten. Dass die beiden Mittelstürmer von Beginn an spielten, war eine Premiere in dieser Saison. "Wir wollten eine gewisse Wucht haben. Und das ist aufgegangen", so Stamm.

Blieb es trotz der Brisanz auf den Rängen friedlich?

Ja. Allerdings entrollten die Dynamo-Anhänger im K-Block vor dem Anpfiff ein riesiges Banner, dessen Inhalt sich hart an der Grenze des Erträglichen bewegte. Unter dem Titel "Die Jagdsaison ist eröffnet" war ein Dynamo-Anhänger zu sehen, der mit einem riesigen Gewehr das Hansa-Logo ins Visier nahm. Quasi aus der Mündung flogen etwa 20 Knallraketen unters Stadiondach, die auch nicht von den sonst dort hängenden Schutznetzen aufgehalten wurden. Die waren defekt, so die Begründung des Vereins.

Der mit 3.000 Fans maximal gefüllte Gästeblock blieb in der ersten Halbzeit erstaunlich ruhig. Das änderte sich nach der Pause, als eine Gruppe von 159 Hansa-Anhängern eintraf, die von der Polizei bereits am Morgen im Großen Garten festgehalten worden war. Die Stadt Dresden hatte vor der Partie zur Gefahrenabwehr eine Verordnung erlassen, welche Gegenstände im Stadionumfeld verboten sind.

Offenbar wurde das sorgfältig kontrolliert. Kurz vor Ende der Partie zündeten Dynamo-Fans mit Bengalos noch Rostocker Fanschals an. Das DFB-Sportgericht wird die Pyrotechnik-Verstöße mit einer Geldstrafe ahnden.

Der Liveticker zum Nachlesen
Die Dynamo-Spieler in der Einzelkritik